Endlich wieder Kultur und endlich sind viele der Veranstaltungen luftig und leicht, allein wegen ihrer Stuhlreihung aufgrund von Corona. Das war auch im Literaturhaus so, bei der Sommerlesung der Schweinfurter Autor*innengruppe SAG. Den Wipfelder Wein gab es diesmal allerdings nur zum Mitnehmen für die Vortragenden, Bürgermeister Tobias Blesch überreichte die edlen Tropfen.
Die SAG feiert heuer 25-jähriges Bestehen - und das ist schon ein Grund zum Feiern. Denn Autorinnen und Autoren sind ein eigenwilliges Volk und umso bewundernswerter ist die lange Dauer einer Gruppierung, die sich über das eigene Schreiben hinaus verdient gemacht hat um die Schweinfurter Literaturlandschaft. Seit mehreren Jahren gibt es die Sommerlesungen und sie erfreuen sich großer Beliebtheit.
Sprecher Hanns Peter Zwißler führte launig in die Veranstaltung und las aus seinem demnächst erscheinenden Roman "Österle und Escher". Die Knabenfreundschaft zwischen zwei sehr unterschiedlichen schwäbischen Buben ist begründet auf Blut und fliegenden Tintenfässern, im Streit steht Escher dem Österle zur Seite und dreht dem Gegner die Nase so kräftig, dass das ganze Kind zu Boden sinkt und sich das Nasenblut sehr bildgewaltig mit der blauen Tinte am Boden vermischt.
Das weite Spektrum der SAG wurde mit Anita Tschirwitz aufgezeigt, die lyrische Texte vortrug. Sprachspielerisch griff sie dabei ihre "Haßliebe Wien" auf sowie die Corona-Erfahrungen der letzten Monate: "die Krone der Schöpfung stößt schmerzhaft an ihre Grenzen …"
Manfred Mangers Textperformance über Narzissten und Spalter, die Macht haben, erscheint demnächst in der Anthologie "Poesie für die Zukunft". Ein Rucksack, der "schon längst nicht mehr nur Fernwehsymbol ist", ein "Denken am eigenen Zenit entlang", das die Opfer vor der Haustüre übersieht – Mangers Metaphern fügen sich in guter Poetry-Slam-Tradition zu einer Sprachmelodie, die die Zuhörenden mitnimmt: "Morgen- und Abendland gehören wie ein gemeinsamer Tag zusammen ... die Sonne muß untergehen, damit du die Sterne sehen kannst."
Renate Eckert las aus ihrem bereits erschienenen Roman "Schweigegebot", der die Ereignisse um den Missbrauchsskandal von Eschenau aufgreift. Beklemmung, Atemnot, Frauenverachtung, Männergewalt – in das Vogelgezwitscher und die letzten Sonnenstrahlen auf romantisch altem Gemäuer mischten sich auch verstörende Bilder.
Anika Peter schloss sich mit ihrem Text "Gewöhnung" an: Eloquent formuliert und mit einer faszinierenden Tiefe geschrieben vermittelten die Worte der Protagonistin das quälende Erleben einer Depression, hervorgerufen durch den Tod des Mannes, eine unverstandene, vielleicht unverstehbare Gemütslage, die nicht zuletzt unsäglich einsam machen kann und in die sich hineinzugewöhnen ein fataler Effekt der Krankheit ist, "vielleicht kann man das Fühlen ja verlernen".
Günter Hein brachte ein bisschen sarkastische Schärfe mit ins Themenspektrum, vielleicht war auch ein Hauch höhnischer Genugtuung mit im Spiel, als er den polternden Vater überführt, der bigott und ungerecht seinen Sohn kritisiert und schließlich der Lehrerin die Schuld geben will: Die Lehrerin hatte damals schon den Vater als Schüler und entlarvt seine angebliche Klugheit als Blenderei.
Linde Unrein griff mit ihrem Text "mater familias" die Überlegungen einer Frau auf, die schwanger ist: "eine Bindung, die nicht mehr lösbar ist, zu spät für die Unterbrechung der Keimbahn", die "Möglichkeiten unbegrenzter Vorwürfe" eröffnet und "erst Tod oder Demenz werden entbinden – auch von den Selbstvorwürfen".
Joachim Engel vermittelte mundartlich "A Spässle" und stellte den Zuhörenden drei Möglichkeiten seines Endes der Geschichte zur Auswahl: Sepper, der Polizist, will seinem coronabedingt ausgebrochenen Alkoholismus nachgeben und seinem "verwöhntem Göschle" ein bisschen Wein von seinem Lieblingsitaliener gönnen. Der aber, bereits einmal kriminalistisch überführt, erschrickt über den Besuch des Polizisten … So klang der literarische Abend beschwingt aus mit der Vorfreude auf das heimische Schöpple.
Peter Hub erzeugte im Verlauf des Abends immer wieder auf der Handpan heitere und beschwingte Töne, die kongenial die Stimmung der jeweiligen Texte aufgriffen. Die Handpan, ein metallenes Instrument, das zwei übereinandergelegten Schüsseln ähnelt, wird mit den Händen geschlagen und verblüfft ob ihrer Gestaltungsvielfalt.
Die SAG trifft sich an jedem dritten Dienstag des Monats (ausgenommen August) zur offenen Lesebühne in der Kleinen Kaffeerösterei in Schweinfurt. Dazu sind auch Nichtmitglieder, besonders junge Autorinnen und Autoren angesprochen, sie sollen ausdrücklich ermuntert sein, mit ihren Texten vor die Öffentlichkeit zu treten.