Claudia Roth, ihre Zeichens Bundestagsvizepräsidentin, stellte gleich fest, als sie bei ihrem Besuch in Gerolzhofen den „großen Saal“ des Theaterhauses in der Marktstraße betrat, das sich das Kleine Stadttheater im früheren Café Schoué geschaffen hat: „Schön ist das hier“.
Und es ging auch nicht einfach so zusammen mit Theaterleiterin Silvia Kirchhof und der Landtagskandidatin der Grünen, Birgid Röder, schnurstracks auf die Bühne. „Der Auftritt kommt im Theater immer von der Seite“, gab die langjährige Bundesvorsitzende der Grünen deutlich zu verstehen. Schließlich hatte sei einst vor ihrer politischen Karriere am Theater gearbeitet.
Überhaupt waren Kunst und Kultur ein Grundnahrungsmittel in ihrer Familie, wie sie erklärte. Schon der Großvater war Organist und Kirchenmusiker. Der Zweite Weltkrieg zerstörte schließlich die Träume beider Elternteile von einer musikalischen Karriere. So wurde der Vater Zahnarzt, die Mutter Lehrerin.
Bevor es die „Erstgeborene“ von drei Mädchen zuhause in die Politik verschlagen hat, „wollte sie die Welt verändern“ und habe demzufolge begonnen, in München unter anderem Theaterwissenschaften zu studieren. Das Studium brach sie aber bald wieder ab, um auf die freigewordene Stelle als Dramaturgin an die Städtischen Bühnen in Dortmund zu wechseln.
Über die Zwischenstation bei einer freien Theatergruppe in Unna kam sie schließlich 1982 als Managerin zur deutschen Rockband „Ton Steine Scherben“ um den Frontmann und Sänger Rio Reiser. Diesen hatte Claudia Roth über dessen Bruder kennengelernt, der am Dortmunder Theater ein Kinder- und Jugendtheater leitete.
Durch Zufall war Claudia Roth zu jener Zeit auf die Anzeige gestoßen, mit der die 1983 erstmals in den Bundestag eingezogene Fraktion der Grünen 1985 eine Pressesprecherin suchte. Die Entscheidung, ob sie sich bewerben solle oder nicht, fiel in der WG „beim Frühstück nachmittags um 17 Uhr“, wie Claudia Roth im Theaterhaus erzählte.
Der parapsychologisch angehauchte Gitarrist der Scherben, ein Franzose, habe die Konstellation für sehr günstig befunden. Obendrein habe der Bassist die Sache sicherheitshalber ausgependelt. Damit war der Weg frei für die Bewerbung.
Es traf sich gut für Claudia Roth, dass Michael Vesper, der damalige Fraktionsgeschäftsführer und spätere Minister und stellvertretende Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen sowie Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbundes, ein Scherben-Fan war.
„Wer es mit den Scherben aushält, hält es auch mit den Grünen aus“, habe Vesper gesagt, so Claudia Roth. Die heutige Bundestagsvizepräsidentin: „So kam es dazu, dass ich von der Theater- auf die andere, politische Bühne wechselte.“
Euer Gerolzhöfer Moisle