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KREIS SCHWEINFURT
Nur vier Landräte bei elf Wahlen
Wer wird der nächste Landrat sein? Bisher haben die Landkreisbürger bei solchen Wahlen stets auf Kontinuität gesetzt. Den ersten Amtsinhaber übrigens benannten 1945 die alliierten Truppen.
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Von unserem Redaktionsmitglied Josef Schäfer
 |  aktualisiert: 05.11.2015 20:39 Uhr

Beim Posten des Landrats haben die Schweinfurter Landkreisbürger bisher auf Kontinuität gesetzt: Es gab seit 1945 erst vier Amtsinhaber – bei elf Direktwahlen. Bernhard Schineller, Georg Burghard, Karl Beck und Harald Leitherer waren allesamt Kandidaten der CSU. Hier ein historischer Abriss, zusammengestellt aus dem Archiv dieser Zeitung.

Der erste Schweinfurter Landrat nach dem Zweiten Weltkrieg hieß Bernhard Schineller und stammte aus Bischwind. Den 61-jährigen späteren Vertreter im Bayerischen Senat setzten die amerikanischen Besatzungstruppen 1945 ein. Schineller war in der Weimarer Republik bei der Bayerischen Volkspartei (BVP), dem historischen Vorgänger der CSU, aktiv und gehörte dem Schweinfurter Stadtrat an; dreimal hatten ihn die Nazis für mehrere Wochen in Schutzhaft genommen – zuletzt 1944.

Nach der ersten Wahl des Kreistags im April 1948 bestätigte das 45-köpfige Gremium, in dem die CSU die Mehrheit inne hatte, Schineller im Amt; einen Gegenkandidaten gab es offenbar nicht. Dem Wählervotum musste er sich ein einziges Mal stellen: 1952 gewann Schineller – nominiert von CSU und Bayernpartei (BP) – mit 55,7 Prozent bei einer Wahlbeteiligung von 90,1 Prozent. Der SPD-Landtagsabgeordnete und ehemalige Redakteur der sozialdemokratischen Zeitung „Der Volkswille“ in Schweinfurt, Franz Op den Orth (49), verbuchte 44,3 Prozent – bis heute das beste Resultat seiner Partei.

Der erste Amtswechsel erfolgte 1958. Der Staatsbeamte Georg Burghard (44) löste Schineller ab. Er distanzierte Leopold Genthner – SPD-Bürgermeister von Poppenhausen – deutlich: Burghard (CSU) gewann mit 68,1 zu 31,9 Prozent. Anschließend brauchte sich Burghard keinem Herausforderer mehr zu stellen. Er holte 1964 und 1970 jeweils 99,3 Prozent. 1972 brach die Landratswahl aus dem Sechs-Jahres-Turnus aus. Grund: die Gemeindegebietsreform in Bayern und die damit verbundene Verschmelzung der Landkreise Schweinfurt und Gerolzhofen. Burghard holte 97,6 Prozent.

Am 16. Januar 1977 begann die Ära Karl Beck (CSU). Nachdem sich Georg Burghard in den Ruhestand verabschiedete, kandidierte der damals 45-Jährige, der wie bereits sein Amtsvorgänger zuvor als Staatsbeamter im Schweinfurter Landratsamt beschäftigt war. SPD und Freie Wähler verzichteten zugunsten Becks auf eigene Bewerber. Beck erhielt 97,8 Prozent der Stimmen. Bereits 14 Tage später trat er sein Amt an. Im Oktober 1982 wiederholte er seinen Erfolg: Nachdem der Urnengang mit der Landtags- und Bezirkstagswahl zusammengelegt worden war, kam die stattliche Wahlbeteiligung von 81,4 Prozent zustande. Beck erhielt 97,2 Prozent aller Stimmen, nachdem er erneut ohne Widersacher angetreten war.

Beck musste sich 1988 zum ersten und einzigen Mal Gegenkandidaten stellen. Die SPD schickte den Hambacher Berufsschullehrer Theo Laugsch (37) ins Rennen; die erstarkte Ökopartei „Die Grünen“ nominierten den Psychologiestudenten und Entwicklungshelfer Jimmy Weber (31) aus Sennfeld. Beck setzte sich mit 68,6 Prozent durch, Laugsch erhielt 25,3 Prozent, Weber wählten 6,1 Prozent. Weniger als die Hälfte der Wähler gingen zur Wahl.

