Ein Wiedersehen mit dem "Danish Dance Theatre", das vor fünf Jahren mit "Black Diamond" des britischen Choreografen Tim Rushton in Schweinfurt für Furore sorgte. Diesmal steht mit "Carrying a Dream" ein weiteres Werk Rushtons auf dem Programm, mit dem er sich 2018 nach 17 Jahren kreativer Aufbauarbeit von dem dänischen Ensemble verabschiedet hatte.
Der Titel "Carrying a Dream" (Einen Traum weitergeben) bezieht sich auf die berühmte Rede des amerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King "I had a Dream". Diese und andere historische Reden berühmter Persönlichkeiten, die es wagten, über Themen wie Rasse, Geschlecht und sexuelle Rechte zu diskutieren und für deren Durchsetzung zu kämpfen, inspirierten Rushton zu einem kraftvollen Plädoyer für Freiheit und Menschenrechte. Der Choreograf lässt diese Mahner wie Eleanor Roosevelt, Winston Churchill, Malcolm X, Harvey Milk in Soundclips zu Wort kommen.
Und heute? "Ja, wir müssen wachsam und aktiv bleiben, wenn auch inzwischen vieles für die Rechte der Menschen erreicht wurde", betont Tim Rushton nach der Vorstellung. "Wir leben in einem gefährlichen Dschungel von Vorurteilen, Egoismus, Ausgrenzung, Vertreibung, Gewalt und Hass. Wir müssen endlich lernen, einander zu respektieren".
Der Choreograf zeichnet diese eher trübe Bilanz in oft brutalen Tanzbildern, mit kraftvoll pulsierenden Soundcollagen und einem raffinierten Lichtdesign. In diesem meist Unsicherheit, Angst und Gefahr signalisierenden Umfeld agieren die großartigen vier Tänzerinnen und die sechs Tänzer: Mit hohem körperlichem Einsatz und mit beeindruckender tänzerischer und emotionaler Ausdruckskraft.
Abrupter Stimmungswechsel
Aus dem Gegenlicht treten die Tänzer in grauer "Anstaltskleidung" ins Helle der Rampe, mit seltsam hektischen Bewegungen. Sie schauen sich prüfend um, einer verbirgt seine Augen mit den Händen. Donnergrollen und dumpfe Schläge werden plötzlich von Tango-Klängen abgelöst, zu denen zwei Männer einen zärtlichen Pas de deux tanzen. Eine Erinnerung? Abrupter Stimmungswechsel. Während auf der Hinterbühne in einem Schattenspiel Menschen in gebückter Haltung, bepackt und ermüdet, vorüberziehen, laufen vorn in trübem Licht Bilder der Gewalt. Frauen werden von Männern gejagt, werden in den Händen ihrer Peiniger zu leblosen Puppen. Einer reißt einer rothaarigen Frau die Kleidung herunter. Auch drei andere "Paare" deuten eine Vergewaltigung an, dabei irrt die "Rote" (ein Tänzer) verstört, verzweifelt über die Bühne.
Menschen in einem Kreis, mit himmelwärts gestreckten Händen. Wie in einem Gottesdienst steht ein Prediger vor seiner Gemeinde, eine Art Spiritual erklingt. Es ist eine Version von Nina Simones "The King of Love is dead", das sie nach der Ermordung des Bürgerrechtlers Martin Luther King schrieb – "wie soll es ohne dich weitergehen?" Der Gesang wird intensiver, die Orgel brodelt. Der Geistliche wird davon inspiriert, mit wilden Bewegungen nähert er sich einer Trance. Auch diese Szene ist ein berührendes Beispiel für die Kreativität Rushtons und die packende Umsetzung durch die Compagnie.
Menschen wälzen sich am Boden
Marschrhythmus. Menschen wälzen sich am Boden, mit zuckenden Armen und Beinen. Elton John singt seine Hymne an alle Toten der Kriege "Taking Old Soldiers". Danach ein Pas de deux der Gewalt mit Tritten und Schlägen. An der Rampe versammeln sich die Tänzer, synchrone, eckige, abgehackte Bewegungen. Langsam treten sie zurück, verschwinden im Dunkel. Einer bleibt einsam zurück. Ein anderer holt ihn ab, begleitet ihn.
Nach Sekunden des noch Gefangenseins feiert das Publikum die Gäste aus Kopenhagen mit Riesenapplaus und Begeisterungspfiffen.