Schon im April 2019 fasste der Gemeinderat der Gemeinde Kolitzheim einen Grundsatzbeschluss, aufgrund der örtlichen, baulichen und pädagogischen veränderten Gegebenheiten eine neues Schulgebäude zentral für alle Ortsteile zu planen. Das Architekturbüro Benedikt Gerber wurde daher beauftragt, ein Gutachten anzufertigen, welcher Standort für den zentralen Neubau der Grundschule am besten geeignet sei. In der Gemeinderatssitzung am 3. Dezember vergangenen Jahres stellte er das Ergebnis seiner Untersuchungen mit den Vor- und Nachteilen für die beiden möglichen Standorte Unterspiesheim und Herlheim vor (wir berichteten). Stand bei den bisherigen Diskussionen vor allem die Standortfrage – Unterspiesheim oder Herlheim – im Mittelpunkt der Diskussion, brachte die Präsentation von Benedikt Gerber einen bisher eher wenig beachtetes Thema zur Sprache, wie dem Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 3. 12. zu entnehmen ist:" Viele der Punkte lassen sich derzeit eher politisch als über Fakten entscheiden. Hilfreich könnte es sein, wenn man sich zuerst über das pädagogische Konzept, OGS, usw. im Klaren werden würde."
Geänderte Grundlagen
Weiter ist im Protokoll des Gemeinderats zur Präsentation von Architekt Gerber zu lesen: "Die pädagogischen Grundlagen im Schulbau haben sich in den letzten Jahren grundsätzlich verändert. Wo früher eine Schule aus Flur und Klassenraum bestand, entstehen jetzt Lernlandschaften."Die Rektorin der Grundschule Kolitzheim, Michaela Kirchner, gibt einen kurzen Einblick in das pädagogische Konzept, das sie sich für die Grundschule vorstellt: "Sie möchte ein Schulgebäude, das alle einbindet; sie möchte Ästhetik und Funktionalität in Einklang bringen, viele Formen des Unterrichts verwirklichen, z. B. offener Unterricht, Kleingruppen bilden, heterogene Lerngruppen bilden, nach dem Motto "fördern und fordern". Es gibt Entwicklungsunterschiede der Schüler/innen in einer Klassenstufe, daher sind Bewegungsräume und Rückzugsräume wichtig" – so das Protokoll.
Ergebnis dieser Diskussion im Gemeinderat war, dass in enger Abstimmung mit der Schulleiterin Frau Karin Doberer mit der pädagogischen Projektbegleitung beauftragt wurde. Der Schulleitung, dem Elternbeirat und dem Gemeinderat war es wichtig, dass diese Überlegungen- Verbindung von Pädagogik, Architektur und Gestaltung der Unterrichtsräume einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt werden. So lud die Gemeinde Kolitzheim alle Interessierte zu einem Vortrag mit dem Thema: Der Raum als dritter Pädagoge- Verbindung von Architektur, Pädagogik und Ausstattung" in das Sportheim des SV Kolitzheim ein, in der Karin Doberer über ihre Erfahrungen und Vorstellungen zum Zusammenwirken von Pädagogik, Architektur und Ausstattungen berichtete. Karin Doberer ist Geschäftsführerin von "Lernlandschaft" , sie verfügt über 20 Jahre Erfahrung im Bereich Schulentwicklung.
Die bisherige Entwicklung
Bürgermeister Horst Herbert begrüßte Karin Doberer und gab einen kurzen Einblick über die bisherige Entwicklung des Projektes Schulhausneubau. Er wies auf die Unsicherheiten in verschiedenen Bereichen hin: Unsicher sei, wie die Betreuung der Kinder am Nachmittag aussehen werde: Offene oder gebundene Ganztagsschule? Mittagsbetreuung? Auch die Vorgaben der Regierung von Unterfranken zu den Genehmigungsmodalitäten hätten sich geändert: Stand bei den Erörterungen über den Schulhausneubau mit der Regierung von Unterfranken die Standortfrage im Vordergrund, ist jetzt die Erstellung eines pädagogischen Konzepts vorrangig – nur leider hat die Regierung von Unterfranken nach eigenen Aussagen kein geeignetes Personal für diese Beratung zu pädagogischen Konzepten.
Trotz dieser Unsicherheiten müsse das neue Schulhaus so geplant werden, "dass wir auch in räumlicher Hinsicht auf die neuen Herausforderungen bestens vorbereitet sind" – so der Bürgermeister. "Wir müssen vor der Ausschreibung für ein Projekt mit einem Kostenumfang von zehn Millionen Euro + x wissen, was wir wollen."
"Im Mittelpunkt unserer (raum-)pädagogischen Vorstellungen steht die Einsicht, dass gelingendes Lernen und Arbeiten von drei sich beeinflussenden Dimensionen abhängt, die sich wechselseitig positiv verstärken: Erst eine integrative Sicht auf Raumkultur, Lernkultur und Teamkultur ermöglicht es, eine pädagogische Architektur zu schaffen, die den Bedürfnissen von Lernenden und Lehrenden bestmöglich gerecht wird.- so der konzeptuelle Grundsatz von "Lernlandschaft".
