Unter dem Titel „Pathos und Verwandlung“ zeigt die Kunsthalle Schweinfurt ab 17. Oktober in Zusammenarbeit mit der Städtischen Galerie Rosenheim eine Ausstellung mit Gemälden von Helmut Pfeuffer aus rund 50 Jahren seines Schaffens. Präsentiert werden Werke aus dem Besitz des Künstlers und aus Privatsammlungen, die bisher nicht oder nur selten zu sehen waren. Der unbeirrt figürlich arbeitende Maler, geboren 1934 in Schweinfurt, zieht in dieser Retrospektive eine Bilanz seines Lebenswerkes, das vor allem in den ersten Jahrzehnten – gegen den Strom der Allgegenwart ungegenständlicher Kunst schwimmend – weitgehend in stiller Abgeschiedenheit stattfand.
Lassen wir einige der Exponate Revue passieren: Das „Doppelbildnis“ von 1960 nimmt unter den Figurenbildern eine Sonderstellung ein, da weitere Porträts oder gar Selbstporträts nicht bekannt sind. Helmut Pfeuffer hat sich und seine Frau Irmin als Brustbilder vor landschaftlichem Grund dargestellt. Es ist ein stilles Bild ohne vordergründige Handlung, farblich und formal sorgfältig komponiert. Solche Selbstporträts von Malerpaaren haben eine lange Tradition in der Kunstgeschichte von Rubens über Rembrandt bis Thoma. Hinsichtlich der Innigkeit des Paares wäre vor allem das 1912/13 entstandene Doppelbildnis von Oskar Kokoschka und seiner Geliebten Alma Mahler einzubeziehen (Essen, Folkwang-Museum).
Der weibliche Akt als Urthema
Der weibliche Akt ist ein Urthema der bildenden Kunst. Pfeuffer nähert sich diesen Körpern weder als kalter Anatom, noch feiert er vordergründig die Schönheit junger weiblicher Leiber. Als Maler und sicher auch als Mann bannt er ihre erotische Ausstrahlung mit großen, zugleich sensiblen Pinselgesten auf die Leinwand. Zweifellos eines der schönsten Bilder dürfte die „Frau am Fenster I“ von 1978 sein: Ein prachtvoller, im Gegenlicht gesehener, geradezu nervös gezeichneter weiblicher Akt blickt, auf eine Brüstung gestützt, aus dem Fenster. Ihr Rücken schwelgt nicht in zarter Epidermis, sondern bietet in der Art eines Röntgenbildes Einblicke in die Zell- und Adernlandschaften ihres Körpers.
Seit den 1980er-Jahren fährt Helmut Pfeuffer die Ernte seines Reifens und Ringens ein. Aus seiner Malerei ist alles Kleinteilige völlig gewichen. Mit großem Pinsel inszeniert er 1986 die Farberuptionen des „Eisbach“: Auf einer Anhöhe hat sich teilweise zu Eis gefrorener Schnee gesammelt, der im Vorfrühling zwischen zwei bereits grünen Hängen in die Tiefe stürzt. Im Sonnenlicht entfaltet der gischtende Wasserstrudel einen unerwarteten Reichtum an Farben in Rot und Blau. Dieser Landschaftsausschnitt lässt sich auch als geradezu orgiastisch interpretierter, intimer und zugleich völlig ungeschützter Blick in den weiblichen Schoß lesen: Pfeuffers Schoß der Erde wäre dann die Antwort auf Courbets Gemälde „Ursprung der Welt“ von 1866 im Pariser Musée d’Orsay.
Auseinandersetzung mit Mahler
Die Auseinandersetzung mit den Tondichtungen Gustav Mahlers (1860-1911) prägt einen großen Teil des Schaffens von Pfeuffer. Insbesondere inspiriert von dem späten, von Abschied und Vergehen durchwehten „Lied von der Erde“, widmete der Maler dem spätromantischen Komponisten etliche Werke seit den achtziger Jahren. Als Göttin der Nacht erscheint die kopfüber in ihren Kissen vergrabene Femme fatale in dem Gemälde „Alma / Nachtmusik“ von 1989. Nicht vom angeblich „süßen“ Liebestod erzählt das Gemälde „Pieta“ von 2002, das „Lemminkainens Mutter“ von Axel Gallén-Kallela in Helsinki verpflichtet ist: Eine den Blick des Betrachters suchende nackte Frau hockt trauernd vor einem auf der Erde liegenden nackten Toten. Dank der liebenden Fürsorge der Mutter überlebt Lemminkainen in der Sage.
Die Titel solcher Bilder wie „Pieta“ oder „Passion“ in der vielschillernden Bedeutung des Wortes mögen Assoziationen zu Themen in der christlichen Kunst oder der Mythologie herstellen: In allen Fällen aber geht es um das, wofür wir in der deutschen Sprache leider nur ein einziges Wort besitzen, um Liebe. Somit aber muss jegliche dingliche Festlegung hilflos wirken. Mehr über die Erscheinung von Pfeuffers später Malerei verrät jenes Wort von Anton Webern über Gustav Mahlers „Lied von der Erde“: „das Thatsächliche verflüchtigt, die Idee bleibt“.
Helmut Pfeuffer: „Pathos und Verwandlung“, Kunsthalle, Eröffnung 16. Oktober, 19 Uhr, zu sehen bis 22.Februar 2015. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.