Hosianna-Rufe und Hunderte jubelnde Menschen werden im Sommer 2018 nach fünf Jahren wieder diesen Jesus von Nazareth auf der Freilichtbühne in Sömmersdorf (Lkr. Schweinfurt) empfangen. Dann werden die Stadt Jerusalem und der Orient ganz plastisch erlebbar sein. Ein neuartiges stählernes Dach wird den Zuschauerraum überwölben. Und das Theaterspiel von der ältesten Geschichte der Menschheit wird noch emotionaler die insgesamt 35 000 Besucher berühren. So versprechen es die Verantwortlichen, die jetzt, ein Jahr zuvor, mitten in den Vorbereitungen stecken.
Bereits abgeschlossen hat der Verein Fränkische Passionsspiele Sömmersdorf seine Haus-zu-Haus-Befragung aller 680 Einwohner, ob sie nächstes Jahr wieder auf, hinter und neben der Bühne dabei sind. „Die Bereitschaft mitzuspielen ist größer geworden“, freut sich Vereinsvorsitzender Robert König. Standen 2013 noch rund 250 Dorfbewohner als Darsteller auf der Bühne, so wollen jetzt 319 mitspielen und 111 mithelfen. „Das Gemeinschaftsgefühl ist dabei ganz wichtig“, weiß er.
Manche Sömmersdorfer sind gleich in doppelter und dreifacher Funktion dabei: Erst als Feuerwehrmann beim Parkplatzanweisen, dann als Schauspieler im jüdischen Volk und in der Pause als Helfer beim Catering mit Damaskus-Braten oder Datteln im Speckmantel.
Es ist ein Mammut-Unternehmen, das der Verein alle fünf Jahre stemmt. Dabei geht er professionell die Aufgaben an, auch wenn alle Vereinsverantwortlichen ehrenamtlich arbeiten. Die Lust am Theaterspiel, die Leidenschaft, die Passion, treibt sie an. Und die besondere Geschichte, die seit 2000 Jahren weltweit verbreitet wird und die die Sömmersdorfer auf ihre Weise weitertragen wollen.
Lebendig, bunt, packend erzählen sie mit den Mitteln des Theaters die Lebens- und Leidensgeschichte Jesu. Seit 2013 wird das Spiel zudem getragen von eigens für Sömmersdorf komponierter Passionsmusik, live gespielt von einem kleinen Profi-Ensemble. Weg von bombastischer Orchester- und Chormusik vom Band, dafür einfühlsam, modern, mitten im Geschehen und gespielt mit besonderen Instrumenten wie der dunklen, 2000 Jahre alten Duduk-Flöte. Das soll auch 2018 so sein. „Die Verträge mit den Musikern werden derzeit ausgearbeitet“, informieren die beiden professionellen Regisseure Marion Beyer und Hermann J. Vief.
Das Regie-Duo aus Oberfranken ist dafür verantwortlich, dass die Sömmersdorfer Passion 2013 völlig neu erzählt wurde. „Das war ein Quantensprung“, resümiert Vereinsvorsitzender König. Dass dennoch Verbesserungen möglich sind, weiß er. Umso mehr freut er sich über die größere Spielbereitschaft im Dorf. „Wir können jeden gebrauchen“.
So sollen die Volksszenen beim Einzug Jesu in Jerusalem, bei der Geißelung oder beim Kreuzweg vergrößert werden. „Es schadet auch nicht, wenn beispielsweise bei der Ölbergszene mehr Männer dabei sind, vor denen die zwölf Jünger Angst haben“, meint Regisseur Vief. Auch für andere Spielsituationen, etwa beim Auftritt von König Herodes, gibt es neue Ideen. „Aber es wird keine Neuinszenierung werden“.
Ein Großteil der 109 Sprechrollen, von denen 15 Hauptrollen doppelt besetzt sind, wird wohl beibehalten werden. „Aber wir sehen uns die Wünsche der Befragten an“, erklärt Regisseurin Marion Beyer. Manche Ältere wollen sich ins Volk zurückziehen, Jüngere trauen sich inzwischen nicht nur eine Statisten-, sondern auch eine tragende Rolle zu. Bei einem Casting-Wochenende Mitte September sollen die spielerischen Fähigkeiten getestet werden. Schließlich besuchen etliche Sömmersdorfer immer wieder Fortbildungen rund ums Theater.
