Das Aufheben um seine Person ist Jack Steinberger eigentlich gar nicht recht. Und als Schonungens Bürgermeister Kilian Hartmann seine herzlichen Begrüßungsworte mit dem Hinweis schließt, man müsse dankbar sein für das, „was Sie für die Menschheit geleistet haben“, erhebt er offenen Widerspruch. Der Nobelpreisträger aus den USA sagt: „Die Menschheit hat es mir ermöglicht, mich mit der Physik zu amüsieren, und ich bin sogar dafür bezahlt worden.“
Steinberger (89) besucht derzeit seine Geburtsstadt Bad Kissingen und ist am Mittwoch nach Schonungen gekommen, wo sein Vater als eines von zwölf Kindern eines Viehhändlers geboren worden ist und der später Kantor der jüdischen Gemeinde im Kurbad war. Jack Steinberger will an diesem Tag seiner Tochter, seinem Sohn, der Schwiegertochter und zwei Enkelkindern die Gegend zeigen, in der er bis zu seiner Auswanderung 1934 gelebt hat. Und wo sein Großvater herstammt, den er nie kennengelernt hat. Zum Programm gehört auch ein Besuch des Friedhofs in Kleinsteinach, auf dem früher Schonunger jüdischen Glaubens beigesetzt worden sind.
In Schonungen war Jack Steinberger als Sechsjähriger einige Zeit auf Verwandtenbesuch. Wie er beim Empfang von Bürgermeister Hartmann erzählt, hat er eine Szene noch heute im Kopf: Tagtäglich sind die Gänse die Steinach entlang zum Main getrieben worden. Und Freunde aus Bad Kissingen, die die Familie bei ihrem Besuch im Fränkischen begleiten, erläutern den Steinberger-Nachfahren, wie sich früher das Leben auf dem Land zugetragen hat. Eben zumeist in kleinen Bauernhöfen.
Elisabeth Böhrer, die derzeit intensiv die jüdische Vergangenheit der Gemeinde erforscht, hat sich in den vergangenen Monaten besonders mit dem Werdegang der Familie Steinberger befasst. Und so hört Jack Steinberger verwundert, dass das Geburtshaus seines Vaters bis 1940 als Besitz der Steinbergers geführt worden ist: „Da waren doch gar keine Juden mehr da.“ Das Gebäude, das als Treff der Hitlerjugend und danach als Milchsammelstelle und Jugendheim gedient hat, ist 1993 abgerissen worden. An seinem Platz steht heute die Filiale der Sparkasse.
Im Rathaus präsentiert Böhrer einen Originaleintrag in einem Schonunger Gemeindebuch, in der Steinbergers Vorfahren im Jahr 1800 belegt sind. Sie hat zudem Hinweise darauf, dass sich der Stammbaum gar bis zum Jahr 1699 zurückverfolgen lasse. Eine Kopie einer Urkunde aus dem Staatsarchiv gibt sie Steinberger mit.
Hartmann hat das Goldene Buch der Gemeinde mitgebracht. Auf die Bitte zur Unterschrift deutet Steinberger, dessen Deutsch noch einen leichten fränkischen Zungenschlag hat, auf seinen Sohn Ned: Der sei doch viel berühmter als er selbst; die E-Gitarren und -Bässe, die er herstellt, seien weltweit bekannt. Dennoch kommt Steinberger der Bitte nach und verewigt sich in dem Werk. Dabei wundert er sich, dass die blütenweiße Seite mit seiner Signatur erst später und dann auch noch per Hand entsprechend gestaltet wird.
Anschließend bricht der 89-Jährige mit seiner Familie und Elisabeth Böhrer als sachkundige Informationsquelle zum Rundgang durch den Ort auf, um sich die früheren Schauplätze jüdischen Lebens zu betrachten. Ohne Medienbegleitung. Ohne Gemeindevertreter. Ganz privat und ohne viel Aufhebens.