Der in der Überschrift zitierte Ausspruch Nietzsches ist schon sehr häufig bemüht worden, er wird dadurch allerdings nicht weniger wahr, und das gilt insbesondere in diesem Jahr, ein Jahr, dem vom Kampf gegen das Coronavirus der Stempel aufgedrückt worden ist. Und doch blieb und bleibt uns die Musik, Ausdruck des äußeren und inneren Lebens, sie verleiht den Zimmern, Kammern und Winkeln in unseren Seelen eine klangliche Gestalt, wir hören und fühlen, wie sich das Unsagbare und Ungesagte zu Wellen formt, die uns forttragen, träumen und hoffen lassen. Und obgleich das diesjährige und bereits 29. Solistenkonzert des Celtis-Gymnasiums nur als Online-Veranstaltung zu erleben ist, überträgt sich die Magie der Klänge mit unvermittelter Wucht auf den Zuhörer, es gibt keine Moderation, die Musikstücke stehen für sich selbst, jeden Ornaments entblößt, werden sie von den Interpreten zu Gehör gebracht, und das mit einer Virtuosität, die vergessen macht, dass es sich um ein Konzert sehr junger „Musiker“ handelt.
Unter der Leitung der Musiklehrer Alexander Eisenmann und Michael Styppa wuchs ein Programm hervor, das nicht nur durch die klangliche Vielfalt, sondern auch durch die sensible Auswahl von Musikstücken zu überzeugen weiß.
Beginnen wir zunächst mit den Pianisten: Die altmeisterlich wirkenden Hände der Sechstklässlerin Maria Vollmer schweben, fliegen, zärteln über die Tasten, um Chopins Etüde op.10, Nr. 12 erklingen zu lassen, die Reife des Spiels überrascht ebenso wie die Zartheit des Anschlags.
Nicht minder faszinierend ist Arutiunians „Armenian Rhapsody“, die von Marie und Luisa Baier zum Klingen gebracht wird. Die Zwillinge entlocken den Konzertflügeln Töne, die für alle Ohren, die nach Wohlklängen hungern, ein akustisches Festmahl sein dürften.
Eine einzigartige Symbiose aus Percussion und Klavier gelingt Zora Zech mit der Interpretation des Eggertschen Stückes „one man band“, mit Händen und Füßen folgt sie dem energiegeladenen Rhythmus dieses Werks.
In Schinstines „Scherzo without instruments“ spielt ebenfalls der Rhythmus eine entscheidende Rolle, Fabio Korn, Jakob Weißenberger und Max Ritzmann scheinen eine Reise zu den Ursprüngen der Musik zu unternehmen, ohne jedwede Instrumente, allein durch Klatschen und Stampfen entsteht ein mitreißender „Groove“.
Beethovens „Romanze F-Dur“, die von Emma-Sophie Philipp auf der Violine gespielt wird, versetzt den Zuhörer in eine lyrische Stimmung, der Schmelz zartester Empfindungen spiegelt sich in den schwerelosen Wiederholungen des Themas wider. Ebenso ruhig kommt zunächst Corellis „La Follia op. 5, Nr. 12 daher, um dann eine kraftvolle Dynamik zu entfalten, so dass die Geigerin Nina Brändlein für diesen Hörgenuss einiges an Können aufbieten muss. Eine ähnliche Spanne hat die Flötistin Sophia Müller mit Roussels „Andante und Scherzo“ zu bewältigen, eine Mühe, die man ihrem Spiel in keinem Moment anmerkt, mit Leichtigkeit und Beschwingtheit meistert sie alle musikalischen Herausforderungen. Mit tänzelnder Leichtfüßigkeit erklingt Calaces „Rondo“, das von Sarah Gross auf der Mandoline vorgetragen wird. Etwas getragener, ruhiger, aber nicht weniger kraftvoll ertönt dann das Cellospiel von Josefine Schonunger, die Faures „Apres un reve“ interpretiert.
Pauline Walters Posaunenspiel ist dann wiederum eine Klasse für sich. Suleks „Sonata Vox Gabrieli“ klingt so, wie man es sich vorstellt, dass es klingen soll, ein Lob, das fast zu schwach ist, wenn man Paulines Jugend in Betracht zieht.
Man hätte jetzt an dieser Stelle ein fröhliches Fazit ziehen können, virtuellen Applaus spenden können, aber leider, leider mischt sich auch ein Tropfen Wehmut in das diesjährige Konzert, Wehmut, die ausnahmsweise nicht der Pandemie geschuldet ist, sondern dem Umstand, dass es das letzte Konzert sein wird, das von Alexander Eisenmann geleitet wurde. Passend ist dann auch das von ihm begleitete Stück „Gabriels Oboe in der Fassung für Klarinette und Klavier“ des Komponisten Morricone, ein Werk, das ein Hauch von Weltschmerz durchweht, ein Schmerz, den alle empfinden, die das Solistenkonzert mit Herrn Eisenmann verbinden. Die Zugabe, über die hier nichts weiter verraten sein soll, zeigt die Anfänge.
Herzlichen Dank für die jahrzehntelange Arbeit. Und einen großen Dank an die mitwirkenden Musiklehrer Christine Geiger, Elli Dück, Kim Bauer-Heilmann und Jürgen Thiergärtner sowie an die weiteren, im Hintergrund betreuenden Instrumentallehrkräfte Carmen Thiergärtner, Vanda Tchinarian, Maria Plett, Susanne Dummer, Doris Endres, Uwe Schachner und Klaus Hammer.
Das Konzert ist ab 22. Juli 2021 bis zum September online unter https://www.celtis.de/solistenkonzert_2021/solistenkonzert_2021.html verfügbar.
Von: : Dr. Bernhard Heinrich, Oberstudienrat