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Schweinfurt
"National Dance Company Wales" wurde  stürmisch gefeiert
Die National Dance Company Wales begeisterte mit 'Terra Firma'.
Foto: Rhys Cozens | Die National Dance Company Wales begeisterte mit "Terra Firma".
Manfred Herker
 |  aktualisiert: 20.12.2018 02:14 Uhr

Ein kontrastreicheres Programm eines Tanzabends konnte man sich kaum vorstellen. Die "National Dance Company Wales" überraschte und begeisterte bei ihrem ersten Schweinfurt-Auftritt das Publikum mit drei außergewöhnlichen und fesselnden Choreografien. Begeisterte vor allem mit dem spürbaren Engagement und der künstlerischen Gestaltungskraft der neun Tänzerinnen und Tänzer.

"Wunderbar, wieder ein Tanzabend", ruft Theaterleiter Christian Kreppel bei der Begrüßung der großen Tanzgemeinde zu. Und er verweist auf die Vielzahl der internationalen Ballettcompagnien, die seit Jahren hier in Schweinfurt ihre künstlerische Visitenkarte abgeben. Diesmal also die Company aus Wales, im Januar mit "Ailey II" Tanztheater aus New York City.

Für "Tundra" hat sich der spanische Choreograf Marcos Morau vom altertümlichen russischen Volkstanz und seinen farbfrohen Kostümen inspirieren lassen. Die Tänzer agieren in oder unter einem hellen Lichtrahmen, der schon für einen gewissen Zusammenhalt des Ensembles sorgt. Tundra ist ein liebenswürdiges poetisches Werk: Zu Beginn dreht sich eine Sängerin wie auf einer Spieldose im Kreis, bevor sich die Tänzerinnen und Tänzer in langen einfarbigen blauen Röcken und bunt bestickten Oberteilen vorstellen.

Sie scheinen über die Bühne zu schweben und auch ihre abrupten Bewegungen erinnern an mechanische Puppen. Doch dann schließen sie sich - statt in Röcken nun in bunten Hosen - zu einer Reihe zusammen. Und in dieser Formation entwickeln die Akteure eine großartige Bewegungsstudie mit synchronen und nicht synchronen Elementen. Manchmal setzt sich ein Muster wie eine Kettenreaktion mit Dominosteinen bis zum letzten Tänzer fort. Mit Händen und Armen bilden die Acht sich schlangenartig bewegende Linien, ein spektakuläres Bild für die Koordination und die Zusammenarbeit der Company: Ein einziger Körper entsteht, der zum Schluss die fallenden Schneeflocken begrüßt.

"Atalay" von Mario Bermudez Gil übersetzt anatolischen Volkstanz ins moderne Tanzvokabular. Zwei Tänzerinnen und zwei Tänzer im schwarzen Kostüm mit braunen Ledergürteln gestalten eine Tanzsuite, kurze Szenen werden durch Blackouts voneinander getrennt. Sie gestalten mit ekstatischen Bewegungen wohl eine Art Gebet oder Beschwörungs-Ritus, immer angespornt von einer vorwärts drängenden Musik aus Baglawa- und Darbuka-Klängen mit einem unbarmherzig dröhnenden Bass-Beat und kehligen Gesängen. Ein Ruhepunkt ist ein Pas de deux zweier Männer, der zwischen Liebe, Hingabe, Abwehr und Trost wechselt.

Die größte Überraschung dann mit "Folk" von der Choreografin Caroline Finn, die längere Zeit als Tänzerin auch in Deutschland arbeitete. Doch das Werk zeigt mehr als den Caroline Finn zugeschriebenen schwarzen Humor. Er zeichnet vielmehr ein tänzerisches Psychogramm von neun zutiefst verstörten und gestörten Menschen - aus der Normalität gefallen wie der riesige Bühnenbild-Baum, dessen Wurzeln in der Luft hängen. Alle Verhaltens-Kennzeichen von Insassen einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt nehmen hier Gestalt an: Etwa Unkoordinierte Bewegungen und Schreie, Sprechen und Gestikulieren mit Unsichtbaren, Grimassieren - jeder macht hier sein Ding.

Zu dieser beklemmenden Studie des Wahnsinns erklingen "schöne Klänge": Etwa die Barcarole von Jacques Offenbach, der Sirtaki "O Zorbas" oder die Cello-Kantilene aus dem "Moonlight-Waltz" von Adam Hurst. Doch diese harmonische Musik hindert die Gruppe nicht an einem unheimlichen kollektiven Gelächter, begleitet von einem stampfenden Beat. Danach kriechen die Tänzer wie verwundete Tiere von der Bühne ins Dunkel. Im Finale vereinigen sich alle - wie schon zu Beginn - zu einem "Tableau vivant". Caroline Finn: "Ich hatte meine Tänzer gebeten, im Museum Gemälde des 17. und 18. Jahrhunderts zu studieren, um sie dann im Stück nachstellen zu können".

Beim Schlussapplaus entpuppen sich die vom Wahnsinn geschüttelten Wesen als junge lachende Tänzerinnen und Tänzer. Für ihre großartige Leistung werden die Gäste aus Cardiff mit langem Applaus und Begeisterungspfiffen stürmisch gefeiert.

 
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