"Versuchte Gefangenenbefreiung", wurde einem 52-Jährigen zur Last gelegt. Dafür hatte er eine Geldbuße bekommen. Dagegen hatte er Einspruch eingelegt, weshalb es vor dem Schweinfurter Strafgericht zur Verhandlung kam. Für den Beklagten eine gute Wahl, denn in dem Verfahren, zu dem der Beschuldigte ohne Anwalt erschien, stellte sich heraus, dass es zu einer Gefangenenbefreiung erst einmal eine Gefangene braucht, die es in diesem Fall im Sinne des Gesetzbuches gar nicht gab.
Doch der Reihe nach. Der Mann war im Juni dieses Jahres für die angemeldete Demonstration der Initiative "Schweinfurter auf die Straßen (SWADS)" auf dem Volksfestplatz als Ordner eingeteilt. Im Zuge dieser sich kritisch mit den Coronamaßnahmen auseinandersetzenden Demonstration wurde eine ältere Frau mehrfach ermahnt, doch bitte ordnungsgemäß ihren Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Zunächst vom Beklagten in seiner Funktion als Ordner, später vom Veranstalter.
Doch sie weigerte sich, der Veranstalter schloss die konsequente Nicht-Maskenträgerin von der Veranstaltung aus. Die Polizei vor Ort, dies bestätigte ein Beamter im Zeugenstand, wurde durch den Veranstalter gebeten, die Seniorin des Platzes zu verweisen. Doch auch gegenüber den Polizeibeamten weigerte sich die Frau den Volksfestplatz zu verlassen. Wer von einer Versammlung ausgeschlossen wurde, aber dennoch nicht geht, verstößt gegen das bayerische Versammlungsgesetz und wird zur Anzeige gebracht. Dafür ist es nötig, dass die Polizei die Personalien aufnimmt, doch die Frau wollte bleiben und auch keine Angaben zur Person machen.
Aufregung und aufgeheizte Situation
Hier kommt der Beschuldigte ins Spiel, der als Ordner schon mehrfach versucht habe, die ältere Frau zum Masken tragen zu bewegen. Er habe immerhin erreicht, dass sie sich zumindest den Kragen ihres Pullis vorübergehend über Mund und Nase schob. Als er die ältere Frau dann später sah, inmitten von Polizei, habe sie ihm leidgetan. Ohne zu wissen, dass inzwischen der Veranstalter einen Versammlungsausschluss für die Frau ausgesprochen habe, sei er auf sie zugegangen, wollte sie zur Seite nehmen und zur Vernunft bringen. Sehr aufgeregt sei er gewesen, aber nie in der Absicht sie der Polizei zu entziehen.
Dass es dabei keine Aggressionen oder körperliche Attacken gegeben habe, bestätigte der Polizeibeamte im Zeugenstand, der seinerzeit dabei war. "Aufgebracht und entnervt", sei der Angeschuldigte gewesen. Man habe ihm sein Unverständnis für die Maßnahme angemerkt, aber er sei nicht aggressiv gewesen. Möglicherweise habe er die Frau zu sich herangezogen, als er erneut mit ihr reden und zur Vernunft bringen wollte, so auch der Angeklagte, der einräumte, in dieser Situation sehr aufgeregt gewesen zu sein. So etwas kann in aufgeheizter Situation durchaus als Versuch, jemanden aus dem Einflussbereich der Polizei zu bringen, oder eben als versuchte Gefangenenbefreiung bewertet werden, weshalb die Polizisten den Beschuldigten von der Frau wegdrängten.
Rein rechtlich höchstens eine "versuchte Nötigung"
Der Tatbestand der "versuchten Gefangenenbefreiung" war aber schnell wegen einer anderen Sache vom Tisch. Die Frau war nämlich keine Gefangene im juristischen Sinne, sondern eine Person, deren Personalien von der Polizei aufgenommen werden sollten. Es war völlig klar, dass die Dame nach Feststellung ihrer Personalien des Platzes verwiesen und entlassen werden würde. Rein rechtlich wäre nur eine "versuchte Nötigung" übrig geblieben. Doch auch dafür ergaben sich für das Gericht angesichts der zwar aufgeregten aber dennoch gewaltlosen Aktion keine Hinweise.
Einstellung des Verfahrens, so der Vorschlag der Vorsitzenden Richterin, der auch vom Staatsanwalt nach Rücksprache angenommen wurde. Als "Dummheit, die er so nicht wieder machen würde", bezeichnete der 52-Jährige die Situation. Eine Einschätzung, die auch die Vorsitzende Richterin teilte, die dem nicht vorbestraften Mann den Ratschlag , mit auf den Weg gab: "Auch wenn man Ordner ist, nicht in die Arbeit der Polizei reingrätschen".