Nach dem Ausnahmejahr 2013 mit Landesausstellung, Sammlung Gunter Sachs und Mainbühne kehrt der Schweinfurt Nachsommer 2014 sozusagen wieder zum Alltag zurück: Eine Mainbühne wird es bis auf Weiteres nicht mehr geben, dafür steht die Kunsthalle wieder als Veranstaltungsort zur Verfügung, wie Oberbürgermeister Sebastian Remelé bei der Vorstellung des Programms erläuterte.
Zwei Termine des frühherbstlichen Festivals werden denn auch dort stattfinden. Mit dem Pianisten Francesco Tristano kommt am Freitag, 26. September, ein Grenzgänger im wörtlichen Sinne: Tristano, 32 Jahre alt, bei der altehrwürdigen Deutschen Grammophon unter Vertrag, bewegt sich mühelos zwischen Klassik, Pop und Moderne und lässt schon mal eine Eigenkomposition in ein Stück von Frescobaldi übergehen. Die „Zeit“ schrieb über ihn: „Er lässt das grauhaarige Publikum aufhorchen, ohne es zu verstören, und er lockt junge Zuhörer an, die noch nie einen Konzertsaal von innen gesehen haben.“ Auf seinem DGG-Debüt kombinierte er Bach und Cage. In der Kunsthalle wird er zusätzlich die Möglichkeiten des Raumes nutzen: Eine Lichtinstallation wird die Musik begleiten und ergänzen.
Francesco Tristano begann im Alter von fünf Jahren mit dem Klavierspiel, bereits mit 13 gibt er sein erstes Konzert mit eigenen Kompositionen. Nach dem Studium an der Juilliard School in New York durchläuft er die Konservatorien in Brüssel, Riga, Paris und Luxemburg. Neben Solo- und Orchestertourneen gründet er eigene Kammermusikensembles und kollaboriert mit bekannten Musikern der Techno-Szene. 2007 erschien das Album „Not for Piano“, auf dem er mittels stilistischer Anleihen bei Klassik und Minimal Music eigene Versionen von Techno-Klassikern für Piano solo präsentiert. Genauso spielte er aber von der Kritik hoch gelobte und ausgezeichnete Alben mit Bachs Goldberg-Variationen sowie das pianistische Gesamtwerk Luciano Berios ein.
Greg Pattillo's Project Trio aus New York eröffnet am Samstag, 6. September, in SKF Halle 410 den Nachsommer. Die Besetzung ist ungewöhnlich aber effektiv: Querflöte, Cello und Kontrabass. Mehr braucht es nicht, um den Sound eines Kammerorchesters beziehungsweise einer Band zu produzieren. Die Musiker sind bei Bach und Beethoven ebenso zu Hause wie in den Welten des Jazz und des HipHop, wobei vor allem die beatboxende Flöte von Greg Pattillo für den Groove sorgt.
Das umfangreiche Repertoire des Project Trio beinhaltet Originalkompositionen und eigene Arrangements von Komponisten wie Beethoven, Tschaikowski, Bach, Thelonius Monk, Charles Mingus und Duke Ellington genauso wie Jethro Tull oder Guns’n’Roses.
Die drei klassisch ausgebildeten Musiker spielen über 70 Konzerte weltweit im Jahr, Tourneen führten sie nach Europa, Australien und Asien. Sie arbeiten mit großen Orchestern zusammen und konzertieren regelmäßig bei internationalen Festivals. Nach einem Konzert in Deutschland schrieb die Augsburger Allgemeine: „Greg Pattillo spielte virtuos und variantenreich eine grundsolide Querflöte, darüber tanzte, jubelte, schluchzte, fetzte, jaulte und jazzte der elektrisch verstärkte, auch mal verzerrte Bass von Peter Seymour ebenso wie das Cello von Eric Stephenson. Was die studierten Musiker aus New York mit diesem Kunstwerk der Schöpfung klanglich zustande bringen, war ebenso verblüffend wie hörgenüsslich.“
Erste Live-Kostprobe des neuen Programms waren Les Brünettes aus Deutschland, eines der wenigen A-Cappella-Ensembles Europas. Das Quartett ist am Donnerstag, 11. September, in Halle 410 zu Gast. Juliette Brousset, Stephanie Neigel, Julia Pellegrini und Lisa Herbolzheimer zeigen ihre Vertrautheit mit dem Erbe etwa der Andrew Sisters, haben aber längst ihren eigenen Stil gefunden. Sie singen Close Harmonies ebenso selbstverständlich wie sie Chansons adaptieren. Ihr neues Album widmet sich großen Künstlerinnen wie Nina Simone, Edith Piaf, Aretha Franklin oder Joni Mitchell. Vorab bezauberten die vier unter anderem mit einer afrikanischen Version von „Die Gedanken sind frei“.
