44 Fälle des Betruges listet die Anklageschrift auf, die am Montag vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt verlesen wird. Es geht um hohe Summen. Goldbarren, Nuggets und Münzen für mehr als 614 000 Euro hat demnach Ende Juli letzten Jahres ein Arzt aus Süddeutschland bei einem einzigen Geschäft mit dem 43-jährigen Edelmetallhändler online geordert, per Vorkasse bezahlt – und kein Gold dafür bekommen.
Goldbarren nur gegen Vorkasse
So soll es weiteren 43 Anlegern ergangen sein, die bei dem Mann meist in Goldmünzen und -barren investierten – zwischen 2200 und 163 000 Euro als zweithöchstem Betrag, für den keine Ware geliefert wurde. Insgesamt soll der Angeklagte auf diese Weise zwischen Juli und November 2017 Anleger um 1,2 Millionen Euro gebracht haben, so die Staatsanwältin. Seit acht Monaten sitzt der 43-Jährige in der JVA Würzburg in Untersuchungshaft.
Den Anklagevorwurf räumt der gelernte „Fachwirt für Finanzdienstleistungen“ mit dem Ausdruck großen Bedauerns ein. Er habe die Kunden aber nicht schädigen wolle und sich nicht bereichert, sondern versucht, Verlustgeschäfte zu kompensieren. Seine Strategie ist allerdings schwer oder gar nicht nachzuvollziehen. Von 2010 bis 2016 habe er 6000 Bestellungen über ein bekanntes Onlineportal für Gold- und Silberhandel „problemlos ausgeliefert“, sagt er. Die Margen für ihn lagen zwischen drei und sechs Prozent.
„Eine Nummer im Markt sein“
Um den Umsatz deutlich zu erhöhen, habe er im Ranking dieses Portals von einem der hinteren Plätze „unter die Top drei“ gelangen wollen – und dazu die schmalen Gewinnmargen sogar in den Verlustbereich gesenkt – auf minus 0,5 Prozent, sagt als Zeuge ein damaliger freier Mitarbeiter. Er machte beim Edelmetallhandel Verluste, um seine „Bedeutung“ als Händler zu steigern „und eine Nummer im Markt zu sein“.
Diese Verluste wollte er nach eigener Darstellung durch private hochriskante Spekulationsgeschäfte mit Aktien, Optionsscheinen und „Knock-Out-Zertifikaten“ kompensieren. Er habe wegen der weltweiten Verschuldung von Staaten und Krisen auf steigende Goldpreise spekuliert – „was aber meistens nicht der Fall war“, so der Angeklagte. Auch mit Investitionen in Kryptowertungen wie den Bitcoin fuhr er Verluste statt Gewinne ein.
Geschäfte mit dem Risiko Totalverlust
Die Hoffnung des Finanzfachwirts, das zeitweise einkalkulierte Minus im Goldhandel, um im Onlineportal nach oben zu schießen, durch Spekulationsgewinne bei Wertpapieren auszugleichen, hat sich demnach nicht erfüllt. Im Gegenteil. Bis zum Totalverlust des eingesetzten Geldes hätten diese Anlagen führen können. Unterm Strich habe er damit Geld verloren. Seine Goldkunden, die Vorkasse leisten mussten, habe er am Ende bezüglich der Lieferung vertröstet, um Zeit zu gewinnen, so der Angeklagte.
Wie aber konnte er glauben, negative Goldhandelsmargen mit hochriskanten Aktiengeschäften gegenfinanzieren zu können? „Ich bin statt geradeaus das Ziel anzusteuern, irgendwann falsch nach links abgebogen und dann immer weiter, wie fremdgesteuert“, sagt der 43-Jährige. „Ich habe mich komplett verrannt.“
„Um mein Lebenswerk betrogen“
Der Arzt, der für 614 000 Euro Gold als vermeintlich „sichere Anlage“ per Vorkasse gekauft hat, fühlt sich um „mein Lebenswerk betrogen“. Die Goldanlage sollte für seine Enkel sein – jetzt ist das Geld weg. Eine Geschäftsfrau aus Süddeutschland wollte 163 000 Euro in Gold für ihre Altersversorgung anlegen. Vorkasse sei im Online-Goldhandel üblich, sagt sie. Wie der Arzt sei auch sie wochenlang vertröstet worden: „Händlerprobleme“, habe es geheißen. Im Januar 2018 dann aus der Haft heraus die schriftliche Entschuldigung des Angeklagten: „Um mit meiner Firma wachsen zu können, bin ich Risiken eingegangen, die sich leider realisiert haben.“ Konkret: Ihr Geld ist weg.
Für den Prozess ist ein weiterer Verhandlungstag angesetzt – am 12. Juli.