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SCHWEINFURT
Numismatische Gesellschaft: Dem Profi über die Schulter geschaut
Claudia Baumann (Künker) begutachtet eine Münzsammlung aus dem Deutschen Kaiserreich.
| Claudia Baumann (Künker) begutachtet eine Münzsammlung aus dem Deutschen Kaiserreich.
Von unserem Mitarbeiter Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 26.12.2015 10:02 Uhr

Geld regiert die Welt, jeden Tag, seitdem die alten Lyder vor etwa 2600 Jahren die ersten doppelseitigen Münzen geschlagen haben: Ihr König Krösus steht bis heute für sagenhaften Reichtum. Umgekehrt prägt auch die Weltgeschichte das Geld – das merkt man schnell, bei einer Begutachtungsaktion der Numismatischen Gesellschaft Schweinfurt im Museum Georg Schäfer.

„So was wie Kunst & Krempel“, nennt Hubert Ruß von der Münchner „Künker Numismatik AG“ die Aktion. Zusammen mit Claudia Baumann und fünf weiteren Experten nahm er am Freitag und Samstag die historischen Zahlungsmittel unter die Lupe, die in den Schubladen und Kartons von Schweinfurt und Umgebung gefunden wurden.

Auch Briefmarken werden bewertet, von einem Berliner Fachmann. Der Andrang ist groß, es gab siebzig Anmeldungen für die erste Veranstaltung dieser Art, am Ende stehen über 150 Besucher vor der Tür. „Münzsammeln ist ein Hobby, seit der Antike“ sagt der Bamberger Ruß – was nicht heißt, dass man mit alten Talern nicht junge Euro verdienen kann: „Wir suchen, was interessant ist.“ Ein Euro könne eine Münze wert sein, aber auch 5000 Euro. Gesucht ist, was selten und zugleich schön ist. In einem solchen Fall würde Künker den Besitzer mit Fachwissen bei einer Auktion unterstützen, gegen Beteiligung beim „Aufgeld“.

Diskretion und Seriosität werden in diesen banknahen Kreisen großgeschrieben, vor Internethandel gewarnt. Entsprechend einsilbig ist man bezüglich etwaig geborgener Schweinfurter Schätze.

Hubert Ruß war 15 Jahre lang bei der renommierten Privatbank Hauck & Aufhäuser für die numismatische Abteilung zuständig, die 2010 ausgelagert wurde. Selbst die Rothschilds, lebende Götter der Finanzwirtschaft, haben einmal mit Münzhandel angefangen. Man muss den Spezialisten nur eine halbe Stunde über die Schulter schauen, beim Fachgespräch, um einiges vom Geschichtsverlauf zu erahnen.

Ein Schweinfurter hat einen großen 1000-Reichsmark-Schein aus dem Kaiserreich dabei, gedruckt 1910, aus bestem Papier, mit selbstbewusster Germania: „Dieses Papiergeld war noch goldgedeckt“, sagt Ruß. Wenige Jahre später, gegen Ende des Ersten Weltkriegs, war es auch in der Geldbörse vorbei mit deutscher Herrlichkeit.

Ein Grafenrheinfelder Ehepaar hat Münzen aus den Jahren 1917 und 1918 dabei, städtisches Notgeld. Da dem Staat das Geld mit hohem Metallwert buchstäblich an der Front zerplatzte, in Bomben-, Granaten- und Kugelform, bestanden diese Münzen nurmehr aus Zink: Ensprechend hat ihnen die Fleckenbildung, der „Zinkfraß“, zugesetzt.

Numismatiker Ruß leidet auch, wenn er ein „Simmerl“ aus dem Jahr 1874 mit Henkel sieht, einer Öse, um ihn als Schmuck zu tragen – eindeutig eine Wertminderung. In Bayern war der Zwanzigerpfennig als „Siebenerl“ bekannt, weil man dafür sieben Eier bekam. Etwas mehr wert ist eine Münze mit zehn Unzen Gold.

Die alte Putzfrauensünde an Tatorten, sie gilt auch bei Münzsammlern: Einige kaiserliche Markstücke wurden „scharf“ blankgeputzt, und haben dadurch die Hälfte ihres Werts eingebüßt – die Branche will den originalen, matten Schimmer. Die Freie Reichsstadt selbst hat wenige eigene Münzen in Umlauf gebracht, unter Heinrich dem Siebten, Sohn Friedrichs II, etwa. Was geliefert wird, ist selten älter als 120 Jahre. Reichspräsident Hindenburg prangt auf der späten Reichsmark, auf der Rückseite hält der Adler seit 1936 dann ein Hakenkreuz in Klauen: „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“, tönt es auf dem Rand. „Münzen waren immer Propagandainstrument“, weiß Ruß, dank eines Fundes wurde sogar die Existenz eines römischen Soldatenkaisers bestätigt, Proculus (der im Jahr 281 ein paar Wochen regierte). Schon vor dem Sturz bekam der Usurpator ordentlich auf den Kopf geschlagen: Avers nennt man die Vorderseite einer Münze, meist mit dem Konterfei des Herrschers, Revers ist die Rückseite, beides entstand, wenn sich ein Prägestempel in den Schrötling, den Münzrohling, drückte, oft mit markanten Fehlern und Rissen.

650 000 Euro wurden vor kurzem für einen Familienrubel von Nikolaus I. erzielt, bis heute Rekord: Die Silbermünze aus dem Jahr 1836 zeigt den Zar mit Frauen und Kindern. „Wir sind Schatzsucher, aber auch Wissenschaftler“, betont Ruß, eine Münze hat oft ihren Stammbaum, einen „Pedigree“. Fälschungen, etwa aus Sizilien, China oder Osteuropa, sind ein Problem, Gutachten teuer, die Prüf-Verfahren, von Röntgenfluoreszenz bis Abreiben mit Königswasser, aufwendig.

Auch ausländische Münzen werden bewertet, eine Schwebheimerin erhält fünf Euro für einen mexikanischen Peso. Nebenbei gibt es Lob für Schweinfurts Numismatiker und ihre Vorträge, die seien bayernweit geschätzt, sagen die Fachleute. Auch Georg Schäfer, Namensgeber des Museums, schaut vorbei. Viele Arbeiter-Familien besitzen noch Schäfer-Gedenkmünzen aus den Nachkriegsjahren, die es zu Firmenjubiläen gab, Gegenwert etwa 200 Euro: auch das ein Stück Mentalitätsgeschichte.

„Kunst & Krempel“ bei der Numismatischen Gesellschaft: Alois Wenninger betrachtet eine Münze, Gold-Solidus aus Byzanz.
Foto: Anand Anders | „Kunst & Krempel“ bei der Numismatischen Gesellschaft: Alois Wenninger betrachtet eine Münze, Gold-Solidus aus Byzanz.
Anno 1921: Auch Briefmarken wurden begutachtet.
| Anno 1921: Auch Briefmarken wurden begutachtet.
Wertschätzung: Frank Richardsen (rechts) beim Wiegen einer Münze.
| Wertschätzung: Frank Richardsen (rechts) beim Wiegen einer Münze.
 
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