Dass ihre Musik dabei auch eine melancholische Note besitzt, quittieren die Frauen mit einem Nicken: „Beim Singen setzen wir vier viele verschiedene Gefühle frei. Und ein Quäntchen Schwermut gehört zum Leben dazu. Die Melancholie verzaubert uns durchaus selbst – und so auch das Publikum.“ Mal warm und zärtlich, mal kess, mal voller Leidenschaft präsentieren sie ein breites Repertoire aus jazzigen Stücken, souligen Popsongs, Eigenkompositionen und für sie arrangierte Standards.
Neu beim Nachsommer ist das Format junge Bühne unter dem Logo „im:puls“. Hier sollen Newcomer, die schon eine starke, eigene Sprache gefunden haben, zu Wort kommen, so Programmchef Clemens Lukas. Am Freitag, 12. September, wird dies das Trio Three Fall sein, das mit Tenorsaxofon beziehungsweise Bassklarinette, Posaune und Schlagzeug interessant aufgerauten, tanzbaren Jazz zwischen Bebop und Balkan-Beats spielt.
Trotz der Besetzung lässt die Spielweise des Drummers nie einen Bass vermissen, und die beiden Bläser spielen sich gekonnt die prägnanten Melodiekürzel und Bläser-Riffs zu. Zwischen ihre originellen Eigenkompositionen haben sie überraschende Bearbeitungen aus Rock und Pop gestreut: Diesmal sind es Stücke von Rage Against The Machine, Nirvana und Coldplay. Außerdem arbeiten sie mit elektronischen Effekten, aber so geschickt, dass es nicht künstlich, sondern handgemacht klingt.
Traditionellen Son Cubano spielen Soneros de Verdad am Samstag, 13. September, in Halle 410. Die Band um die Sänger Luis Frank Arias und Mayito Rivera pflegt das musikalische Erbe der Karibikinsel mit authentischem und vitalem Zugriff. Der traditionelle Son entwickelte sich durch die Verschmelzung von afrokubanischen Trommelrhythmen und der Gitarrenmusik spanischer Farmer; seine Wurzeln reichen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Anfang des 20. Jahrhunderts gelangte der Musikstil in die Hauptstadt Havanna, von hier aus trat er dann seinen Siegeszug um die ganze Welt an. Die Soneros der Verdad gehören nun der zweiten Welle des Son an, der nach Wim Wenders‘ Film „Buena Vista Social Club“ vor allem im Ausland wieder auflebte. Sie mischen ihre Musik aber mit anderen Stilen, etwa mit Jazz- oder Bolero-Elementen. 2003 erhielten sie so den German Jazz Award.
Den Perkussions-Programmpunkt übernimmt diesmal das Schweizer Duo Bubble Beatz, und zwar am Donnerstag, 18. September, in Halle 410. Lukas verspricht „eine trashige Veranstaltung“: Kay Rauber und Christian Gschwend trommeln vor allem auf Altmetall. Das „Gegenkonzept zum Schweizer Bankgeheimnis“ (Lukas) dürfte sich denn auch mühelos akustisch gegen die Großstanze nebenan durchsetzen. Nachdem Bubble Beatz über zehn Jahre lang in der Schweiz, in Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien aufgetreten sind, bei renommierten Festivals wie dem Montreux Jazz Festival, dem Open Air St. Gallen oder dem Fusion zu Gast waren und auch im TV eine überaus gute Figur gemacht haben, schicken sie sich nun an, den fernen Osten zu erobern.
