Die Standpunkte sind klar, und sie scheinen sich auch nach der Informationsveranstaltung in der gut gefüllten Aula der Pfeiffer-Schule am Dienstag nicht geändert zu haben: Die Baufirma Glöckle braucht Kies. Der liegt unter den Äckern westlich von Oberndorf. Glöckle will diesen Kies 15 Jahre lang abbauen. Die Anwohner des Neubaugebiets in Sichtweite, vor allem der Linden- und der Gustl-Kirchner-Straße, fürchten Lärm, Lkw-Verkehr und Erschütterungen, die Eigentümer zudem eine Wertminderung ihrer Immobilien.
Die Stadt Schweinfurt wiederum sieht kein Hindernis, das Vorhaben zu genehmigen. Zum einen, weil alle rechtlichen Bedingungen erfüllt seien, zum anderen, weil es darum gehe, ein mittelständisches Unternehmen der Region mit 400 Arbeitsplätzen zu unterstützen.
Flächennutzungsplan geändert
Geschäftsführer Klaus Glöckle zeigt Verständnis für die Bedenken der Anwohner – „aber ich bitte Sie auch, uns zu verstehen“. 150 000 Kubikmeter Beton werden jährlich in der Region verbaut, so Glöckle. Um diesen Beton herzustellen, braucht es 400 000 Kubikmeter Sand und Kies. Das Oberndorfer Areal sei das letzte brauchbare in der Nähe. „Weiter oben nimmt der Kiesanteil deutlich ab.“ Verarbeitet wird der Rohstoff im Kieswerk der Glöckle Baustoffwerke in Grafenrheinfeld. „Es wäre weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll, Kies über größere Entfernungen heranzutransportieren“, so Glöckle.
Bis 2009 war die Fläche als Gewerbegebiet ausgewiesen. Seit einer Änderung des Flächennutzungsplans steht hier eine „Fläche für Abgrabungen“, konkretisiert durch den Zusatz „Sand- und Kiesabbau“. Diese Änderung ist es, die den Anwohnern stinkt, die wenige Jahre vorher gebaut haben. Noch 2006 hätten sie von der Stadt die Auskunft bekommen, hier bleibe alles, wie es ist, nämlich landwirtschaftliches Gebiet, so mehrere Wortmeldungen. Zu dieser Zeit aber lief das Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans bereits. „Wie können Sie das mit Ihrem Gewissen vereinbaren“, will eine Anwohnerin unter dem Applaus des Saals wissen.
„Ich weiß nicht, von wem Sie diese Auskunft damals bekommen haben“, sagt Jan von Lackum, Rechts- und Ordnungsreferent der Stadt und Diskussionsleiter. „Aber vorher stand im Flächennutzungsplan ,Gewerbegebiet'.“ Tatsächlich soll das Kiesabbau-Areal hinterher, nach der Verfüllung, dauerhaft landwirtschaftliche Fläche werden. Doch bis dahin könnten 30 Jahre vergehen. Was also, wenn jemand in dieser Zeit sein Haus nicht mehr halten kann und verkaufen muss? Höchstwahrscheinlich würde er finanzielle Einbußen hinnehmen müssen, zumindest vorübergehend, das bestreitet im Saal niemand. „Ich bin schon etwas älter, ich bin wahrscheinlich nicht mehr da, wenn das vorbei ist“, sagt eine Anwohnerin. „Ich bin auch schon älter, aber ich habe vor, noch da zu sein“, sagt Klaus Glöckle.
