Vor etwa einem Jahr geht eine Mail bei ZDF-Studioleiter Theo Koll in Paris ein. Eine weitere landet bei ARD-Korrespondentin Barbara Kostolnik. Beide kommen vom Projektseminar Französisch des Celtis-Gymnasiums. Die Schüler wollen eine Reise nach Paris organisieren – ohne die typischen Sehenswürdigkeiten. Dafür fragen sie Einheimische nach ihren Geheimtipps für die Hauptstadt, rufen bei Deutschen an, die dort seit ein paar Jahren leben, und sprechen mit der ehemaligen Schulleiterin einer deutschen Schule in Paris.
Daraus entsteht ein Reiseführer, auf dessen Cover zwar der Eiffelturm in den Himmel ragt, der inhaltlich aber ohne die touristischen Klassiker auskommt. Vom Parfüm-Museum „Fragonard“ über „La Defense“, den größten Bürobezirk Europas mit den obligatorischen Wolkenkratzern, bis zur Großen Moschee fassen die Schüler auf elf Seiten ihre Reise durch Paris zusammen. In kurzen Texten beurteilen sie, zählen Preise, Öffnungszeiten und Metrostationen in der Nähe auf. Bei der abschließenden Bewertung taucht der Eiffelturm dann doch wieder auf – etwa einen Zentimeter hoch: Ist der Tipp besonders gut, gibt es maximal fünf Türmchen.
Das Programm der Schüler für Paris ist flexibel
Das Projektseminar Französisch ist eines von zehn Angeboten des Celtis-Gymnasiums für Oberstufenschüler – und das erste mit einer Reise. In der zehnten Klasse können die Jugendlichen ein Seminar wählen. Es soll Kompetenzen erweitern und Kommunikations- und Organisationsfähigkeit fördern. Die 16 Schüler, die sich für Französisch entschieden haben, lernen die Sprache seit der 8. Klasse, einen Austausch haben sie bereits mitgemacht.
Die Reise im September nach Paris organisieren sie komplett selbst. In kleinen Gruppen bereiten sie für den jeweiligen Tag ein Programm vor, kümmern sich um Führungen, Gruppenrabatte und um Metro-Verbindungen. „Dafür mussten wir schon ein bisschen tiefer recherchieren. Es reicht nicht, einfach bei Google zu gucken“, sagt Schülerin Luna Heuler.
In fünf Tagen besichtigen die Jugendlichen Museen, bummeln durch kleine Gassen und stöbern in Second-Hand-Läden. Oft laufen sie ohne einen festen Plan durch Paris, ändern ihr Programm, lassen etwas weg oder nehmen etwas anderes dazu. Dass sie die typischen Touristenattraktionen nicht besucht haben, stört die Schüler nicht. Bei ihrem Austausch haben sie die Sehenswürdigkeiten schon gesehen. „Paris hat noch viel mehr zu bieten. Das soll jetzt nicht heißen, dass sich die anderen Sachen nicht lohnen würden. Aber wir wollten unsere Zeit nicht damit verschwenden, da anzustehen, wo alle anstehen“, sagt Schülerin Jana Walter. „Uns reicht es, dass man sie im Vorbeilaufen sieht.“
Viele Museen sind umsonst
Renate Blume unterrichtet Französisch am Celtis-Gymnasium. Sie hat die Jugendlichen auf der Fahrt begleitet. Die Lehrerin hat ein Jahr in Paris gelebt. „Ich dachte, ich kenne mich ganz gut aus“, sagt sie. Die Ziele, die die Schüler ausgesucht haben, sind für sie dennoch neu. Die Gruppe besucht den Bäcker des Präsidenten, rechnet mit langen Schlangen und genauso langen Wartezeiten. „Das war erstaunlich, das war wirklich ein ganz normaler Bäcker“, sagt Blume. Über die Große Moschee steht eine Geschichte im Französischbuch. „Für die Schüler ist es schön, zu sehen: Das gibt es ja wirklich“, sagt die Lehrerin. Ihr gefällt der Ansatz der Jugendlichen, untypische Sehenswürdigkeiten auszusuchen. „Von den Touristenattraktionen haben sie nicht so wahnsinnig viel. Am Ende sagen sie: Wir haben es gesehen, weil man es gesehen haben muss.“
Das Projektseminar gestaltet die Reise möglichst kostengünstig. „Ich fand es gut, dass wir schon die Endsaison hatten. Da erlebt man Paris noch mal anders“, sagt Schülerin Leonie Herkert. Viele Museen sind umsonst, Essen holen sich die Schüler an einem Imbiss. Für sie ist es wichtig, Auszeiten und Abwechslung zu haben. Oft machen sie Pause in Parks und spielen Boule. „Es ging uns aber nicht nur um Spaß. Wir wollten uns auch politisch weiterbilden und ich finde, das haben wir geschafft“, sagt Leonie Herkert. Barbara Kostolnik empfängt die Gruppe im ARD-Radiostudio und erklärt das politische System in Frankreich.
Den Reiseführer hat das Projektseminar bisher nur schulintern veröffentlicht. In ein paar Wochen soll er in digitaler Form auf der Homepage des Gymnasiums stehen. Die Schüler wollen anderen Jugendlichen zeigen, wie man eine Reise selbst organisiert „Wir haben uns gedacht, dass es nach dem Abi praktisch ist, wenn man das weiß“, sagt Leonie Herkert.
Tipps für Paris-Besucher
Fehlende Französischkenntnisse sind aus Sicht der Schüler kein Problem: Viele Führungen gibt es auf Deutsch oder Englisch.
Eine Wochenkarte für die Metro wirkt zwar auf den ersten Blick teuer, lohnt sich aber. Die Entfernungen in Paris unterschätzt man häufig.
Parisbesucher sollten sich die Tage nicht zu voll packen. Stattdessen sollten sie Punkte auf einer Liste haben, die sie eventuell besuchen und flexibel tauschen können. Sie sollten sich außerdem Zeit nehmen, durch die Stadt zu laufen, durch kleine Gassen zu gehen und abzuwarten, was sie sehen.
In der Nebensaison ist in der Stadt deutlich weniger los. Wer dann noch Sehenswürdigkeiten abseits der klassischen Attraktionen wählt, hat die Stadt zeitweise für sich allein.
Planen ist wichtig: Auch bei den für Touristen untypischen Zielen sollte man sich rechtzeitig für Führungen anmelden. Für Gruppen, Schüler oder Studenten gibt es oft Rabatt oder kostenlose Führungen.