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SCHWEINFURT
Neue Schutzzone: Oberndorfer müssen nach sechs Stunden raus
Hannes Helferich
Hannes Helferich
 |  aktualisiert: 03.05.2015 19:13 Uhr

Auf den ersten Blick wird das nicht jeder verstehen: Obwohl das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld (KKG) nun irgendwann im Juni abgeschaltet wird, überarbeiten die Behörden die Katastrophenschutzpläne. Der Hintergrund ist, dass als Reaktion auf den Super-GAU im japanischen Fukushima 2011 nun die Evakuierungszonen um sämtliche deutsche Atomkraftwerke erweitert werden (wir berichteten).

Das gilt auch für das KKG, was logisch ist, weil es weiterhin das Zwischenlager mit abgebrannten Brennstäben gibt und auch der nicht ungefährliche Rückbau ansteht. Die mit dem Gefährdungspotenzial vom Bundesumweltministerium beauftragte Strahlenschutzkommission sah jedenfalls auch bei abgeschalteten Kernkraftwerken noch die grundsätzliche Möglichkeit eines Katastrophenfalles mit schwerer radioaktiver Freisetzung. Deshalb wird auch der „Schweinfurter“ Katastrophenschutzplan überarbeitet.

Über die konkreten Auswirkungen für die Stadt informierte Umweltreferent Jan von Lackum am Dienstag den Stadtrat. Durch die Ausweitung der so genannten Zentralzone von bisher zwei auf fünf Kilometer Radius um den Reaktor, rutschen nun die Hälfte des Stadtteils Oberndorf und das Maintal in die Zentralzone. Das heißt unter anderem: Die rund 2500 Bewohner dort und die Beschäftigten in den Betrieben müssen im Falle eines Unfalles innerhalb von sechs Stunden evakuiert werden.

Der „Rest“ des Stadtgebiets liegt – wie bisher – im so genannten Planungsgebiet Mittelzone. Dieses wurde von zehn auf nun 20 Kilometer Radius erweitert. Das hat zur Folge, dass nicht mehr nur zwei Behörden (Stadt und Landkreis Schweinfurt), sondern deren sieben (zusätzlich die Landkreise Bad Kissingen, Main-Spessart, Würzburg, Kitzingen und Haßberge) entsprechende Katastrophenschutzpläne haben müssen. Hier müssen die Behörden in der Lage sein, die Bevölkerung innerhalb 24 Stunden in Sicherheit zu bringen.

Bislang endet die Zone in Dörfern wie Grettstadt, Dittelbrunn und Kolitzheim. Künftig sind auch Orte wie Arnstein, Gerolzhofen, Volkach, Theres und Oerlenbach betroffen. Wobei bei einem Atomunfall nicht unbedingt alle Orte gleichzeitig evakuiert werden müssen, denn für die Ausbreitung radioaktiver Teilchen ist vor allem die Windrichtung entscheidend. Deshalb sind die großen Zonenkreise noch einmal in zwölf Sektoren unterteilt. Auf der Landkarte sieht das dann aus wie Kuchenstücke. Theoretisch sind künftig geschätzt über 200 000 statt bisher 120 000 Menschen betroffen.

Die Koordinierung für alles liegt bei der Regierung von Unterfranken. An den wichtigsten Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung werde sich laut von Lackum im Stadtrat nichts ändern: Warnung der Bevölkerung, Jodtablettenverteilung, organisierter Transport zur Evakuierung. Schweinfurt bezeichnet er wegen des schon existenten Katastrophenschutzplans in einer „relativ komfortablen Situation“. Der alte Plan müsse „nur“ fortgeschrieben werden.

Man will aber erreichen, dass der Stadtteil Oberndorf komplett der Zentralzone zugeordnet wird, weil das den Bürgern auch eher vermittelbar sei. Sobald die Behörden so weit sind, wird es wieder ein Faltblatt geben, das an alle Haushalte geht.

Stadtrat Herbert Wiener begrüßte namens der SPD die Überarbeitung. Er nannte aber eine „halbwegs realistische Planung für Schweinfurt noch nötiger als vorher“. Seine Begründung: Mit dem Rückbau seien neue Steuerungs- und Sicherungsvorgänge verbunden; radioaktive Brennstäbe würden über Jahre im Abklingbecken gelagert; zig Castoren mit strahlenden Brennelementen liegen weiterhin im Zwischenlager. „Tschernobyl und Fukushima mahnen uns, dass Pläne im schlimmsten Fall notwendig sein können, um dann doch schwere gesundheitliche Schäden zu reduzieren“, sagte Wiener.

 
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  • H. S.
    Wer ein Auto hat der wird sich in Sicherheit bringen wollen, egal ob er innerhalb der Zone oder ein paar km außerhalb wohnt! Wer kein Auto hat, der hat eben Pech gehabt. Aber was solls, wenn die Wolke über Schweinfurt bzw. Würzburg zieht, werden die Auffanglager ohnehin nicht für alle reichen traurig
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  • G. G.
    Ende 1990 befragte die BA-BI 1033 zufällig ausgewählte Personen an öffentlichen Plätzen, Schulen und Kindergärten in Schweinfurt zu ihrem Kenntnisstand und Verhalten im Falle einer Reaktorkatastrophe in Grafenrheinfeld. Denn "für den Katastrophenfall setzt das bayerische Inenministerium (als oberste bayerische Katastrophenschutzbehörde) bei der Bevölkerung einen guten Informationsstand und Disziplin voraus."
    Damals konnten nur 15 von den 1033 Personen als gut informiert bezeichnet werden:
    [url= http://schweinfurt-ba-bi.blogspot.de/2012/10/gezielte-luge-von-tepco-atomarer.html]siehe hier einige Ergebnisse[/url]
    Auch heute würde kaum einer Folge leisten. Ich tippe sogar noch weniger Menschen würden den behördl. Anweisungen folgen und z.B. auf Bussse warten, oder ggf. ohne seine Kinder, seine Familie, die Stadt verlassen, das sind doch menschliche Verhaltensweisen. Ich hoffe wir oder unsere Kinder müssen dies nie erleben!
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