
Wir chatten miteinander, verabreden uns via E-Mail, WhatsApp oder anderen Messengern, posten auf Facebook, Instagram, kommunzieren wie wild, so scheint es – doch wirklich reden wir nicht viel miteinander. Vor allem Paare. Die stecken, so ist die Erfahrung der Berater der Ehe- Familie und Lebensberatung in Schweinfurt, immer mehr in der Zwickmühle aus Alltag, Effizienz, Organisation und Partnerschaftspflege. Letztere bleibt dann oft auf der Strecke.
Herbert Durst, Leiter der Hauptstelle in Schweinfurt, sein Stellvertreter Stephan Bury und Gabriele Walhorn-Rath haben diese Entwicklung beobachtet. Die Gründe dafür sind vielschichtig, doch manche drängen sich immer mehr in den Vordergrund. „Auffällig ist die Arbeitsverdichtung“, sagt Stephan Bury. Die Menschen stehen immer mehr unter Druck. Leistung, Effizienz, Controlling – all das wirkt sich auf das Zwischenmenschliche aus. Der Einzelne, aber auch die Familie, das Paar muss funktionieren, erklärt Gabriele Walhorn-Harth. Wobei die Anforderungen, die wir an uns selbst stellen, hoch gesteckt sind. Die Kinder sollen gefördert werden, möglichst in jedem Bereich, Musik machen, Sport, eine gute Ausbildung bekommen.
„Die Familie muss funktionieren“
„Die Eltern heute stecken viel Energie und Einsatz in dei Ausbildung ihrer Kinder“, sagt Herbert Durst. Und all das, Beruf, Familie, Freizeit, Förderung, muss organisiert sein. Oder, wie Walhorn-Harth sagt: Es muss funktionieren. Auch dann wenn, nachdem die Kinder vielleicht aus dem Gröbsten raus sind, die eigenen Eltern pflegebedürftig werden.
Und so reden viele zwar miteinander – über die kaputte Spülmaschine, den nächsten Urlaub, wer wann wohin die Kinder fährt – doch nicht über sich selbst, über ihre Wünsche, ihre Beziehung. Zu wenig Zeit, zu erschöpft, zu wenig Ruhe. „Für die Pflege der Partnerschaft bleibt oft zu wenig Energie“, sagt Walhorn-Rath.
Sie und ihr Kollege Stephan Bury helfen Paaren, wieder miteinander reden zu lernen, sich auch wirklich zuzuhören. Ohne gegenseitige Vorwürfe. Dem anderen sagen, was man an ihm mag, oder, dass etwas gut war, auch das müssen viele wieder lernen. Zum Beispiel in einem Kurs, den die Beratungsstelle in Schweinfurt ein- bis zweimal im Jahr anbietet.
Es geht um „Kommunikationskompetenz“, wie der Titel schon sagt. Ein Training für Paare, das über acht Abende läuft. Zweieinhalb Stunden sind pro Termin angesetzt, die beiden Trainer begleiten die vier Paare im Gespräch. Jedes für sich. 20 Euro kostet der Kurs pro Abend. Das Alter ist gemischt. Von Paaren Ende 20 oder 30 bis hin zu solchen, die seit 30 Jahren zusammen sind.
In der Statistik für 2017 ist die „dysfunktionale Kommunikation“ auch auf Platz 2 der Gründe, warum Menschen in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung Hilfe gesucht haben. Was Herbert Durst einfach auf einen Nenner bringt: „Du hörst mir nie zu“, sagt der eine, und der andere, „was?“ Die meisten Paare, so die Therapeuten, kommen spät, eigentlich zu spät. Laut Statistik denkt von den Paaren, die sich hier anmelden – und das sind 50 Prozent der Hilfesuchenden – mindestens einer schon an Trennung.
Beratung in 1291 Fällen, allein in Schweinfurt
Im vergangenen Jahr haben die Beratungsstellen der Diözese für die Regionen Aschaffenburg, Schweinfurt und Würzburg 4644 Personen beraten, zwei Prozent davon online. Ebenso hoch ist dieser Anteil an den Beratungsfällen, die sich prozentual ziemlich gleich auf die Regionen aufteilen. Insgesamt waren es 3743, davon 1291 in Schweinfurt.
