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SCHWEINFURT
O'Neills Familiendrama zwischen Tag und Traum
Simone Thoma und Klaus Herzog spielen das Ehepaar Tyrone in Eugene O'Neills „Eines langen Tages Reise in die Nacht“.
Foto: Joachim Schmitz | Simone Thoma und Klaus Herzog spielen das Ehepaar Tyrone in Eugene O'Neills „Eines langen Tages Reise in die Nacht“.
Karl-Heinz Körblein
Karl-Heinz Körblein
 |  aktualisiert: 23.02.2017 03:35 Uhr

Roberto Ciulli ist ein Bildermensch. Ein Mann, der stets einen sehr eigenen Zugang zu seinen Stücken sucht, die naturalistische Darstellung ist nicht sein Ding. Inzwischen ist der Italiener, der seit vielen Jahren, ja Jahrzehnten mit dem Theater an der Ruhr in Schweinfurt zu Gast ist, über 80 Jahre alt und er hat nichts von seiner machtvollen Gestaltungskraft und überbordenden Phantasie verloren.

So ist den auch seine Einrichtung von Eugene O?Neills „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ voller Überraschungen, oft auch voller Rätsel. Das Stück hat autobiografische Züge, sollte eigentlich erst 25 Jahre nach dem Tod des Nobelpreisträgers veröffentlicht werden. Dass es seine Witwe früher freigab, mag auch mit seiner gesellschaftspolitischen Dimension zu tun haben, dem Blick auf die USA Mitte der 1950er-Jahre.

Ein bedrückender Ort

Gralf-Edzard Habben hat zwei flache rechteckige, knöcheltief mit Wasser gefüllte Pools auf die Bühne gestellt, in denen Schuhe, Bücher, Zettel, eine Brille schwimmen. Umgeben sind sie im Halbrund von steil aufragenden düsteren Quadern auf die ein Wasserstrom projiziert wird. Bedrückend, ja einschüchtern ist dieser Ort, an dem die Familie Tyrone regelmäßig ihren Sommer verbringt.

James Tyrone, der Vater, ist trotz großen Talents mit der Schauspielerkarriere gescheitert. Grundstücksgeschäfte haben ihm einigem Reichtum verschafft. Abgrundtief geizig, verweigert er seiner Frau Mary bei der Geburt des zweiten Sohnes einen guten Arzt, so dass sie ein Pfuscher zur Morphinistin macht. Die beiden Söhne stellte er schon als Kleinkinder mit Whisky ruhig und programmiert damit ihre Sucht. Der Älteste, Jamie, wollte auch Schauspieler werden, hat mit seinen gut 30 Jahren nur noch die Kneipe und die Frauen im Sinn. Heute leidet unter heftiger Epilepsie

Sein Bruder Edmund ist an Tuberkulose erkrankt, und auch ihm will der Vater eine ordentliche Behandlung nicht bezahlen.

Zuneigung und Schulzuweisungen

Ciulli erzählt diese Geschichte zwischen Tag und Traum. Nebel wabert, es wird getanzt, herumgestakst, sich im Wasser gewälzt. Die vier grellgeschminkten Schauspieler sind einerseits reale Menschen und doch auch Gespenster. Sie haben durchaus noch Gefühle für einander, wenn sich Mary zärtlich an ihren Mann schwiegt, oder die Brüder sich mitten im Pool umarmen. Doch dann bricht immer wieder die Erinnerung über sie herein. Mit gegenseitigen Schuldzuweisungen versuchen sie, das eigene Versagen zu kaschieren.

Mary (Simone Thoma stöckelt mit goldenen Schuhen durchs Wasser) hat sich die Welt zurechtgelegt. Alle sind durch das Leben so geworden wie sie sind. Klaus Herzog ist ein selbstgefälliger meist nölender James Tyrone, der sich mit den Verhältnissen abgefunden hat. Fabio Menéndez spielt den Jamie aufbrausend sarkastisch. Der Edmund Albert Borks ahnt, dass er bald sterben wird, wehrt sich gegen den Geiz des Vaters und greift dennoch zum Glas, als wolle er seinem Leid selbst ein Ende machen.

Es gibt kein Ziel mehr

Die grotesk anmutende Schlussszene hat Ciulli erfunden. Die Familie spielt auf der in Kerzenlicht gehüllten Bühne das Kinderspiel „Mutter, Mutter, wie weit darf ich reisen?“ Ein Ziel gibt es für diese Familie jedoch nicht mehr.

Das ist die traurige Botschaft dieses Abends. Er beeindruckt. Leidet jedoch darunter, dass die mitreißenden Schauspieler oft kaum zu verstehen sind.

 
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