Bürokratische Hürden überwinden
Ausgehend von diesem Grundsatz sei es wichtig, die Entscheidungsträger, die Eltern, die Lehrerschaft, Vereine, und nicht zuletzt die Schüler in den Prozess der integrativen Konzeptentwicklung mit einzubeziehen. Gerade die Einbeziehung der Schüler müsse weiter gehen, als dass man sie "eine Wunschliste, wie an den Weihnachtsmann" schreiben lasse. Klar, dass es am Anfang Bedenken gebe, bürokratische Hürden zu überwinden seien. "Der Angst vor dem Chaos", die manche befürchten, wenn zu viele mitreden, sei mit "Mut zum Dialog und Konsequenz in der Umsetzung" zu begegnen. Im Umgang mit den Behörden, die über die Förderung entscheiden schilderte sie ihre Erfahrung: Ehrlichkeit sei im Umgang mit den Behörden geboten und "je klarer das Konzept ist, umso zügiger kommt es auch zu einer Entscheidung". Es sei wichtig, alle Ideen zu sammeln und zu bewerten- aber auch bis zum letzten die Konsequenzen zu bedenken, die die Umsetzung einer Idee mit sich bringt. Eine ihrer zentralen Erfahrungen: "pädagogisch hochwertige Räume müssen nicht teurer sein als Räume, die ausschließlich den Raumbedarf pro Schüler als Planungsgrundlage haben." Wichtig dabei sei, dass das Lehrerteam diese Planungen mittrage – es sollte im Lehrerkollegium eine grundsätzliche Bereitschaft geben, diesen Weg mitzugehen. Dabei komme es beim Weg vom weißen Blatt Papier, mit dem man die Planung beginnen sollte, bei jedem Schritt auf präzise Beschreibungen an.
Am Beginn der integrativen Konzepterstellung stehe die "Phase 0": Alle Beteiligten müssen sich auf den Weg machen, ihre unterschiedlichen Vorstellungen auf den Tisch zu legen und offen und ehrlich, ohne Vorbehalt miteinander diskutieren. Der Erfahrung " es entscheiden doch andere" könne man dadurch begegnen, dass alle, die mit dem Projekt Schulhausneubau mit pädagogischen Konzept"zu tun haben ,auf Augenhöhe miteinander reden. Klar, dass die Rahmenbedingungen Finanzen, architektonische Möglichkeiten und Vorgaben, wie Brandschutz, in dieser Diskussion auch ihren Platz haben müssen und manchmal sicher Grenzen aufzeigen. Neue pädagogische Herausforderungen, wie flexible Lerneinheiten – wie werden die architektonisch und in der Raumgestaltung umgesetzt ? Eine Erfahrung,die die Referentin einbrachte: wenn es für die Schüler Toiletten in ihrer überschaubaren Einheit gibt, werden weniger Sachbeschädigungen und Verschmutzungen registiert als im"Gesamtschulklo", weil jeder sich verantwortlich fühlt. Oder: man sollte überlegen, wie man mit raumgestalterischen Mitteln dafür sorgen kann, dass die Schüler sich am Morgen bei ihrer Ankunft in der Schule willkommen fühlen- warum nicht ein gemeinsames Frühstück in der Lerngruppe?
Zuviel Flure in Schulen
In vielen bestehenden Schulen würden 45 Prozent der Fläche von Fluren "verbraucht", die man pädagogisch kaum nutzen könne – Raumgestaltung, die sich eher an Planungen für Wohnstuben orientiere, könne zu besserer Flächennutzung führen. Und klar ist auch: Räume, in denen sich die Schüler wohlfühlen, ein Stück zu Hause, fördern die Konzentration, tragen dazu bei, dass die Schüler auch Verantwortung für "ihre" Schule übernehmen. Wichtig dabei: Gute Akustik: schlechte Akustik fördert die Aggressionsbereitschaft der Schüler, macht das Lernen schwer. Hier ihr Motto: "Quadratmeter sind nicht das Maß aller Dinge."Ihre Anregung für das Medienkonzept: man sollte sich nicht so sehr an den technischen Leistungsmöglichkeiten orientieren,sondern danach fragen, was die Medien können müssen, um den Bedürfnissen der Schüler zu entsprechen?
Anhand schon umgesetzter Planungen, die die "Feuerprobe der Realität" schon bestanden haben, zeigte die Referentin auf, dass ihre Visionen der integrativen Konzeptplanung, die im gemeinsamen Prozess von Pädagogik, Architektur, und Ausstattung durchgeführt werden, praxistaugliche Ergebnisse erzielt haben und halfen, kostenintensive Nachbesserungen zu vermeiden. Eine ihrer wichtigen Erfahrungen: "pädagogisch gute Ideen müssen baulich zu Ende gedacht werden." und: "bevor man Wände einreißt oder neu baut, müssen manche Wände in den Köpfen eingerissen werden." Ein Beispiel: keine großen, unbeweglichen Schultische, sondern kleinere, dreieckige Tische, die man leicht zu Gruppen in unterschiedlichen Größen zusammenstellen kann. Sie sei erleichtert, so die Rektorin, dass man den Weg zu einem gemeinsamen Schulhaus für die Gemeinde beschlossen habe. Das mache Vieles leichter, stelle aber auch die Herausforderung, zu einem Team an einer Schule zu werden. Man habe schon Vorstellungen zum künftigen pädagogischen Konzept der neuen Schule entwickelt, und man freue sich, den Dialog mit den anderen Beteiligten vertieft fortzusetzen. Sie sei aber zuversichtlich, dass dies gelinge, denn das Kollegium und der Elternbeirat seien aufgeschlossen und bereit, den Weg mitzugehen, der vor der Schulfamilie, aber auch der Gemeinde und den anderen Beteiligten liegt.
Der Bürgermeister bedankte sich bei der Referentin für ihre anregenden Ausführungen. Anschließend waren alle Interessierten aufgerufen, sich für die Mitarbeit in der von der Referentin angeregten Arbeitsgruppe für alle an dem Schulprojekt Beteiligten einzutragen. Am Ende der Veranstaltung hatten sich etwa 30 Personen eingetragen. Ein Termin wird vereinbart, Interessenten können sich bei der Gemeinde melden.