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SCHWEINFURT
Odeon Tanzorchester: Brillante und frivole Albernheiten
Mit Tweed und Trichtergeige: Alexander Huß und Sissi Gossner vom Odeon Tanzorchester.
Foto: Thorsten Jordan | Mit Tweed und Trichtergeige: Alexander Huß und Sissi Gossner vom Odeon Tanzorchester.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 02.01.2015 15:48 Uhr

Am besten sind sie, wenn sie einfach nur Musik machen. Die Mitglieder des Odeon Tanzorchesters München – „alles Könner“, wie ein erfahrener Theaterbesucher anerkennend bemerkt – haben die Klassiker der 1920er- bis 1950er-Jahre drauf. Sie bräuchten eigentlich weder Kostüm noch Inszenierung.

Aber ein bisschen Tweed und Knickerbocker, ein bisschen Smoking und ein bisschen Abendkleid schaden ebenso wenig wie die skurrileren Verkleidungen – das Publikum jedenfalls hat beim Silvesterkonzert im ausverkauften Theater großes Vergnügen an den kleinen Gags am Rande, etwa dem Nachtgespenst im Nachthemd oder dem Badewannenkapitän im gestreiften Einteiler.

Es dauert ein wenig, bis die Balance stimmt – die Besetzung mit Geige, Klavier, Akkordeon, Saxofon/Klarinette/Flöte, Trompete, Bass und Schlagzeug mischt sich nicht ganz leicht. Deshalb auch stehen am Anfang eher die Sänger im Vordergrund: Alexander Huß und Albrecht von Weech, die den schnarrenden Tonfall der wilden Zwanziger ziemlich authentisch beherrschen und zwischendurch sogar ein wenig steppen. Sie sind für die brillanten und mitunter frivolen Albernheiten der Vorkriegszeit zuständig: „Ach verzeih'n Sie, meine Dame“ oder „Mein Bruder macht im Tonfilm die Geräusche“. Aber auch der versonnene Rudi-Schuricke-Hit „Frühling in Sorrent“ hat seinen Platz.

Julia von Miller, die in Bully Herbigs „Der Schuh des Manitu“ für „die Uschi“ die Songs gesungen hat, kann mit ihrer wandelbaren Stimme praktisch alles: verhangene Zarah-Leander-Nummern wie „Nur nicht aus Liebe weinen“, Kokettes wie „Kann denn Liebe Sünde sein“, Chansoneskes wie „Desperadamente“ oder Swingendes wie „A tisket, a tasket“. Und beim „Creole love call“ macht sie gar der gedämpften Trompete von Martin Auer ernsthaft Konkurrenz. So wie umgekehrt Saxofonist Pierre Pacet in „Hello, Dolly“ den Sängern – mehr davon wäre schön.

Das musikalische Spektrum ist groß – und wie immer, wenn die Unterhaltungsmusik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erklingt, schwingt auch ein Gefühl von Verlust mit: Jazz, Musette, Rumba, Tango stehen für einen multikulturellen Reichtum, der durch den Gleichschaltungswahn der Nationalsozialisten bleibenden Schaden erlitten hat. Insofern ist das Repertoire des Odeon Orchesters auch wertvoller Geschichtsunterricht.

Das Ensemble unter der Leitung von Sissi Gossner, die mit der Trichtergeige ein Originalinstrument der besonderen Art zu bieten hat, spielt sich im Laufe des Abends richtig in Fahrt, weswegen besonders der Swing-Block Spaß macht. In den besten Momenten klingt das Orchester wie eine veritable Bigband. Nummern wie „I got Rhythm“ geben Raum für Soli – Chris Lachotta am Bass und Dominique Raab am Schlagzeug werfen einander virtuos die Bälle zu, Manfred Manhart am Flügel hält alles zusammen.

Und dann sind da noch die Zwiegespräche zwischen Sissi Gossner und dem wunderbaren Akkordeonisten Enrique Ugarte. „Jalousie“, „Migrinouche“ und „La Cumparsita“ sind große Momente musikalischer Zweisamkeit. „Es ist ein schöner Abend geworden“, bilanziert Julia von Miller, und das Publikum gibt ihr stehend Recht.

 
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