Bevor Emanuel Balschat den Reporter in seine heiligen Hallen einlässt, stellt sich die übliche Frage nach der Pandemie-Netiquette: Mundschutz, ja oder nein? Der Garstädter Tüftler sieht das eher entspannt: "Ich teste mich selber." Schließlich hat der Elektrotechniker in diesem Jahr einen "bürotauglichen" Corona-Scanner entwickelt.
Der Doc Mirror sieht aus wie ein runder Wandspiegel. Die Erfindung zeigt auf einem Blick an, mit roten oder grünen Leuchtsignalen, ob der Proband "Temperatur" hat oder Corona-unverdächtig ist. Was nach einem Märchen, a la "Spieglein, Spieglein an der Wand", klingt, genügt durchaus wissenschaftlichen, in diesem Fall physikalischen Ansprüchen. Sensible Wärmesensoren ermitteln, ob im Körper die klassische Fieberthemperatur von 37,8 Grad aufwärts herrscht, Distanzsensoren minimieren Messfehler.
Eine freundliche Frauenstimme, Modell Navi, erklärt jeden einzelnen Schritt. Die kleine Kamera auf Stirnhöhe dient dabei nur zur Datengewinnung. Datenschutz werde bei ihm groß geschrieben, betont der "Daniel Düsentrieb aus Garscht", der sich 2003 mit einem Schwebheimer Entwicklungsbüro (www.oem-entwicklung.de) selbstständig gemacht hat. Die Bilder würden nicht gespeichert. Eingezeichnete Gesichtskonturen sollen dafür sorgen, dass der Prüfling auch wirklich mittig in den Doc Mirror schaut. Es seien "schon ein paar fiese Algorithmen", die da berechnet werden müssten, sagt Balschat. Seine Erfindung wurde durch den "technischen TÜV" bereits geprüft, nun strebt er die medizinische Zulassung an.
Im Frühjahr hat die Spiegel-Idee das Licht der Welt erblickt. Die ersten 100 der berührungslosen Fiebermessgeräte sind schon in Produktion gegangen, bei einer Firma im Landkreis. Die nächste Charge soll weitere 100 bis 200 Stück betragen. Eine ganz exakte, rechtlich unanfechtbare Fiebermessung biete das Gerät nicht, so Balschat, aber schon ein realistisches Bild vom Gesundheitszustand. Bestellungen gibt es einige, bis nach München und Coburg. Firmen und Behörden, die sich dadurch aufwendige Security sparen könnten, Kindergärten oder Schulklassenzimmer wären typische Einsatzgebiete.
Gelernter Kommunikations-Elektroniker
"Es ist das Rad nicht neu erfunden worden", gibt Blaschat zu, was das Grundprinzip angeht. Auf die Regionalität ist er aber schon stolz. Auch wenn Doc Mirror nicht "made in China" ist, wurde die Idee durch Kontakte mit dem Reich der Mitte geboren. "Beruflich hatte ich viel mit Chinesen zu tun", sagt der gelernte Kommunikations-Elektroniker, Jahrgang 1980, der eigentlich Schaltungen und Platinen baut. In der Zeit des rigiden chinesischen Shutdowns habe er viele Geschäftspartner per Video-Chat näher kennengelernt und dabei auch mal über private Dinge gesprochen.
Einmal gab es einen Kameraschwenk auf die völlig menschenleere und abgeriegelte Straße: "Es war wirklich kein Vergleich zum deutschen Lockdown." Dass der Virus auch nach Deutschland kommen würde, das habe sich eigentlich schon Monate vorher abgezeichnet. Auch wenn die Erfindung nun durch Corona gefördert werden könnte, soll der Doktor an der Wand doch kein schnelles Geschäft mit einer aktuellen Pandemie sein. Der Fiebermess-Spiegel könne auch in Zukunft Erkältungen oder Grippe feststellen, sagt der Familienvater: "Corona hat die Idee beschleunigt."
Die Produktion ist ebenfalls ganz am Puls der Zeit, sprich dezentral. Balschat hat ein Netzwerk von fünf Mitarbeitern, die längst nicht mehr unter einem Dach sitzen. Er selbst habe zwei, drei Prototypen erschaffen: "In Schweinfurt findet man dann immer jemanden, der einem mechanische Teile baut." Auch der Verkauf wird extern abgewickelt: "Ich suche jederzeit weitere Vertriebspartner." Balschats erste Tüftelei ist der Sensor-Spiegel nicht, allerdings gibt er sich bedeckt: "Entwicklungsprojekte unterliegen der Geheimhaltung."
Die nächsten Projekte schon in Arbeit
Besonders stolz ist der Garstädter auf ein Analyse-Gerät zur Untersuchung von Kuhfutter-Silage. Das nächste Projekt ist ebenfalls im Bereich Landwirtschaft angesiedelt und soll dem Umweltschutz dienen.
Der Doc Mirror selbst hat nicht zufällig eine Optionsbuchse, um Erweiterungsfunktionen zu ermöglichen. Es gibt eine Variante mit kindgerechten Geräuschen, um den Jüngsten die Angst vor dem Blick in die Sensoren zu nehmen. Funktechnik könnte der Ferndiagnose dienen, eine Tür automatisch gesperrt werden.
Ein Kunde hat sich große Leucht-Kunstoffröhren statt kleiner Lämpchen gewünscht: "Da soll der ganze Raum in Rot oder Grün erstrahlen". Ein interaktiver Hingucker im Geschäft ist der Spiegel schließlich auch noch. Ein Effekt dürfte aber bei jedem Nutzer erwünscht sein: Die erlösende Botschaft aus dem Off – "Temperatur normal".