
Schon nach dem ersten Stück "Wir sagen uns Dunkles" hatte das Ensemble des "Nederlands Dans Theater 2" gewonnen und wurde vom Publikum im ausverkauften Theater stürmisch gefeiert. Dabei war sicher auch ein Stück Wiedersehensfreude. Wie in den Vorjahren begeisterten die jungen Tänzerinnen und Tänzer der Nachwuchs-Company auch an diesem Abend sofort mit ihrer tänzerischen Energie und ihrem tänzerischen Können, mit ihrer bezwingenden Ausdruckskraft und ihrem Enthusiasmus.
Der Choreograf Marco Goecke wählte als Titel seines neuen Werkes "Wir sagen uns Dunkles" sicher bewusst einen Vers aus dem Gedicht "Corona" von Paul Celan aus. Fast kann man dieses Gedicht ja als Leitmotiv von Celans zerrissener Liebesbeziehung zu Ingeborg Bachmann bezeichnen, die tragisch endete. Und so beginnt das Ballett mit dem Song der Rockband Placebo "To say Goodbye".
Doch Abschiednehmen im nervösen Goecke-Stil sind sich schnell auflösende Begegnungen, rasende Armbewegungen, konvulsivische Zuckungen, rätselhaftes Gestikulieren, clowneske, aber auch zärtliche Pas de Deux mit Abschiedsküssen. Ein geschickter Mix von Musik von Franz Schubert und Alfred Schnittke animieren die Tänzerinnen und Tänzer, ihren Emotionen freien Lauf zu lassen. Erschütterung, Ekstase, die Virtuosität des Tanzes steigern sich. Einige Tänzer stöhnen auf, das hysterische schrille Lachen einer Tänzerin zerschneidet die Luft. Trennungsschmerz als packendes Tanztheater.
Meisterschaft durch Klarheit und Einfachheit
"Simple Things" hat Hans van Manen eine Choreografie genannt, die einmal mehr seine Meisterschaft durch Klarheit und Einfachheit verdeutlicht. Zu "Scarlatti-Fever" von einem Akkordeon Duo messen sich zwei junge Männer miteinander, finden zu seinem Pas de Deux. Zwei Mädchen verführen sie zu einer unbeschwerten Liebelei, zu leichtsinnigen Sprüngen und kraftvollen Hebefiguren. Die Vier wandeln die klassischen Klänge in wunderschöne Tableaus der Poesie, der Harmonie und der Ästhetik um. Und in die Botschaft: Es ist eine Lust zu tanzen.
Mit einem Song der Gruppe "The Knife" stellen sich die Tänzerinnen und Tänzer der Choreografie "Sara" von Sharon Eyal und Gai Behar vor. Der Song "From off to on" erzählt von der Sehnsucht nach dem einfachen Glück: Im gemütlichen Zuhause den Fernseher "an" und "aus" stellen zu können. Doch die Tänzer erzählen einprägsam und berührend von der Realität: Von Einsamkeit, flüchtigen Begegnungen und wieder Einsamkeit.
"Sad Case" von Sol León und Paul Lightfoot, dem künstlerischen Leiter der niederländischen Company, ist ein einziger ungetrübter Spaß. Beide schrieben das Stück, als Sol León mit ihrem gemeinsamen Kind schwanger war. Dazu Paul Lightfoot: "Diese Hormone voller Lachen, Irrsinn und dem Bangen vor dem vor uns liegenden Unbekannten sind die Nabelschnur dieser Arbeit". Beide wählten dazu als Musik mitreißende Mambo-Hits von Pérez Prado. Berauscht von diesem federnden Lebensgefühl verzaubern die fünf Tänzerinnen und Tänzer "Sad Case" in eine einzige Clownerie voll skurriler Bewegungen. Sie pfeifen, lachen, lassen Hühner gackern, stehen wie ertappte Schüler mit gesenktem Kopf still im Hintergrund, während an der Rampe einzelne Spaßmacher um Aufmerksamkeit buhlen.
Nach dem turbulenten Finale fröhliche Gesichter im Publikum und auf der Bühne. Der stürmische und lange Schlussapplaus signalisiert: Bitte bald wieder kommen.