1994 verzichtete der damals 62-jährige Beck auf eine weitere Kandidatur und machte den Weg frei für den aufstrebenden Harald Leitherer (41). Doch der Rechtsanwalt musste sich erst im CSU-internen Rennen gegen den überraschend angetretenen Niederwerrner Bürgermeister Peter Heusinger (50) durchsetzen, was ihm mit 62,5 Prozent der 200 Delegiertenstimmen gelang.

Erstmals in der Landkreisgeschichte gab es 1994 vier Bewerber um den Posten des Landrats, erstmals auch eine Frau. Geldersheims Bürgermeisterin Ruth-Hanna Gube (43) holte für die Freien Wähler 14,9 Prozent der Stimmen. Für die Grünen ging der Ettlebener Jurastudent Armin Beck (26) ins Rennen und kam auf 5,1 Prozent. Stärkster Widersacher Leitherers war wie erwartet SPD-Mann Laugsch, der auf 25,0 Prozent kam. Schon im ersten Wahlgang setzte sich Leitherer überraschend deutlich mit 54,9 Prozent durch. 82 Prozent der Wähler beteiligten sich; zeitgleich fand auch die Bundestagswahl statt.

Leitherer verteidigte sechs Jahre später ähnlich souverän sein Amt gegen zwei Gegenkandidaten. Er holte 66,4 Prozent der Stimmen. Der Schraudenbacher Lehrer Ewald Öftring (SPD) kam auf 27,0 Prozent, Hugo Hofmann (36), Elektroniker aus Alitzheim, erzielte für die Grünen 6,6 Prozent. Der Wahlkampf ging als der hitzigste in die Landkreisgeschichte ein. Wegen der Affäre um einen Angestellten der Kreissparkasse, der Geld in Millionenhöhe veruntreut hatte; pikanterweise war er der Sohn des mit dem Landrat befreundeten Direktors. Leitherer war Verwaltungsratsvorsitzender des Geldinstituts. Er stellte sogar Strafanzeige gegen seinen Gegenkandidaten Hofmann wegen einer Aussage über diese brisante Angelegenheit.

2006 hatte sich sie politische Szenerie weitgehend beruhigt. Die anderen Parteien verzichteten darauf, den CSU-Amtsinhaber herauszufordern. Leitherer holte bei seinem Alleingang 95,6 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von weniger als einem Viertel.

Bei seiner letzten Wahl am 23. September 2012 sieht sich Leitherer (59) nun Florian Töpper gegenüber. Der 33-jährige Amtsrichter aus Dittelbrunn ist von zwei Parteien nominiert worden – von seiner politischen Heimat SPD und von Bündnis 90/Die Grünen. Die Amtszeit wird diesmal um 15 Monate verlängert. Das bedeutet: Die übernächste Schweinfurter Landratswahl findet 2020 zusammen mit der allgemeinen Kommunalwahl statt.

Erster Landrat: Die US-Army setzte Bernhard Schineller 1945 ein. In der Weimarer Republik war er Stadtrat und stellvertretender Bürgermeister in Schweinfurt. Von 1947 bis 1958 gehörte der christliche Gewerkschaftler auch dem Bayerischen Senat an. Das Bild stammt aus der Ausgabe des Schweinfurter Tagblatts vom 2. April 1952.
Foto: Josef Schäfer | Erster Landrat: Die US-Army setzte Bernhard Schineller 1945 ein. In der Weimarer Republik war er Stadtrat und stellvertretender Bürgermeister in Schweinfurt.
Stille Beobachter: Landrat Georg Burghard (links) und sein Nachfolger Karl Beck (rechts) schauen 1972 zu, wie Wernecks Bürgermeister Ludwig Röckelein die Urkunde zur Gründung der Großgemeinde unterzeichnet.
Foto: Archiv Gemeinde Werneck | Stille Beobachter: Landrat Georg Burghard (links) und sein Nachfolger Karl Beck (rechts) schauen 1972 zu, wie Wernecks Bürgermeister Ludwig Röckelein die Urkunde zur Gründung der Großgemeinde unterzeichnet.
Amtspflichten: Im modischen Zweireiher durchschneidet Landrat Harald Leitherer (Mitte) 1996 zusammen mit Erich K. Steiner (links) und Eberhard Wild das Band vor dem frisch erweiterten Info-Zentrums des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld.
Foto: Horst Fröhling | Amtspflichten: Im modischen Zweireiher durchschneidet Landrat Harald Leitherer (Mitte) 1996 zusammen mit Erich K.
 
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