Das Kulturforum und der Historische Verein Gerolzhofen hatten zu einem ganz besonderen und berührenden Vortragsabend in die Erlöserkirche eingeladen. Rund um den Gedenktag an die Millionen von Opfer im Nationalsozialismus fesselte das Thema "Unheilsspuren – Antijüdische Darstellungen in und an Kirchen" das interessierte Publikum. Schon bei der Begrüßung durch Evamaria Bräuer wurde den knapp über 40 anwesenden Zuhörerinnen und Zuhörern klar, dass es hier nicht etwa nur um einen Blick in die Geschichte geht.
"Nie wieder ist jetzt!", dieser Weckruf verlange auch einen Blick auf unsere Gegenwart, in der auch heute Spuren von Antijudaismus und Antisemitismus unbewusst wie unsichtbar tradiert und weitergegeben würden. "Gedenken ist so wichtig, damit Antisemitismus keinen Platz bei uns hat", mit diesen Worten führte Bräuer in den Abend ein, an dem ein kompetenter und ausgezeichneter Experte des Antijudaismus begrüßt werden konnte: Pfarrer Axel Töllner.
Antijüdische Motive halten sich bis heute
Seit 2014 ist Töllner Landeskirchlicher Beauftragter für den christlich-jüdischen Dialog beim Institut für christlich-jüdische Studien und Beziehungen an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau. Außerdem arbeitete er an den unter dem Titel "Mehr als Steine…" bekannten Synagogen-Gedenkbänden Bayern mit. In ihnen ist auch das Jüdische Leben im Landkreis Schweinfurt bis zur Zeit des Nationalsozialismus umfassend recherchiert und dokumentiert.
Töllner öffnete in seinem tiefgründigen Vortrag über die antijüdischen Darstellungen und Spuren an und in unseren Kirchen Augen und Ohren. Wer nur einen geschichtlichen Abriss über Entstehung des Antijudaismus in unserer Region erwartete, wurde gründlich und im besten Sinne "enttäuscht". Mit vielen Beispielen und Bildern führte der promovierte Theologe Töllner vor Augen, dass sich antijüdische Motive in und an Kirchen bis in unsere moderne Zeit hinein finden lassen.
Pfarrer Axel Töllner: "Bilder sind stärker als Worte"
Und diese tradierten auch unbewusst antijüdische Ressentiments bis in die Gegenwart hinein. So ließen sich seit dem Mittelalter an zahlreichen Passions- oder Kreuzwegbildern immer wieder jüdische Menschen erkennen, die im schlechten Licht als "Schuldige an Jesu Tod" dargestellt werden, auch in Gerolzhofen. "Bilder sind stärker als Worte", so der Referent.
Ob die Schedelsche Weltchronik aus dem Ende des 15. Jahrhunderts oder der Eklat auf der "dokumenta" in Kassel im Jahr 2022 – immer wieder würden Bilder überliefert, die das wiederkehrende Thema der "jüdischen Weltverschwörung" und des vermeintlich "bösen Juden" vor Augen führen. Erschreckend auch das "Judensau-Relief" an der Stadtkirche der Lutherstadt Wittenberg – immerhin ist die Luthergedenkstätte in Wittenberg UNESCO-Weltkulturerbe. Erst 2022 hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass das Sandsteinrelief nicht abgenommen werden muss, obwohl es das Judentum schmähe und verunglimpfe.
"Auslöschen der Realität": Jesus selbst gläubiger Jude
Ein weiteres Beispiel: An prominenter Stelle im Bamberger Dom steht die Figur der Ecclesia (Kirche), die über die Figur der "blinden" Synagoge (Judentum) triumphiert. Ausgesprochen interessant sei auch das "Auslöschen der Realität", dass die erste Jüngerschar, wie auch Jesus selbst, einfache gläubige Juden waren. Dem Vortragenden fehlte es jedenfalls nicht an überzeugenden Argumenten und Beispielen. Der Applaus, wenn auch verhalten ob des bedrückenden Themas, galt am Ende und nach dem Schlusswort von Brigitte Vogt Professo Töllner. Ein würdiger und denkwürdiger Abend zu einem bedrückenden Thema, das nichts an Aktualität und Bezug zur Gegenwart vermissen ließ.