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SCHWEINFURT
Nach 350 Jahren: Pelz Drescher macht dicht
Hannes Helferich
Hannes Helferich
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:07 Uhr

Die Wurzeln der von Jean Drescher Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten Firma reichen weit zurück. Bereits 1654 nennt eine Chronik das Geschäft als Kürschnerei. Seither ging das Gewerbe immer vom Vater auf den Sohn über. Die Geschichte der damit wohl ältesten Schweinfurter Firma endet jetzt aber. „Drescher Pelze“ schließt die Türen „ums Jahresende herum“.

Jens Drescher: Die Entscheidung ist schwer gefallen

So hat es der heutige Chef Jens Drescher im Gespräch mit der Redaktion formuliert, in dessen Verlauf er mehrfach ausdrückte, dass der Familie „diese Entscheidung sehr schwer gefallen ist“. Die Umsatzentwicklung habe keine andere Wahl gelassen. Pelze und Leder Drescher in Würzburg wird von Bruder (Jo)Achim mit künftiger Unterstützung von Jens Drescher weiterbetrieben.

Die Dreschers waren immer „nur“ Kürschner. Auch Jean Drescher, der Ende des 19. Jahrhunderts „das Handwerkliche mit dem Handel verband“, wie Jens Drescher die Gründung eines Ladengeschäfts durch den Urgroßvater im schon eigenen Haus Keßlergasse 8 beschrieb. Durch Heirat der ebenso verwitweten Nachbarin kam die Keßlergasse 10 hinzu.

Der Tradition entsprechend übernahm Sohn Otto (geboren 1895) in den 1920ern „in schweren Zeiten“ die Leitung. In den 1950ern folgte dessen Sohn Hansgeorg, der vor wenigen Tagen 82-jährig verstorbene Vater von Jens Drescher. Mit Hansgeorg und seiner aus dem Druckhaus Weppert stammenden Frau Evelyn (Heirat 1961) ging es gut voran. Die Zukunft zu sichern, entschieden sich die Eheleute 1984 zur Eröffnung einer Filiale in Würzburg, um die sich Evelyn Drescher kümmerte.

Auch die beiden Söhne Jens und Achim sind Kürschnermeister geworden

Es gab ja längst zwei Nachfahren, (Jo)Achim, 1963 geboren,und Jens, 1967. Beide erlernten – natürlich – das Kürschnerhandwerk. „Unser Schicksal war vorbestimmt, aber wir wurden nicht hineingedrängt“, sagt Jens Drescher. Achim managte mit der Mutter Würzburg, das Schweinfurter Tandem bildeten Jens und der Vater. „Wir waren immer Partner und Freunde“, beschreibt Jens das Verhältnis der Söhne zu den Eltern.

1995 absolvierten die Brüder gemeinsam die Meisterprüfung, berufsbegleitend studierten sie, Achim ist Diplom-Kaufmann, Jens Diplom-Betriebswirt. In Würzburg lief es so gut, dass man aus der zu klein gewordenen Schustergasse in die Eichhornstraße wechselte (ehemals Café Pöschel). Dort, wo die Mutter trotz ihrer 79 Jahre „immer noch im Laden stand“, geht es weiter, künftig mit den Brüdern Seite an Seite.

Ein ganzes Bündel an Gründen sorgte für die Umsatzrückgänge

Jens Drescher nennt ein Bündel Gründe, die die Schließung in der Gründerstadt unumgänglich machten. Der Pelz-Kauf sei im wahrsten Wortsinn aus der Mode, Junge fragten das Produkt nicht mehr nach, in Schweinfurt mehr. Zweitens: „Die Veränderung der Stadtstruktur, die wiederum das Konsumverhalten verändert hat“, sagt Drescher und meint die Flächenmehrung auf der grünen Wiese und durch die ECE.

Drittens das „anfangs belächelte Internet, das freilich auch ohne Stadtgalerie gekommen wäre“, aber familiengeführte Firmen vernichte. Verändert habe sich auch die Bewohnerstruktur. „Hochwertiges Leder geht in Würzburg, in Schweinfurt nicht“. Und: Statt ein Kleidungsstück zu reparieren, „wird heute lieber weggeworfen“, Nachhaltigkeit spiele leider keine allzu große Rolle.

