Vor 30 Jahren wurde die Bibliothek Otto Schäfer, das heutige Museum Otto Schäfer (MOS), offiziell eröffnet. Das Haus am östlichen Stadtrand, in der Judithstraße, gilt als eine der ersten Adressen für die Druckkunst und Büchersammlungen weltweit. Die Geschichte des Hauses hat Georg Drescher mitgeprägt, zunächst als Mitarbeiter, dann als Leiter des Museums. Jetzt geht der 63-jährige Kunsthistoriker ins zweite Glied zurück.
Ein Jahr lang bleibt er dem MOS zeitlich reduziert noch verbunden. Sein Nachfolger ist der Schweinfurter Kunstszene seit sechs Jahren verbunden. Der 26-jährige Jan Soldin arbeitete bislang als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Kunsthalle und hat ambitionierte Pläne.
Drescher hat in Würzburg Kunstgeschichte studiert und anschließend dank eines Stipendiums der Gesellschaft Harmonie die druckgrafische Sammlung im Stadtarchiv aufgearbeitet. Dann kam der Anruf von Otto Schäfer (1912-2000), dem Industriellen, der sich schon als Jugendlicher für Musik, Kunst und Literatur begeistert hat und seit den frühen 1950er Jahren mit der Sammlung illustrierter Bücher begann.
Handbibliothek umfasst 15 000 Titel
Als 15-Jähriger hatte er seine Mutter Alwine nach Hammelburg zum Kunsthändler Stolz begleitet, wo er erstmals originale Druckgrafiken in den Händen hielt. Für 25 bis 30 Mark waren damals Blätter von Rembrandt oder Dürer zu haben. Nicht von bester Qualität. Das räumte der Händler ein und gab dem Jungen etwas mit auf den Weg, was ihn begleiten sollte. Nämlich immer den besseren Abzug zu suchen, Qualität über die Quantität zu stellen. Schäfer hat nie Kunstgeschichte studiert. Nach dem frühen Tod des Vaters musste er seinen Bruder Georg in der Führung des Unternehmens unterstützen. Er war aber ein ausgesprochen fleißiger Leser von Werkverzeichnissen, Bibliografien und Katalogen. Sie zog er zu Rate, bevor er einen Druck oder ein Buch erwarb und brachte es so zu einer immensen Kennerschaft. Die Handbibliothek allein umfasst 15 000 Titel. Die Universität Würzburg hat ihn zum Ehrendoktor ernannt. Seine Sammlung blühte zunächst im Verborgenen, war vor allem in Fachkreisen hochgeschätzt. Otto Schäfer war der erste Deutsche, der in den renommierten „Grolier Club of New York“ aufgenommen wurde. Als der Freundeskreis von Bibliophilen in den 1960er Jahren Europa und seine wichtigsten Bibliotheken besuchte, galt Schweinfurt und die Sammlung Otto Schäfers als Höhepunkt.
Dann die Überraschung. Zusammen mit seiner Frau Ida, Sohn Otto G. (1937–2017) und Oberbürgermeisterin Gudrun Grieser präsentierte der Sammler seinen Plan, die wertvollen Bücher einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dazu sollte das repräsentative Haus des Sohnes aufwendig umgebaut und in eine Bibliothek umgewandelt werden. Das war der Startschuss für die „Bibliothek Otto Schäfer“, die später in „Museum Otto Schäfer“ umbenannt werden sollte. Das Haus hat Höhen und Tiefen erlebt. Als das Unternehmen Kugelfischer und damit die Familie Schäfer Anfang der 1990er Jahre in die Krise gerieten, musste eine Weile geschlossen, Teile der Bestände verkauft werden.
1994 erhielt Georg Drescher als Nachfolger der renommierten Erlanger Kunsthistorikerin Ursula Rautenberg die Festanstellung. Die große Dürer-Ausstellung 1995/96 zur Wiedereröffnung ist Drescher noch in guter Erinnerung, wenngleich er sie nur begleitet hat. „8000 Besucher waren unser Rekord“, erinnert er sich und räumt ein, dass diese Zahl nur mit immenser Werbung zu erzielen war. Seine erste eigene Ausstellung war die zum 500. Geburtstag von Hans Sachs. Im Jahr 2000 waren dann Ausstellungen zu Karl V., dem Rückert-Almanach und seinen Totentänzen für ihn Höhepunkte.
Soldin mit direktem Bezug zum MOS
Jan Soldin hat sich während seines Studiums intensiv mit Druckgrafik beschäftigt und so einen direkten Bezug zum MOS. Er kündigt eine Wiederbelebung nach der Corona-Pause an und will die Öffentlichkeitsarbeit intensivieren. Seine erste Ausstellung ist Johann Caspar Lavater (1741-1801) gewidmet. Dieser versuchte aus äußerlichen Merkmalen auf den Charakter von Menschen zu schließen. Das sei durchaus aktuell, sagt Soldin. Nicht mehr im Haus ist die Sammlung antiken Glases von Maria und Hermann Morell. Sie bleibt zwar im Besitz der Otto Schäfer-Stiftung, die 200 Exponate werden aber künftig im Martin von Wagner Museum der Würzburger Residenz gezeigt. Zum MOS sei sie nur über die Beziehung Hermann Morells, der Manager bei Kugelfischer war, und der Familie Schäfer gekommen. Soldin freut sich, einen weiteren Ausstellungsraum zu gewinnen. Von der Umsiedlung verspricht er sich auch einen Werbeeffekt für Schweinfurt.
Der neue Museumsleiter will verstärkt eine Brücke in die Jetztzeit schlagen. Im nächsten Frühjahr mit einer Ausstellung, die die Frage aufwirft, „Was macht Dürer für uns heute aus?“ Dabei setzt er auf die Vernetzung mit anderen Kultureinrichtungen. In diesem Fall mit der Kunsthalle. Die er ja bestens kennt.