Eine Krebsdiagnose schockiert und ängstigt Patienten und Angehörige. „Oft sind die Angehörigen psychisch höher belastet als die Erkrankten“, sagt Doris Göb, Leiterin der Psychosozialen Krebsberatungsstelle Schweinfurt im Leopoldina-Krankenhaus.
Das wirke zunächst erstaunlich, sei aber erklärbar: Während die Patienten in die Abläufe der Diagnose und Therapie eingebunden sind, kommen sich Angehörige oft ohnmächtig und überflüssig vor. Zu Unrecht: Gerade die liebevolle Anwesenheit ihrer Nächsten ist für die Patienten eine enorme Hilfe.
Doch wie gehen Angehörige am besten mit dieser neuen belastenden Situation um? Hier bietet die Psychosoziale Beratungsstelle als Unterstützung ab 30. März eine kostenfreie Gesprächsgruppe für Angehörige von Krebspatienten an: Sie findet statt am 30. März, 20. April, 11. Mai, 1. Juni und 22. Juni, jeweils mittwochs von 14.30 bis 16.30 Uhr in der Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen in der Friedrich-Stein-Straße 28 in Schweinfurt.
Die Leitung hat die Gemeindereferentin Judith Dümler übernommen. Hier besteht die Möglichkeit, sich über Erlebnisse und Ängste auszutauschen sowie Stärken und Kraftquellen zu entdecken. Ziel ist es, den eigenen Bedürfnissen Platz zu geben und dabei auch die Krebskranken zu begleiten.
Orientierung im Gefühlschaos
Ich sprach mit der Psychoonkologin Doris Göb über ihre Erfahrungen einer bereits gelaufenen Angehörigen-Gesprächsgruppe. Zunächst befinden sich die Angehörigen auf einer oft verzweifelten Orientierungssuche hinsichtlich Umgang mit den Mehrbelastungen, hilfreichen Informationen, „richtigen“ Gesprächen mit den Betroffenen, gemeinsamen Arztgesprächen, Ratschlägen des Umfeldes und ihres eigenen Gefühlschaos.
Diese Suche nach Orientierung wird meist begleitet von einem hohen moralischen Anspruch: „Ich muss jetzt für alle und alles da sein“.
Doch wie die Patienten müssen auch die Angehörigen ihre Grenzen wahrnehmen: Was kann ich, was will ich, was tut mir gut, was mache ich sicher nicht, was überfordert mich, wo brauche ich Hilfe? Wichtig ist auch über Sorgen offen und ehrlich miteinander zu reden.
So kann sich eine Beziehung entwickeln, in der die Sorgen der Patienten und Angehörigen ihren Platz bekommen und keiner damit allein sein muss. Zu dieser Offenheit gehört auch ein gemeinsames Arztgespräch, um Unsicherheiten gegen Klarheit einzutauschen, was oft die Angst verringert.
Vorher allerdings sollte unbedingt das Einverständnis zu solch einem Dreiergespräch beim Betroffenen eingeholt werden.
Niemand kann ständig auf Hochtouren laufen.
Niemand kann ständig auf Hochtouren laufen. Eine Krebserkrankung kann sich lange hinziehen. „Durch die medizinischen Fortschritte kann Krebs zu einer chronischen Erkrankung werden“, sagt Doris Göb. Entspannungspausen sind wichtig, um neue Energien zu schöpfen. Freundschaften pflegen, Sport treiben, Spaziergänge machen, Musik hören – alles, was Angehörigen Kraft gibt, ist gut. Offen sein für die Hilfe, die von Freunden, Bekannten, Nachbarn angeboten wird.
Das Gespräch mit außen stehenden Menschen ist besonders hilfreich, wenn man den Patienten nicht mit seinen eigenen Anliegen belasten möchte: Unterstützung bieten die Beratungsstellen, Therapeuten, Sozialarbeiter und Seelsorger.
Der Alltag verändert sich während der Behandlungszeit meist beträchtlich. Aufgaben müssen neu verteilt werden, Absprachen neu getroffen werden. So sehr die Erkrankung in den gemeinsamen Tagesplan eindringt, so wichtig ist es auch, die gesunden Anteile im Auge zu behalten.
Neben der Krankheit existiert immer auch Gesundheit, es ist wichtig, das nicht zu vergessen. Betroffene und Angehörige sollten Vertrautes und lieb Gewonnenes nach Möglichkeit auch weiterhin tun.
Dies gibt dem Patienten ein Stück Normalität in all dem Chaos und verringert das Gefühl, sich selbst „fremd“ zu sein und „nur“ Veränderung zu spüren.
Die größte Gefahr in der Kommunikation zwischen Erkrankten und Angehörigen ist es, wenn sich Angehörige aufgrund von Schuldgefühlen, Wut, Verletzung oder Enttäuschung zurückziehen.
Gefühle wahrnehmen und ernst nehmen
Diese Gefühle wahrzunehmen und ernst zu nehmen, ist ein erster Schritt, um sie dann mit dem Patienten besprechen zu können. Einen wirklichen Zuhörer zu haben, Mitgefühl und vielleicht körperliche Nähe annehmen zu können, all das befähigt den Betroffenen, besser mit der Erkrankung leben zu können.
Für die Angehörigen ist es oft eine große Herausforderung, über so lange Zeit „da zu sein“ und „dabei zu bleiben“, ohne sich selber über die eigenen Grenzen hinaus zu erschöpfen.
Fragen über Fragen. „Viele Antworten können ratsuchende Angehörige in der Gesprächsgruppe finden“, sagt Doris Göb. Die Erfahrung, dass es Anderen mit ihren Sorgen und Nöten auch so oder ähnlich geht, dass man im gemeinsamen Gespräch neue Kraftquellen, Zuspruch und Informationen finden kann, macht den großen Wert einer solchen Gesprächsgruppe aus, betont die Leiterin der Krebsberatungsstelle.
Anmeldung zur Gesprächsgruppe für Angehörige von Krebspatienten bei der Psychosozialen Krebsberatungsstelle Schweinfurt, Tel. (09721) 7 20 22 90, E-Mail: krebsberatung@leopoldina.de