Es hat an diesem Tag endlich mal wieder geregnet: vier Millimeter. Auf dem Acker bei Schraudenbach fühlt sich die Erde bis zwei Zentimeter unter der Oberfläche noch leicht feucht an, dann aber nur noch trocken. Das Korn der Wintergerste liegt an dieser Stelle noch so da, wie es vor vier Wochen gesät wurde: Ohne Keimling, geschweige denn Spross. Das Wasser reicht auf dem lehmigen Tonboden nicht zum Keimen.
An anderer Stelle sieht es besser aus, wird beim Blick auf die Flur deutlich. Aber überall dominiert das Braun der Erde vor dem Grün der Pflanzen.
Seit Juni fehlen 165 Millimeter Niederschlag
Nach dem langen heißen und trockenen Sommer beschäftigt auch der bislang trockene Herbst die Landwirte. „Der hiesige Oktober war 2,2 Grad wärmer als das langjährige Mittel“, interpretiert Landwirt Jochen Klein die Grafik der Wetterstation Ettleben auf seinem Laptop. Bei durchschnittlichen 600 Millimeter Jahresniederschlag fehlen seit Juni 165 Millimeter. Im Oktober waren es 42 Millimeter weniger als sonst.
„Trockengare“ nennt Pflanzenbauberater Heinz-Dieter Hofmann das Phänomen, wenn sich der Boden mangels Wasser zusammenzieht und Risse zeigt – bis zu einen Meter tief. „Wie die Frostgare im Winter“, setzt der Fachmann des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt hinzu.
Für die Bearbeitung im Hinblick auf die Wintersaat eignet sich der Boden relativ gut, allerdings darf diese nicht zu tief sein. „Sonst gibt es nur Bollen“, erklärt Jochens Vater, der frühere BBV-Kreisobmann Konrad Klein.
Unkrautbekämpfung mittels Grubber
Auf dem Hof, den der 39-jährige Sohn mit ihm zusammen bewirtschaftet, wird schon seit 30 Jahren ohne Pflug gearbeitet. Stattdessen setzen die Kleins nach der Ernte zur Lockerung und Krümelung des Bodens sowie zur Unkrautbekämpfung den Grubber ein und zwar mehrmals, zugunsten von Bodenlebewesen, Bodenfruchtbarkeit und als Erosionsschutz.
Zu trocken war es nach der Getreideernte auch für die Aussaat von Raps und Zwischenfrucht. „Viele haben gar nicht gesät, viele Flächen sind wieder umgebrochen worden“, weiß Hofmann. Je nach Bodenart und Lage des Feldes ist die Zwischenfrucht nur zehn bis 20 Zentimeter hoch, teilweise lückenhaft. „Normalerweise wäre sie einen Meter hoch.“
Extremes Wetter fordert auch Reaktionen des Landwirts. Das kann das Abwarten des richtigen Zeitpunktes zum Säen sein, das können angesichts des Klimawandels eine andere Sortenwahl oder auch Offenheit für Neues sein. „Pionierarbeit“, wie es Hofmann nennt.
Sommergerste wird wie Wintergerste gesät
Denn Jochen Klein, der sich auch als Kreisvorstandsmitglied des Bauernverbandes engagiert, sät in diesen Tagen erstmals eine Sommergerste wie Wintergerste aus, also nicht im Frühjahr, sondern schon jetzt. Ein Grund ist, die Winterfeuchtigkeit zu nutzen. Ein anderer, den sehr engen Zeitraum für die Saat im Frühjahr zu umgehen. Vor allem ist es aber eine wirtschaftliche Entscheidung.
Er sät nämlich eine neue Braugerstensorte namens Leandra, eine Art Wechselgerste, also eine Sommergerste, die Minustemperaturen in geringem Maße übersteht. „Normale Winterbraugersten haben für Mälzer und Brauer nicht so gute Eigenschaften“, weiß er.
Gezüchtet wurde Leandra von der Breun Saatgut in Herzogenaurach, zugelassen wurde sie 2017 durch das Bundessortenamt. Auf ihre Verarbeitungseignung wird sie jetzt in großtechnischen Praxisversuchen geprüft.
Heimische Braugerste ist defizitär
„In Bayern ist heimische Braugerste defizitär“, erklärt der Schraudenbacher. Es gibt hier viele Brauereien und Mälzereien, die allerdings seit vielen Jahren das Getreide lieber aus Dänemark, Schweden oder Frankreich importieren würden – aus Kostengründen. Aber heuer hat es diese Länder wettertechnisch ebenfalls „sehr gebeutelt“.
„Franken war früher, bis vor 20, 30 Jahren, ein Superstandort für Braugerste“, blickt Konrad Klein zurück, „eine Hochburg“. Aber weil die Region schon immer trockener war und bei Trockenheit das Eiweiß in der Gerste steigt, was für die Mälzer mehr Aufwand bedeutet, kauften sie es anderswo. Der hiesige Anbau ging zurück.
Robuster gegen Pilzkrankheit
Die neue Sorte erlaubt es den Mälzereien, nicht nur mit geringeren Weichgraden oder kürzeren Mälzungszeiten zu arbeiten. Sie sei auch viel robuster gegen Krankheiten, vor allem dank ihres speziellen, aber natürlichen Resistenzgens gegen Rhychosporium, einer Pilzkrankheit, sagt Jochen Klein. Deshalb könne Leandra auch spät im Jahr gesät werden.
Aus seiner zweiten Berufstätigkeit als Vertriebsberater für die Firma Hauptsaaten ist Klein nah dran an Innovationen. Die neue Braugerstensorte sieht er als Chance für hiesige Anbauer, wieder wettbewerbsfähig zu werden. Am jetzigen großen Anbauversuch mit Leandra, der vom Breisgau bis nach Hof reicht, beteiligt er sich auf eigenes Risiko. Denn ein harter Winter könnte die Saat vernichten.
„Er probiert's“, zollt ihm Pflanzenbauberater Hofmann Respekt. „Er testet den Anbau für den Landkreis.“ Auch auf die Gefahr hin, dass im Frühjahr eventuell nichts gedeiht.