Es ist das Jahr eins der neuen Düngeverordnung, die seit Januar gilt. Die Landwirte bekennen sich zum Grundwasserschutz, kritisieren aber Teilbereiche der neuen Verordnung als völlig praxisfern und nicht anwendbar. Die Bauern in Eßleben trifft es besonders. Sie wirtschaften seit Jahren mit einer "deutschlandweit hervorragenden Stickstoff-Flächenbilanz", sagen sie. Trotzdem liegen ihre Äcker im Roten und damit nitratgefährdeten Gebiet. Weshalb sie Auflagen erfüllen müssen, die sie aber zum Teil gar nicht umsetzen können.
Eßleben steht sinnbildlich für den Ärger der Landwirte gerade im niederschlagsarmen Unterfranken. Zwar wurden inzwischen weniger Gebiete rot gekennzeichnet. Doch aktuell gilt noch, dass eine einzige rote Grundwasser-Messstelle für eine Ausweisung des ganzen Grundwasserkörpers als rotes Gebiet genügt.
Bauernverband kritisiert zu wenige Messstellen
Zusammen 17 staatliche Messstellen gibt es in den beiden großen Grundwasserkörpern "Unterkeuper Schweinfurt" – von Ochsenfurt bis nördlich von Schweinfurt – und "Unterkeuper Mainbernheim" – südlich und östlich des Mains in den Landkreisen Würzburg, Kitzingen, Schweinfurt und Haßberge. Zu wenige nach Auffassung des Bauernverbandes, um den Bundesvorschriften zu genügen und um die Flächen mit roten und grünen Messpunkten sicher gegeneinander abgrenzen zu können.
Zwar sind in Bayern bereits einige Messstellen mehr anvisiert – statt 600 dann 1500 im ganzen Freistaat – , aber die Bohrungen dauern noch Jahre. Die Landwirte in Unterfranken hatten im vergangenen Sommer rund 50 ihrer Brunnen als Stützmessstellen gesammelt, um sie als zusätzliche Messwerte zum Nitrat im Grundwasser in die Abgrenzung der Roten Gebiete aufnehmen zu lassen. Was ihnen von den Behörden schließlich zugesagt wurde.
Allerdings konnte das Landesamt für Umwelt (LfU) diese Brunnen aus Zeitgründen dann doch nicht mehr bis zur Einführung der neuen Düngeverordnung ab Januar 2021 berücksichtigen. Die Landwirte aber müssten seit Beginn des Jahres nach den neuen Vorgaben agieren, kritisieren sie. Noch dazu mit einem "noch nicht ausgegorenen" EDV-Programm zur Düngebedarfsermittlung.
Für Eßleben hat das alles gravierende Auswirkungen. Den Bauern sei vom Umweltbundesamt in der Vergangenheit ein sehr guter Gemarkungssaldo für Stickstoff bescheinigt worden, verweist BBV-Bezirksgeschäftsführer Eugen Köhler beim Pressetermin mit Innenstaatssekretär Eck an der Biogasanlage von Günter Saam in Eßleben auf den Wert von 35 Kilo pro Hektar. Das sei bundesweit Spitze gemessen an Salden von bis zu 160 im Nordwesten Deutschlands. "Saldo ist das, was an Gesamtstickstoff nach der Ernte noch übrig ist, aber im Boden, in der Luft oder im Wasser bleibt", erklärt Köhler.
Jetzt aber habe das Landesamt für Landwirtschaft (LfL) nach Modellen berechnet, dass für die Eßlebener Gemarkung nur 22,9 Kilo Stickstoff pro Hektar nach der Ernte übrig bleiben dürfen. Selbst bei bester landwirtschaftlicher Praxis sei das nicht einzuhalten, sagt BBV-Kreisgeschäftsführer Manfred Kraus. Den einzelbetrieblichen Nachweis wie bisher über die Nährstoffbilanz des Einzelbetriebs gebe es nicht mehr.
Landwirte kritisieren Berechnungen des Landesamtes für Landwirtschaft
Bei den Landwirten sorgt diese Vorgabe für Kopfschütteln und wirft die Frage auf, wie so etwas berechnet wird. "Wir können das nicht nachvollziehen und erhalten auch keine Auskunft darüber", sagt Bio-Landwirt Wolfgang Göb. "Die Gegend bleibt weiter Rotes Gebiet mit erhöhtem Nitrataustragsrisiko, weil wir hier nur wenige Niederschläge um die 600 Liter pro Jahr haben und daher im Sickerwasser rein rechnerisch über dem Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter sind", so Köhler. Tatsächlich aber gebe es hier sehr gute Böden, die das Wasser zurückhalten würden.
Die mit der Düngeverordnung verbundenen Auflagen – weniger Düngung, Sperrfristen für Gülleausbringung, Zwang zur Zwischenfrucht – gelten bundesweit. "Da wird nicht differenziert nach Böden, Klima, Anbau, Struktur und Tierhaltung", kritisieren die Landwirte.
Staatssekretär Gerhard Eck begleitet die Bauern in ihrem Protest. "Ich will nicht akzeptieren, dass Werte rechnerisch festgesetzt werden und den Bauern nicht gesagt wird, wie das geschieht." Er fordert eine Verbesserung des Systems. "Und das Messnetz muss verdichtet werden", ergänzt Köhler.
Nachvollziehen kann Eck auch den Protest von Daniel Oestreicher, der für seine Biogasanlage Material von Bauern aus anderen Gemeinden bezieht und seine Gärreste auch dorthin liefert. Im gerechneten Saldo des LfL würde aber "nur ein Zirkelkreis um Eßleben gezogen und darin der Stickstoff berechnet", sagt der junge Landwirt. Das verfälsche das Ergebnis.
Laut Eck konnte zumindest erreicht werden, dass die Düngeverordnung "sofort mit den neuesten Fakten" evaluiert wurde. Ein Übergangsjahr müsse man verschmerzen, "aber es muss Licht am Horizont sein". Es gebe keinen Wirtschaftszweig, der sich so stark verändert habe wie die Landwirtschaft. "Kein Bauer wendet sich gegen Trinkwasserschutz, aber er muss klug, vernünftig und nachvollziehbar sein", so Eck.
Gesetzliche Vorgaben erschweren Karottenanbau
Als problematisch erweist sich für die Landwirte auch der zwingende Zwischenfruchtanbau im Roten Gebiet, bei dem erst ab 15. Januar das Feld umbrochen werden darf. Düngen ist dort auch nicht erlaubt. Weshalb die Zwischenfrüchte nach Angaben der Bauern weniger Humusmasse bilden.
"Wir müssen immer mehr nach dem Kalender arbeiten und nicht nach der fachlichen Praxis", moniert Landwirt Tobias Göbel. Wenn man aber im nassen Frühjahr die Zwischenfrucht in den Boden einarbeiten müsse, dann verdichte man diesen extrem.
Ein spezielles Problem entsteht bei Eßleben auch für den Anbau von Karotten, die regional bei der Firma Mainfrucht in Gochsheim verarbeitet werden. Dafür werden bereits im Herbst Dämme auf den Feldern gezogen, damit sich der Boden setzen kann und damit es im Frühjahr darin genügend Feuchtigkeit für die Saat gibt. Ein vorgeschriebener Zwischenfruchtanbau würde die Dämme unmöglich machen.
Wie das Problem gelöst wird, weiß Bio-Bauer Göb auch nicht. Den Anbau seiner Karotten will er sich aber nicht nehmen lassen.