„Verwirklichen Sie sich mit dem Kiesabbau einen Lebenstraum“, will ein Anwohner von Glöckle wissen. Der kann mit der Frage zunächst nicht viel anfangen: „Wir brauchen Kies.“ Der Fragesteller erklärt sich: „Wir haben uns mit unseren Kindern einen Lebenstraum erfüllt, als wir hier gebaut haben.“Eine Anwohnerin lädt alle auf die Terrasse ihres ebenfalls im Jahr 2006 erworbenen Hauses ein: „Das ist nämlich verdammt nah.“ Sie hat Angst, dass die Bausubstanz durch die Arbeiten Schaden nehmen könnte. Glöckle: „Das sind 80, 90 Meter Abstand, da kann nichts passieren. Es gibt keinerlei Erschütterungen. Ich ersetze Ihnen Ihr Haus, überhaupt kein Problem.“
Grundsätzliche Fragen
Die Fragen werden grundsätzlicher: Wer erlaubt so etwas überhaupt, wer entscheidet, was zumutbar ist? Ralph Köberlein, Sachgebietsleiter Wasserrecht bei der Stadt, erläutert die Schritte: Nach der Änderung des Flächennutzungsplans und einem entsprechenden Stadtratsbeschluss aus dem Mai braucht es nun noch die sogenannte gehobene wasserrechtliche Erlaubnis. Denn der Kies wird per Nassabbau gewonnen, an den meisten Stellen etwa bis zwei Meter über dem höchsten gemessenen Grundwasserspiegel.
Die Unterlagen liegen nach öffentlicher Bekanntmachung des Vorhabens einen Monat im Rathaus aus. Das wird wohl im Oktober stattfinden. Nach Prüfung aller Bedenken und Einwendungen gibt es dann einen Erörterungstermin, wohl Anfang Februar. Im ersten Quartal 2015 könnte dann der Bescheid mit entsprechenden Auflagen ergehen, so Köberlein.
Und der Lärm? „Der Schallschutz ist ein wesentliches Kriterium“, so Jan von Lackum, „wir halten das für genehmigungsfähig. Das sind Nutzungen, die sich nicht ausschließen.“
Immer wieder wird der Aspekt Wertminderung angesprochen, einmal sogar die Forderung nach Entschädigung. „Wir haben die wirtschaftlichen Einbußen, Sie haben den wirtschaftlichen Nutzen“, so eine Anwohnerin. „Ich selbst habe davon keinen wirtschaftlichen Nutzen“, sagt Klaus Glöckle, „ich bin 70 Jahre alt und möchte den sehen, der noch arbeitet, weil es einfach nötig ist.“ Die Suche nach einer geeigneten Abbaufläche habe zehn Jahre gedauert. „Wir haben nur noch Material für drei, vier Jahre“, so Glöckle.
Unmittelbar neben dem – ebenen – Abbaugebiet liegt eine hügelige, verwilderte Fläche, die sich etwa in Google Earth deutlich abhebt. Roland Schwab, Ex-Stadtrat der Grünen, zum Thema Verfüllung beziehungsweise Renaturierung: „Sie haben uns ein Biotop geliefert, das wir nicht bestellt haben.“ Gelächter im Saal: Bevor dieses ehemalige Abbaugebiet verfüllt werden konnte, wurde es unter Schutz gestellt, weil jemand dort schutzwürdige Arten entdeckt hatte. Glöckle: „Ich weiß bis heute nicht, wer damals Hausfriedensbruch begangen und festgestellt hat, dass da ein Frosch ist. Seither dürfen wir da nichts mehr machen.“
Bürgschaften und Blindgänger
Glöckle ist zwar nicht – wie Schwab – der Meinung, dass die Firma damit ihren Ruf beschädigt habe, aber dergleichen werde auf den neuen Flächen nicht wieder passieren: „Es wird keine Wasserfläche geben, und sobald da etwas wächst, wird es weggemacht.“
Nach zweieinhalb Stunden und der Zusicherung, dass auch die Frage nach etwaigen Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg geklärt werde, dass die Firma Glöckle Bürgschaften für etwaige Schäden stellen werde, nach einer Diskussion, in der sich die Fragen allmählich zu wiederholen beginnen, schließt Jan von Lackum die Veranstaltung mit einem Aufruf, nicht nach dem St.-Florians-Prinzip zu verfahren: „Irgendwo müssen die Rohstoffe herkommen.“ Foto: Thinkstock
Wie ein Bürgermeister und sein Stadtrat einer Firma so hörig sein können ist mir echt ein Rätsel.