„Das Publikum will Bekanntes erleben, aber auch mit Neuem überrascht werden“, fasst Vief zusammen. Dazu wird auf jeden Fall ein neues Bühnenbild zählen. Mit dem professionellen Bühnenbauer André Putzmann aus Berlin hat der Verein schon bei der Inszenierung von „Don Camillo und seine Herde“ 2015 gute Erfahrungen gemacht, sagt Vereinsvorsitzender König. Putzmann erarbeitet derzeit einen Entwurf für ein lebendiges Jerusalem. „Wir haben hier tüchtige Leute, die das umsetzen können“, weiß König.
Er erinnert daran, dass bei der letzten Passion dafür die Zeit zu knapp gewesen war, zumal bis kurz vor Spielbeginn 2013 die neue größere Bühne gebaut worden war. „Das nackte Betongerüst der Bühne wird diesmal kaum mehr sichtbar sein“, unterstreicht Vief.
Auf den Einsatz von Tieren beim Theaterspiel setzen die Regisseure auch weiterhin: Esel, Schafe, Tauben, Hühner, „und außerdem ist der Wunsch nach einem Kamel wieder aufgeflammt“. Die Sömmersdorfer wollen sich ernsthaft darum bemühen. Dass der Verein für ein atmosphärisches Bühnenbild auch „ein bisschen in die Tasche greifen muss“, wie es dritter Vereinsvorsitzender Norbert Mergenthal ausdrückt, ist den Verantwortlichen klar.
„Wir wollen in jeder Hinsicht Qualität abliefern.“
Das beinhaltet auch den Zuschauerbereich, der ein neues Dachgewölbe erhält. Die bisherigen neun Trichterschirme, deren Masten die Sicht auf die Bühne behinderten und die zu jeder Spielsaison aufwendig aufgezogen werden mussten, sind bereits abgebaut. Die Aufträge für den umfassenden Sonnen-, Regen- und Windschutz werden gerade vergeben.
Das Stahlgerüst wird sich mit 1400 Quadratmetern Fläche über die 1850 Sitzplätze wölben, bespannt mit einer Zeltmembran. 35 Meter breit und 40 Meter tief wird die neuartige Konstruktion werden, gegründet auf gewaltige Fundamente zu beiden Seiten des Zuschauerraums. An der Freilichtbühne erhebt sich die Überdachung elf Meter hoch. „Die Sicht auf den Wald wird erhalten bleiben“, ist König sicher, schließlich ist die Umgebung atmosphärischer Bestandteil der größten Freilichtbühne Nordbayerns.
Inklusive der neuen Technikkabine, die unter das Dach gehängt wird und von der aus die neue Licht- und Tontechnik gesteuert wird, muss der Verein fast 2,8 Millionen Euro ausgeben. Eine gewaltige Summe, die mit Hilfe öffentlicher Fördergelder von Land, EU, Bezirk, Landkreis, Gemeinde und Diözese gestemmt wird.
Hintergrund dieser großen Investition ist das Vorhaben, die einzigartige Freilichtbühne künftig häufiger nutzen zu können. Gedacht ist daran, zwischen den Passionsspielen eigene Theaterproduktionen aufzuführen, aber auch Fremdveranstaltern eine Bühne zu bieten. „Wir werden aber die Zahl der Vorstellungen überschaubar halten“, erklärt Mergenthal, man wolle die Anwohner in Sachen Lärm nicht überstrapazieren.
Das soll auch mit den eigenen Schauspielern geschehen, die ab der Rollenbekanntgabe am 6. Oktober mit den Passionsproben beginnen. 19 Wochenenden sind angesetzt, ein genauer Plan gibt an, wann welche Darsteller an der Reihe sind. Die Ostern- und Pfingstferien bleiben im nächsten Jahr frei, dafür ist kurz vor der Premiere am 24. Juni 2018 eine ganze Probenwoche angesetzt. Und die 18 Vorstellungen bis zum 19. August fordern das ganze Dorf ohnehin.
