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OBBACH
Obbacher Kochbuch: Kartäuserklöß' und ertrunkene Kapuziner

Von unserer Mitarbeiterin Silvia Eidel

 |  aktualisiert: 22.12.2015 15:29 Uhr

Von Brotsuppe über Bagges, Pichelsteiner und Kaspressknödel bis zu Gänsetopfer und ertrunkenen Kapuzinern: Was das eigens zur 1200-Jahrfeier Obbachs erstellte Koch- und Backbuch an fast vergessenen und ungewöhnlichen Rezepten enthält, kommt einer Reise in die Vergangenheit des Dorfes gleich.

Weil Liebe bekanntlich durch den Magen geht und weil für das große Jubiläumsfest an Christi Himmelfahrt, Donnerstag, 9. Mai, etwas Bleibendes entstehen sollte, war die Idee im Festausschuss des Vereins „Unser Obbach“, alte Rezepte der Einwohner, aber auch gern gekochte Lieblingsrezepte zu sammeln. Für Sandra Lachnitt, Vorstandsmitglied des Vereins, eine zwar zeitraubende, aber auch spannende Aufgabe.

Spannend, weil sie gerade durch Rezepte aus dem Seniorenkreis und durch Hand geschriebene alte Kochbücher einen Blick in das Leben früherer Zeiten erhielt. Bei der Auswahl der insgesamt 228 Obbacher Rezepte für ihre Sammlung „Hier wird lecker gekocht!“ hat sie darauf geachtet, viele in Vergessenheit geratene Speisen aufzunehmen.

„Natürlich sollen die Gerichte auch umzusetzen sein“, erklärt Sandra Lachnitt, die selbst täglich für ihre Familie kocht. Was wohl Zeit kostet, aber „es ist auch eine Frage der Wertschätzung des Essens“, weiß die 42-jährige Kinderkrankenschwester, jetzt noch mehr durch das Studium der alten Rezepte, die vom bewussten Kochen und Essen sprechen.

Die überlieferten Zutaten und die Zubereitung hat Sandra Lachnitt wörtlich in das Buch übernommen, auch wenn die Maßangabe manchmal, etwa bei den Griefenplätzchen, etwas ungenau lautet: „Mehl soviel man braucht, um einen geschmeidigen Teig zu bekommen“.

Was die Obbacher Kochrezepte aus Groß- und Urgroßmutters Zeiten verraten, ist auch, dass früher weniger Fleischgerichte auf den Tisch kamen: Das war zu teuer. Stattdessen gab es viel mehr Mehl- und Süßspeisen, häufig in Fett herausgebacken, Klöße in allen Variationen, Gemüse- oder Krautgerichte. Jeder im Dorf hatte schließlich einen Garten zur Selbstversorgung. Selbstverständlich richteten sich die Speisen nach dem, was die Jahreszeit gerade hergab.

Jede Menge Kartoffelgerichte, vom Bagges – der Teig wurde in heißem Fett herausgebacken – bis zum Gänsetopfer – eine Art Gnocchi – zeigen den Erfindungsgeist früherer Köchinnen. Auch wenn die Auswahl an Gewürzen im Vergleich zu heute geringer war: Salz, Pfeffer, mal Muskat, Petersilie oder Schnittlauch. Und häufig wurden Reste vom Vortag verarbeitet: Alte Brötchen, etwa für Kartäuserklöße, oder Fleischreste für einen Strudel mit Pfannkuchenteig.

Unter anderem dieses Rezept hat die 75-jährige Helene Heinz beigesteuert. Sie hat das selbst geschriebene Kochbuch ihrer Mutter, angefangen 1920, hervorgeholt. Das Besondere daran: Ihre Eltern Karl und Anna Steinbach hatten von 1924 bis 1965 das landwirtschaftliche Schlossgut verwaltet und teilweise viele Personen zu verköstigen.

„Meine Mutter hat immer mit weißer Schürze gekocht“, erzählt die Seniorin. „Die war immer ganz akkurat“. Was vielleicht auch dem „Merk-ruf für die Hausfrau, von 1920“ geschuldet war, den Sandra Lachnitt aus dem Steinbach'schen Kochbuch in die Obbacher Rezeptesammlung übernommen hat: „Geh in die Küche zur rechten Zeit. Verschlafe nicht, sonst kommst nicht weit. Sei selber sauber, blitz und blank, wie das Geschirr im Küchenschrank...“

Notiert hatte sich Anna Steinbach auch das Rezept „Keks nach Frau Schäfer“ (der Schlossgutsbesitzerfamilie aus Schweinfurt). Für ihre Weihnachtsstollen 1948 hatte sie übrigens schon mal 35 Pfund Mehl und zwei Pfund Hefe zu verarbeiten.

Solche Nachkriegs-Mengen hat Sandra Lachnitt in das Kochbuch nicht übernommen. Wohl aber andere geschichtsträchtige Rezepte, etwa „Bigosch“, einen Eintopf aus Schlesien, offenbar mitgebracht von einer Flüchtlingsfrau, die in Obbach heimisch wurde.

Das Obbacher Koch- und Backbuch „Hier wird lecker gekocht!“ wird am Festtag zum 1200. Jubiläum des Dorfes an Christi Himmelfahrt, 9. Mai, an einem Stand in der Bäckergasse verkauft.

Gänsetopfer und Apfelmus

Zutaten: 1 Kilo gedämpfte, kalte Kartoffeln, 1 Ei, 2 Löffel Mehl, Salz, Muskat, Öl zum Braten

Zubereitung: Die Kartoffeln presst man durch die Kartoffelpresse und gibt die anderen Zutaten hinzu. Von diesem Teig werden fingerdicke Würstchen gedreht und in der Pfanne hellbraun ausgebacken. Dazu reicht man Apfelmus.

Fast vergessen: 228 vor allem alte Koch- und Backrezepte aus Obbach wurden zum 1200. Jubiläum des Ortes in dem Buch „Hier wird lecker gekocht!“ gesammelt.
Foto: Silvia Eidel | Fast vergessen: 228 vor allem alte Koch- und Backrezepte aus Obbach wurden zum 1200. Jubiläum des Ortes in dem Buch „Hier wird lecker gekocht!“ gesammelt.
 
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