Geht das überhaupt – einen Einblick zu vermitteln in die Zerstörung Schweinfurts durch den zweiten Weltkrieg mit Corona-Schutz und Mikrofon? Verkabelt, verstöpselt, verhüllt und verbunden – eine sehr abgefahrene, seltsam futuristische Art, sich Informationen zu beschaffen über eine schlimme Zeit, die als das Dritte Stadtverderben in die Geschichte Schweinfurts eingegangen ist. Aber die acht Personen, die sich an der Führung zur Stadtgeschichte beteiligten, ließen sich aufmerksam auf das Abenteuer ein.
Gleich auf dem Marktplatz stieg Dr. Anja Gareiß-Castritius ins Thema ein, per Mikrofon flossen ihre Informationen direkt in die Ohren der Teilnehmenden, mit großformatigen Fotos konnte eine Art "Vorher – Nachher" – Eindruck entstehen. Schweinfurt war wegen seiner Kugellager-Industrie kriegswichtig und deshalb sehr gut geschützt. An einem Scheinwerfer konnten bis zu 70 Kugellager verbaut sein, berichtete Gareiß-Castritius. Und nach Albert Speer wäre der Krieg bei einem Ausfall der Schweinfurter Industrie nach zwei Monaten zu Ende gewesen. So erlebte die US-Army Air Forces am "Black Thursday", dem Luftangriff auf Schweinfurt am 14. Oktober 1943 die größte Luftniederlage ihrer Geschichte mit zirka 600 Todesopfern unter den Bomber-Besatzungen. Verheerend waren die Bombardierungen für die Stadt und ihre Bewohner dennoch.
Beim ersten Angriff am 17. August 1943, die Industrie war damals noch sehr viel näher an der Innenstadt und der Wohnbebauung, starben hunderte Menschen. "Das Ganze hat rund 15 Minuten gedauert", so Gareiß-Castritius. Unvorstellbar, mit welcher Wucht in so kurzer Zeit Tod und Verderben eintreffen. Beim Oktoberangriff seien 230 Bomber über die Stadt gedonnert, auch 1000-Kilogramm-Bomben an Bord. "Die Druckluft hat viele Tote verursacht, da platzen die Lungen." Sie führte die Gruppe unter anderem zum Dürer-Platz, der früher Holzmarkt gewesen war und eine ziemlich andere Architektur hatte. Der Brunnen steht heute versetzt und eins der wichtigsten Gasthäuser, der Goldene Löwe, wurde beim Angriff 1944 komplett zerstört. Viele Vereine hatten sich dort in den großen Sälen getroffen.
Die Innenstadt ein Trümmerfeld
Gemessen in ihrer Größenkategorie sei Schweinfurt an dritter Stelle der meistzerstörten Städte gewesen, so die Führerin. In 22 Luftangriffen wurde die Stadt zu 40 Prozent und die Industrie zu 80 Prozent zerstört. An der Heilig-Geist-Kirche berichtete sie von der Brandbombe, die das Dach des Gebäudes getroffen hatte und dass sich dort ein Möbellager für die Ausgebombten befunden habe.
Das Josefs-Krankenhaus war schwer getroffen worden. Es mussten bei jedem Angriff die Patienten in den Keller gebracht werden, Aufzüge habe es keine gegeben, so Gareiß-Castritius. Weiter ging der Weg am ehemaligen Ernst-Sachs-Bad (schwerer Treffer 1943) vorbei zum Theater, das 1966 gebaut wurde. Dort stand vor dem Krieg der Saalbau, der mit Lokal und Biergarten für große Veranstaltungen konzipiert war. Von der alten Stadtmauer an der oberen Wolfsgasse zeigte Gareiß-Castritius noch einmal einen weiten Blick hinunter bis zum Bauschenturm am Roßmarkt, der damals als einziger noch stand. Alles andere: ein Trümmerfeld.
Schutzräume hatte es damals mehrere gegeben, die beklemmende Atmosphäre, die schlechte Luft, düsteres Licht, brackiges Wasser, enge und verwinkelte Ausgänge, die das Eindringen von Giftgas verhindern sollten – die Führerin beschrieb die Situation recht eindringlich. Wie mag es den Menschen ergangen sein in diesen Jahren? Hauptsächlich den Frauen, die Männer an der Front? Und den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern? Die durften nämlich nicht mit in die Schutzräume. Außer in der Gartenstadt – da durften die, die beim Bau mithalfen, auch mit in den Erdbunker.
Jugendliche als Flakhelfer
"Ab 1941 hat man versucht, aller Reserven zu mobilisieren," so Gareiß-Castritius und da wurden dann auch noch die Jugendlichen vom Kriegsmoloch geschluckt. Die wurden in Baracken an den Flakstationen außerhalb der Stadt untergebracht und eingewiesen in die Handhabung der Flugabwehrkanonen.
Anfangs hätten sich die Schweinfurter nicht besonders begeistert von Adolf Hitler und seiner Gefolgschaft gezeigt, berichtete die Führerin. Erspart blieben der Arbeiterstadt die Gräuel des Krieges dennoch nicht, die außer vielen Toten auch eine in weiten Teilen völlig andere Stadtarchitektur mit sich brachten. Die Amerikaner kamen am 11. April 1945, nachdem sie selbst so viele Verluste zu beklagen hatten. Sie blieben in der Stadt bis zum Jahr 2014.
Ich verstehe das nicht ganz. Wurde das Dach der Kirche oder des Möbellagers getroffen?