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EGENHAUSEN
Nun soll Mimic nimmersatte Raupen stoppen
Witterung aufgenommen: Revierleiterin Theresa Graser mit Hund Caesar und einem Bild der Schwammspinner-Raupe.
Foto: Uwe Eichler | Witterung aufgenommen: Revierleiterin Theresa Graser mit Hund Caesar und einem Bild der Schwammspinner-Raupe.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 27.04.2023 06:32 Uhr

Der Schwammspinner bereitet rund um Egenhausen immer wieder mal Probleme. Im letzten Jahr rückte sogar die Feuerwehr an. Ein vermeintlicher Waldbrand Richtung Vasbühl entpuppte sich als „Ausräucherung“ von Bäumen, mit dem Ziel, Schädlinge in den Baumkronen aufzuspüren.

Im Fall der Falter ist der Alarm echt. Ein sichtbares Schwammspinnergelege pro Baum gilt als bedenklich. Im Wald südwestlich von Egenhausen, dem „Gollgarten“ oder „Goldgarten“, wurde ein Wert von fünf Nestern am Stamm erreicht. Viele Nester kleben unentdeckt an den Ästen. Schon letzten Sommer ließen Pheromonfallen, mit denen liebeshungrige Männchen angelockt wurden, im Raum Schweinfurt wenig Gutes erwarten. „Bei einem Großteil der Flächen hat es sich bestätigt“, sagt Stephan Thierfelder, als zuständiger Vertreter des Forstamts Schweinfurt, beim Ortstermin mit Försterin Theresa Graser und Waldbesitzern: „Es droht Kahlfraß.“ Grund genug, Ende des Monats ein Bekämpfungsmittel auf Wälder im westlichen Landkreis herabregnen zu lassen: Hubschrauber sollen den Häutungsbeschleuniger Mimic GPS-gesteuert verteilen, teilweise ergänzt um einen Bazillus. Auch kleinere Teile der Haßberge und des Raums Kitzingen sind betroffen. Eigentlich sollte erst Anfang Mai gesprüht werden, aber aufgrund der warmen Witterung treiben die Eichen schnell aus. Auch ein Großteil der Larven ist schon geschlüpft.

Mimic ist ein Mittel, das unter die Haut geht. Es greift gezielt die Raupen des Schadschmetterlings an, beim Laubfressen. Die Larven häuten sich hektisch zu Tode, statt mampfend zu wachsen. Waldbesitzer Klaus Rettner kann sich noch an die erste Sprühaktion Anfang der 80er erinnern, mit einer wenig wählerischen Variante des Insektizids „Karate“. Der Name war Programm: Nach dem Einsatz sei er noch über einen Teppich toter Kerbtiere gelaufen, nicht nur Schädlinge.

Stephan Thierfelder weiß, dass Naturschützer auch den selektiven Einsatz von Mimic nicht gerne sehen, das bislang nur im Obst- und Weinbau eingesetzt worden ist. Nur sei das Problem komplex, in den Eichenwäldern auf der fränkischen Trockenplatte. Im Gollgarten wächst sehr viel Stockausschlag, als Folge jahrhundertelanger Bewirtschaftung: Strauchähnliche Bäume, deren Stämme mehrfach aus alten Wurzelstöcken sprießen. Diese lichten Wälder, ohne kühlende Buchen und Unterhölzer, sind angenehm warm, aus Sicht der Schwammspinner in ihren Schaumnestern. Nach dem Schlüpfen in Baumritzen beginnt das große Krabbeln Richtung Laub, ebenso wie eine Art Bungee Jumping zu den Nachbarbäumen, am windbewegten Faden. Die Knabberei im Frühsommer könnte eine gesunde Eiche noch überstehen. Als Folgekrankheit droht beim Wiederaustrieb allerdings Mehltaubefall, der die Photosynthese beeinträchtigt: „Dann können Blätter auch noch verschrumpeln“

„Die Folge ist noch mehr Wärme“, sagt Revierleiterin Theresa Graser. Je weniger Blätter den Wald verschatten, desto sonniger wird es für den Schwammspinner: ein Teufelskreis. Im schlimmsten Fall geben Eichenprachtkäfer dem Baum den Rest, extreme Trockenheit noch nicht eingerechnet. Die aktuelle Schädlingsvermehrung gilt auch als Folge des Hitzejahres 2015. Durch den Klimawandel scheinen die Kahlfraß-Phasen immer häufiger aufzutreten, der nächste Höhepunkt wird erst für 2019 erwartet.

Das Zauberwort heißt für Stephan Thierfelder „Waldumbau“, mit Verjüngung und Durchmischung der Eichenwälder. Auch Blühstreifen könnten Entlastung bringen: zur Förderung von Raubwespen, die ebenso gerne an Nektar wie Raupen naschen. „Pflanzenschutzmittel sind immer nur eine Notfallmaßnahme“, betont der Vertreter des Forstamts. Aktuell hätte man, wie 2011, gerne noch einmal das Auslaufmodell Dimilin verwendet, mit einer Ausnahmegenehmigung. Der technisch bewährte, aber ökologisch umstrittene Häutungshemmer wurde mittlerweile vom Markt genommen. Schon im letzten Jahr lief bei Geldersheim eine Versuchsbekämpfung mit Mimic.

Ein weiteres Probleme im Gollgarten: die komplizierten Eigentumsverhältnisse unter rund 50 privaten Waldbesitzern. Willibald Seufert hat 13 kleinere Flächen geerbt, die weit verstreut liegen: „Wenn ein Baum fällt, fällt er auf drei Grundstücke“. An echte Bewirtschaftung sei nicht zu denken. Derzeit läuft die Waldflurbereinigung, mit Zusammenlegungen und Wegeanschluss. Nur so kann dem Schwammspinner effektiv an den Chitinpanzer gerückt - und der Wald vielleicht doch noch ein Goldgarten werden. Weitere Informationen zur Bekämpfungen finden sich unter www.aelf-sw.bayern.de.

Klebten Mitte April schon in dichten Platten an der Eiche: die Gelege des Schwammspinners.
Foto: Uwe Eichler | Klebten Mitte April schon in dichten Platten an der Eiche: die Gelege des Schwammspinners.
 
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