Die Entscheidung, zu schließen, sei ein langer Prozess gewesen, Mutter und der nun gestorbene Vater hätten sie aber mitgetragen. Die Mitarbeiter, vier Kürschner in der Werkstatt, vier im Verkauf, habe man früh informiert, um sich neue Jobs zu suchen. „Keiner steht auf der Straße, das war meinem Vater wichtig“.

Engagement beim Einzelhandelsverband wird aus Satzungsgründen wohl enden

Jens Drescher sitzt an verantwortlicher Stelle im Einzelhandelsverband und bei „Schweinfurt erleben“. Macht er da weiter? Im Handelsverband werde er aus Satzungsgründen wohl aufhören, ein Vakuum entstehe durch die Doppelspitze mit dem Schuhhändler Axel Schöll nicht.

Das Vorstandsamt in der Werbegemeinschaft will er behalten, weil „ich nach wie vor an die Innenstadt glaube“. Sie müsse sich gleichwohl verändern, tue das auch schon. Die Spitalstraße etwa entwickle sich zur Gastromeile, das biete der Kesslergasse die Möglichkeit, zur Laden-Passagen zu werden. Das City-Management mache einen „guten Job“, müsse sich aber auf den Leerstand konzentrieren. Warum nicht Mode- oder sonstige Start ups für wenig Miete eine Zeit lang einen heute leeren Laden zum Testen überlassen?

Jens Drescher erinnert, dass er Schweinfurter mit Herz für die Innenstadt ist, in der Stadt wohnen und leben bleibt und mithelfen will, dass es in der City wieder besser wird. Ideen habe er einige. Richtig, er selbst habe sein Geschäft geschlossen. Das aber sei wegen der Umsatzrückgänge nötig gewesen: „Ich bin Kürschnermeister, aber auch Kaufmann“. Der Schlussverkauf beginnt noch diese Woche.

Die Wurzeln der von Jean Drescher Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten Firma reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück. Die Geschichte der damit wohl ältesten Schweinfurter Firma endet jetzt aber.
Foto: Archiv Drescher | Die Wurzeln der von Jean Drescher Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten Firma reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück. Die Geschichte der damit wohl ältesten Schweinfurter Firma endet jetzt aber.
Im Bild Otto und Margarete Drescher, die in den 1920er Jahren die Verantwortung übernahmen.
Foto: Archiv Drescher | Im Bild Otto und Margarete Drescher, die in den 1920er Jahren die Verantwortung übernahmen.
Jens Drescher, der heutige Chef der Firma Drescher.
Foto: Hannes Helferich | Jens Drescher, der heutige Chef der Firma Drescher.
 
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  • Arcus
    Naja, für die, die Pelze haben wollen bleibt ja noch der Laden in Würzburg
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  • Wieder ein Traditonsgeschäft in Schweinfurt weniger. Irgendwann wird die Innenstadt mit jeder anderen gleich sein. Nur noch Ketten bekannter Unternehmen. Imbissgeschäfte, Handyläden und noch paar Banken. Wenn es um Pelze geht, dann würden aber viele Klamottenläden auch nicht betreten werden, wo die meisten Sachen aus Billiglohnländern kommen. Es gibt auch Kunstpelze.
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  • flyarcus@gmx.de
    Mein Mitleid hält sich in Grenzen.... Mit dieser Quälerei von Tieren sollte längst Schluss sein...Wer Pelz trägt, sollte sich ansehen wo er herkommt und wie er dem Tier entnommen wurde...zu jedem Pelz das Herstellervideo als Etikett
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  • hgoetz
    Es geht hier auch um Arbeitsplätze - da hält sich wohl Ihr Mitleid auch in Grenzen? Nach dem Motto: Selber schuld, wenn man in so einem Laden arbeitet. Wie würden Sie argumentieren, wenn Ihr Arbeitsplatz betroffen wäre? Ich bin übrigens weder verwandt noch befreundet mit den Inhabern.
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  • flyarcus@gmx.de
    Natürlich hält sich da mein Mitleid in Grenzen.....Schluss mit Blutgeld!
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