An Beratungsstunden haben die Stellen insgesamt 16 783 investiert, 341 mehr als im Jahr zuvor. 5484 waren es in Schweinfurt. Die meisten Beratungen sind in fünf oder weniger Gesprächen abgeschlossen. 90 Minuten dauert so eine Beratung für Paare, 50 Minuten für Einzelpersonen. Die Menschen, die sich direkt an die Beratungsstelle und nicht in die online-Beratung gehen, sind im Schnitt zwischen 40 und 60 Jahre alt.
Mit ihnen allen, ob mit Paaren oder Einzelpersonen, wollen die Berater soweit es geht Lösungen suchen, damit die Menschen so schnell wie möglich wieder ihren Weg finden. Ob gemeinsam oder nicht. Die meisten der Paare, sagt Durst, kommen mit dem Wunsch zusammenzubleiben. Nicht alle werden es schaffen. Doch das muss auch nicht sein. Denn manchmal darf auch etwas nicht funktionieren, ist eine Trennung für zwei Menschen der bessere Weg.
Die Ehe-, Familie und Lebensberatung der Diözese Würzburg
In zehn Städten in Unterfranken gibt es die Beratungsstellen – in der Region Aschaffenburg, Alzenau, Miltenberg, in Würzburg, Lohr, Kitzingen und vier im Schweinfurter Raum. Hauptstelle ist Schweinfurt, daneben gibt es Außenstellen in Bad Kissingen, Haßfurt, Bad Neustadt/Saale.
Die Beratung ist kostenfrei – die Stellen werden zu 80 Prozent von der Kirche finanziert, Zuschüsse von Freistaat und Kommunen sowie Spenden decken die restliche Finanzierung.
Die Berater sind Psychologen, Pädagogen oder Theologen mit einer vierjährigen Zusatzausbildung als Ehe-, Familien- und Lebensberater und/oder Psychotherapeut.
Wann helfen die Stellen weiter? Die Berater helfen weiter bei Partnerschafts- und Ehekrisen, Lebenskrisen, Überlastungs- oder Verlusterfahrungen, Sinnfragen, Ängsten oder auch Auseinandersetzungen in der Familie, wobei es hier eher um Eltern mit Kindern ab 17 geht, für Paare mit jüngeren Kindern ist die Erziehungsberatung zuständig. Was die Berater auch festgestellt haben: Immer mehr junge Menschen kommen, die unzufrieden sind, nach Orientierung suchen – privat und beruflich.
Das Angebot: Die Fachkräfte unterstützen bei der Bewältigung der Situation, begleiten psychotherapeutisch, führen kurzfristige Krisengespräche, vermitteln Hilfen an andere Stellen, zum Beispiel bei Krisen, die einen finanziellen Hintergrund haben, helfen, wieder Orientierung zu bekommen und Lösungen zu finden.
Gruppenangebote gibt es auch – zum Beispiel ein Kommunikationskompetenz-Training für Paare oder auch „Impulse für die Zeit nach der Trennung“, ein Kurs, den man zusammen mit der Erziehungsberatung anbietet für Paare, die Kinder haben.
Auch eine Online-Beratung ist möglich. Über das Portal der Beratungsstellen der Diözese Würzburg www.eheberatung-wuerzburg.de führt ein Link zur Onlineberatung, bei der alle Berater der Diözesen in Bayern per E-Mail oder Chat für Menschen da sind. Völlig anonym, wahlweise per Chat oder Mail. Schon seit 15 Jahren gibt es dieses Angebot, das vor allem Menschen zwischen 20 und 40 Jahren nutzen.
Die Beratungsstelle in Schweinfurt hat zehn Mitarbeiter, davon acht Berater.
Hilfe bekommt hier jeder – unabhängig von Nationalität, Glauben, Familienstand oder sexueller Orientierung.
Kontakt: Tel. ( 0 97 21) 1 84 87