Etwas feinsinniger wird es wohl am Freitag, 19. September, in Halle 410 zugehen. Nils Wülker ist längst einer der Großen der Jazzszene, unverkennbar der sehr dunkle, warme Klang seiner Trompete beziehungsweise seines Flügelhorns. Er kommt mit der Band, die er nach dem Weggang von Sony Music nach und nach zu seinem Wunschensemble formiert hat. Manchmal wundert sich Nils Wülker vielleicht selbst über den Weg, den ihn seine Musik hat gehen lassen, denn eigentlich deutete anfangs wenig auf eine rasante Karriere hin: Klavierunterricht mit sechs Jahren, klassische Trompete mit zehn – Musik als ein Hobby unter vielen, ohne gesteigerte Ambitionen, ohne großes Interesse der Eltern. Doch dann öffnet ihm die Acid-Jazz-Welle der 90er-Jahre während eines USA-Aufenthalts die Augen und Ohren, Miles Davis‘ epochales Album „Kind of Blue“ wird zu seinem persönlichen Erweckungserlebnis. Trompete kann nach mehr klingen, nach viel mehr, als er je erwartet hätte. Diese Erkenntnis führt Wülker binnen weniger Jahre über Jazzorchester, eigene Bands und unzählige Clubkonzerte zum Studium an die Musikhochschule Hanns Eisler in Berlin. Noch bevor er diese 2002 erfolgreich verlässt, unterzeichnet er als erster deutscher Jazzmusiker einen Vertrag beim großen Plattenlabel Sony. Nach zwei Alben entscheidet er sich aber für einen anderen Weg und gründet 2005 sein eigenes Label Ear Treat Music.
Das Quartett Salut Salon spielte 2011 schon mal vor ausverkaufter Halle. Nun sind die vier Damen – zwei Geigen, Cello und Klavier, dazu Gesang und ein wenig Comedy – am Samstag, 20. September, mit ihrem Programm „Nacht des Schicksals“ im Konferenzzentrum zu Gast. Auf der einen Seite spannen sie einen Bogen von der Melancholie des Tangos über die Leichtigkeit eines slawischen Tanzes bis hin zum „Danse Macabre“ im Schattenreich zwischen Leben und Tod. Auf der anderen Seite gibt es anstatt dem „Hummelflug“ die „Grüne Hornisse“ von Billy May aus Tarantinos Filmklassiker „Kill Bill“; Nino Rotas „Improvviso in re minor“ erinnert an die Fänge der Mafia und die Brasiliera aus Darius Milhauds Suite „Scaramouche“ bringt südamerikanische Rhythmen. Zigeunermusik, Folk, Pop und eigene Chansons – Salut Salon sorgen für musikalisch neue Verbindungen und überraschende Begegnungen.
Den Abschluss macht am Samstag, 27. September, in der Kunsthalle Lisa Bassenge, Jazzsängerin und Komponistin, mit Band und ihrem Programm „Wolke 8“. Bassenge bewegt sich zwischen Jazz, Pop und Chanson, wobei vor allem die deutschen Texte von großer Qualität und Bedeutung sind, Koautor ist immerhin der Schriftsteller Thomas Melle. Jazz, Blues, Pop, Rock, Chanson ergeben einen speziellen, stark wiedererkennbaren Sound, über dem ihre Stimme – „the jazz voice of Berlin“ (Hamburger Abendblatt) – ihren ganz besonderen Zauber entfaltet. Ihre Musik ist im Trend, aber zum Glück nicht Mainstream. Unnachahmlich ist die Art, wie sie die Stile, Cover und Eigenkompositionen leicht miteinander verbindet.
Der Nachsommer 2014
Samstag, 6. September | 19.30 Uhr | SKF Halle 410 | Greg Pattillo's Project Trio
Donnerstag, 11. September | 19.30 Uhr | SKF Halle 410 | Les Brünettes
Freitag, 12. September | 19.30 Uhr | SKF Halle 410 | Three Fall
Samstag, 13. September | 19.30 Uhr | SKF Halle 410 | Soneros de Verdad
Donnerstag, 18. September | 19.30 Uhr | SKF Halle 410 | Bubble Beatz
Freitag, 19. September | 19.30 Uhr | SKF Halle 410 | Nils Wülker & Band
Samstag, 20. September | 19.30 Uhr | Konferenzzentrum Maininsel | Salut Salon
Freitag, 26. September | 19.30 Uhr | Kunsthalle | Francesco Tristano
Samstag, 27. September | 19.30 Uhr | Kunsthalle | Lisa Bassenge Karten zwischen 16 und 38 Euro ab sofort im Vorverkauf beim Schweinfurter Tagblatt, Schultesstraße 19 a, und Main-Post, Plattnerstraße 14, Würzburg; Tel. (09 31) 60 01 60 00 oder ticketservice.mainfranken@mainpost.de. Karten können abgeholt oder per Vorauskasse versandt werden.