Die Verantwortlichen sind schon jetzt gut beschäftigt, auch mit dem Marketing. Flyer und Broschüren sind längst gedruckt, ein Trailer für Internet und Messen kreiert und die Homepage neu erstellt, kompatibel mit den Sozialen Medien. „Wir haben uns breiter aufgestellt, wir wollen auch jüngere Zuschauer erreichen“, erklärt Mergenthal. Auch der Kartenvorverkauf ist ab 20. November online möglich.
Bei aller profanen Beschäftigung rund ums Theaterspiel bleiben den Sömmersdorfern die Weitergabe der christlichen Botschaft und die Vermittlung von Werten wie Nächstenliebe wichtig, unterstreicht Robert König. Kritikern entgegnen die Regisseure Vief und Beyer, dass sich die Darsteller nach eigener Aussage durch die intensive Beschäftigung mit ihren Figuren viel mehr mit dem Thema auseinandersetzen als früher. „Sie erfahren Religiosität im Tun, ganz unbewusst“, drückt es Marion Beyer aus. Auch die Zuschauer erhalten einen anderen Zugang zu dieser zentralen Glaubensgeschichte. „Die Leute machen sich wesentlich mehr Gedanken“, ist ihre Erfahrung.
Fakten und Termine der Fränkischen Passionsspiele Sömmersdorf
Die Spielzeit 2018: Insgesamt gibt es 18 Vorstellungen von 24. Juni bis 19. August, immer samstags um 20 Uhr und sonntags um 14.30 Uhr. Ausnahme: Statt am Sonntag, 15. Juli, (Endspiel der Fußball-WM) findet am Freitag, 13. Juli, eine Abendvorstellung statt. Auch am Feiertag Mariä Himmelfahrt am Mittwoch, 15. August, wird um 14.30 Uhr gespielt. Das Stück dauert etwa drei Stunden plus Pause. Die Festspielbühne hat 1850 überdachte Sitzplätze. Insgesamt werden rund 320 Schauspieler und 120 Helfer mitwirken. Regie führen Marion Beyer und Hermann J. Vief.
Karten: Der Vorverkauf startet am 20. November, Karten gibt es ab dann in der Geschäftsstelle des Passionsspielvereins, Tel. (0 97 26) 26 26, im Rathaus Euerbach und in den Geschäftsstellen der Main-Post sowie online über ADticket und die Homepage des Vereins: www.passionsspiele-soemmersdorf.de
Geschichte:
1933: Aufführung der ersten Passion im Heiligen Jahr mit 70 Spielern im Wirtshausgarten.
1935: Verbot durch die Nationalsozialisten.
1957: Wiederaufnahme auf einer einfachen Freilichtbühne im Wald am nördlichen Dorfrand.
1967: Bau eines massiven Bühnenhauses als Innenbühne zusätzlich zur Vorbühne.
1968: Ab diesem Spieljahr findet das Passionsspiel im fünfjährigen Turnus statt.
2013: Erstmals führen Marion Beyer und Hermann J. Vief Regie – mit Neuinszenierung, neuen Rollen, veränderten Szenen und Dramaturgie. Die Bühne wird generalsaniert, eine eigene Passionsmusik komponiert.
2018: Das 17. Spieljahr in 85 Jahren.
Orte der Passion: Der Passionsgarten mitten im Ort beherbergt eine ganzjährig begehbare Ausstellung zur Geschichte der Passion. Dazu gibt es ein Film- und Fotomuseum in der ehemaligen Schule neben der Kirche zu 85 Jahren Sömmersdorfer Passion.
Zwei spirituelle Rundwege mit markanten Punkten zur Passion laden zum Innehalte ein, sie verlaufen im Süden und Norden des Dorfes.
ZDF-Fernseh-Gottesdienst: Am Sonntag, 27. Mai 2018, überträgt das ZDF live einen Gottesdienst von der Passionsspielbühne. sia