Was "mikro" und damit winzigklein ist, hat derzeit ein schlechtes Image - von der Mikrobe in der Aerosolwolke bis zum Mikroplastik in den Weltmeeren. Dabei könnten fürs bloße Auge unsichtbare Werkstoffe in Zukunft dazu beitragen, unseren lädierten Planeten wieder ein klein wenig lebenswerter zu gestalten. "Man hat das Plastik- und Giftproblem bisher immer als ein Thema der Moral behandelt. Dabei ist es eine Frage der Innovation: Es geht darum, bessere Materialien zu entwickeln." Dieses Zitat von Prof. Dr. Michael Braungart, Fachmann für Ökodesign, hat Lukas Dellermann seiner Seminararbeit vorangestellt, unter dem flotten Titel "Einfluss von nanoskaligen Additiven auf die Eigenschaften von Kunststoffkompositen".
Größenverhältnis wie eine Haselnuss zur Erdkugel
Mit diesem Projekt hat der 18-jährige Schüler des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums den landesweiten Nano-Wettbewerb 2020 gewonnen. Zum 14. Mal hatte das "Nanonetz Bayern e.V." Schulen zum Experimentieren in die Welt der Zwerge eingeladen. "Nano" (griechisch "Zwerg") meint für Chemiker und Physiker alles, was wirklich sehr klein ist. Ein Nanometer verhält sich zu einem Meter ungefähr wie die Größe einer Haselnuss im Verhältnis zur Erdkugel: ein Zauberreich nahe der Welt der Atome, in dem teilweise eigene, quantenphysikalische Gesetze gelten - und die Oberfläche der Partikel im Verhältnis zu ihrer Masse besonders groß ist, was Nanozusätzen besondere Eigenschaften verleiht. Sie könnten die Lebensdauer von Kunststoffen verlängern, ist Lukas Dellermann überzeugt - und damit weltweit zur Müllvermeidung beitragen.
Weißes Pulver - fast wie Mehl in der Weihnachtsbäckerei
Der Grettstädter Tüftler, der die Klasse Q12 besucht und im nächsten Jahr zum Abitur antritt, hat sich im letzten Schuljahr mit "Nanoadditiven" beschäftigt, unterstützt durch Seminarlehrer Dr. Rainer Dietrich und Chemie-Fachbetreuer Frank Baier, der den MINT-Bereich an der Schule koordiniert: Mathematik, Naturwissenschaften, Informatik und Technik. Ziel war es, Kunstharz-Scheiben im Teelicht-Format besondere Härte und Zugfestigkeit zu verleihen. Lukas Dellermann setzt dem Harz fein abgewogenes Nano-Aluminiumoxid-Pulver zu, schlicht gesagt, "verbranntes" Aluminium. Das weiße Puder sieht auf den ersten Blick eher nach Weihnachtsbäckerei als nach High-Tech-Labor aus: Gerade weil Nanopartikel so winzig klein sind, haften sie gerne aneinander. Also werden sie durch ein haushaltsübliches Küchensieb ins Harz befördert, das wiederum auf einem Magnetrührer rotiert, einem Mixer für Laborzwecke. "Es ist ja wie beim Kuchenbacken" zitiert Lukas den Schuleiter, Klemens Alfen.
Verwendet werden Partikel in der Größe von 13 oder 40 Nanometern, wobei das Hauptproblem besagte Neigung zur "Agglomeration" ist, zum Klumpen. Für den rötlichen Farbton sorgt ein Härtemittel. "Etwa fünf Prozent Aluminiumoxid-Anteil macht das Harz am stabilsten", hat der Gymnasiast herausgefunden. Die Härte und Elastizität des "Nano-Alu-Harzes" wurde dann mit Kugelfallversuchen getestet. Eine Stahlkugel fiel aus verschiedenen Höhen auf die Scheiben. Einen Aufprall aus etwa 60 Zentimeter Fallhöhe hält das Harz maximal aus. Solche Materialien könnten zum Beispiel für Automobil-Zulieferer interessant werden.
Zuletzt durfte Lukas am SKZ, dem "Süddeutschen Kunststoffzentrum" in Würzburg, Zug-Experimente mit dem Material durchführen, in Stangenform, es mit dem Rasterelektronen-Mikroskop unter die Lupe nehmen – und einen Blick auf die Verteilung der "Zwerge" im Harz werfen. Ganz nebenbei bewies der Laborant, dass der "rollierende Unterricht" 2020 auch seine guten Seiten hatte, beim Frühjahrslockdown, als an Bayerns Schulen abwechselnd im Klassenzimmer und zuhause gebüffelt wurde. Lukas Dellermann hatte so alle zwei Wochen das Schullabor für sich. Statt einer offiziellen Preisverleihung gab es im Coronajahr die Möglichkeit, das Projekt im Video vorzustellen. Die Urkunde hat Prof. Dr. Alfred Forchel unterschrieben, Präsident der Uni Würzburg und Vorsitzender des "Nanonetz Bayern".
Das Experiment selbst beruht auf der Idee eines Experten der Uni Braunschweig. Das Humboldt hat sich schon öfters mit Nano-Technik befasst. Frank Baier erinnert an die Herstellung von blauem Silber und violettem Gold (in winzigen Spuren). Beim 11. Nanowettbewerb wurde ein AvH-Beitrag von Nanopartikeln in Sonnencreme prämiert. Fest steht, dass Lukas Dellermann der Forschung wohl auch nach dem Abi treu bleiben wird, getreu der alten Erkenntnis "Die Franken sind gerade im Kleinen groß".