Henriette und Günter Fuchs haben es geschafft – sie sind in Shanghai angekommen. Nach 54 Tagen, neun Ländern und 18 404 Kilometern ist die Silk-Road-Rallye von Istanbul bis in die Millionenmetropole geschafft. Der treue Oldtimer, ein Volvo Amazon, ist bereits wieder auf dem Weg in die Hambacher Heimat. Zum letzten Mal berichtet das Paar per E-Mail von seiner außergewöhnlichen Reise.
Bevor die Fuchsens in Shanghai den Triumph feiern konnten, lagen noch etwa 2000 Kilometer vor ihnen, zuletzt hatten sie sich aus Xining gemeldet. In Lanzhou am „Gelben Fluss“ erlebten die Hambacher die berüchtigte chinesische Luftverschmutzung live mit. Die 3,3-Millionen-Stadt gilt als eine der weltweit smog-verseuchtesten Städte. „Staub, Schmutz und Smog schaffen eine mitunter etwas triste Atmosphäre“, fassen die Fuchsens zusammen.
Zwischen den Metropolen beobachteten Henriette und Günter Fuchs dagegen ursprüngliche Szenen. „Die Felder werden immer noch mit Ochs und Esel bewirtschaftet und man glaubt wirklich, die Zeit ist stehen geblieben“, schreiben die Rallyefahrer.
Vieles ist eben ganz anders, die Essensgewohnheiten bekanntlich auch. Auch schon beim Frühstück. In China gebe es „kaltes oder warmes Gemüse aus Lotoswurzeln, Bohnen, Paprika, Pilze, süßes Weißbrot, Dampfnudeln, Spiegeleier, eingelegte Eier und so weiter“. Der Toaster sei in der Regel restlos überfordert, wenn mindestens 35 Europäer einen einigermaßen essbaren Toast zum Frühstück wollten. „Überrascht sind wir, dass viele Chinesen beim Frühstück Messer und Gabel benutzen.“ Die Reiseführerin erklärte es den Hambachern mit der „neuen westlichen Mode“.
Staunen ließ die Abenteuerer auch die Tatsache, dass Kleinkinder kaum Windeln tragen. Stattdessen gebe es Hosen, die vorne und hinten bis zum Bund offen sind. Außerdem kutschieren die Chinesen ihre Kinder nicht im Kinderwagen, sondern tragen sie nah bei sich auf dem Arm. Die Fuchsens überlegen: „Das heißt, dass die Eltern eigentlich wissen müssen, wann ihre Sprösslinge müssen müssen, denn sonst haben sie das Malheur auf dem Arm.“ Doch die Warnsignale der Kinder blieben für die europäischen „Langnasen“ verborgen.
Nach dem Aufenthalt in Tianshui steuerten die Hambacher dann den Endpunkt der früheren Seidenstraße an: Xi'An. Heute ein Wirtschaftszentrum und vor allem weltbekannt für ein „archäologisches Weltwunder“. Bei Xi'An entdeckten zwei Bauern 1974 beim Ausschachten eines Brunnens für eine Granatapfelplantage zufällig die Terrakotta-Armee. Später gruben chinesische Archäologen in der Umgebung vier unterirdische Schächte aus, die auf insgesamt 20 000 Quadratmetern mehr als 7000 Terrakottasoldaten, 600 Tonpferde, 100 hölzerne Kriegswagen sowie bronzene Waffen enthielten.
Alles lief soweit glatt, bis die Rallyetruppe auf dem Weg nach Luoyang noch einmal Improvisationstalent beweisen musste. Der Treck geriet unverhofft in einen Stau auf der Autobahn, der fast nur aus Lastwagen bestand. „Wie wir später erfuhren, meiden Autofahrer wegen der vielen Lkw-Unfälle diese Strecke“, erzählen die Hambacher. Liu, der Reiseleiter, brachte die Lkw-Fahrer dazu, eine schmale Schneise zu bilden. Nach etwa drei Stunden Wartezeit zwängten sich die Fuchsens in ihrem Oldtimer vorsichtig durch das Nadelöhr. Einige Rallyekollegen, die weiter hinten standen, schraubten schließlich Teile der Leitplanken ab (und später wieder an), liehen sich von einem Autotransporter die schweren Auffahrrampen aus und bauten eine Brücke über den Graben am Fahrbahnrand. Über einen Feldweg erreichten sie die Landstraße.
In Luoyang wurde der Treck schließlich auf einem Parkplatz vor einem riesigen Einkaufszentrum von über 1000 Menschen, Rundfunk, Fernsehen und Presse begeistert begrüßt. Auch beim Ausflug am nächsten Tag folgte die Presse den Deutschen, der Dolmetscher hatte einiges zu tun. Über Dengfeng, Bengbu und Nanjing ging es in den nächsten Tagen bis nach Wuxi, dem vorletzten Etappenziel. Je näher sie dem Ziel Shanghai kamen, desto größer wurde der Rummel um die deutschen Oldtimer-Fans. In Wuxi wurden alle Ampeln auf Grün geschaltet, jede Kreuzung noch mit Polizei gesperrt, so dass der Treck durch die ganze Stadt freie Fahrt hatte, und zwar den ganzen Tag. Bei einem Ausflug auf einem Schiff „wurden wir von einer Vielzahl von ,Paparazzi‘ auf einem eigenen Schiff verfolgt.“
Dann der große Tag: Begleitet von den Mitgliedern des Harley-Clubs und dem Oldtimer Motorrad-Club Shanghai erreichten die Fuchsens nach 53 Tagen endlich Shanghai. „Ein beeindruckendes Meer aus Wolkenkratzern breitete sich vor uns aus. Ein letztes Mal wurden die Motoren zum Dröhnen gebracht, bevor wir auf dem Platz vor unserem Hotel in Shanghai durch den Zielbogen fuhren“, schreiben die Hambacher. Ein unglaubliches Gefühl sei das gewesen, manch einer kämpfte mit den Tränen. Der Generalkonsul der Schweiz lud die Abenteuerer zu sich ein.
Am nächsten Tag dann der Abschied vom Volvo. Der steht nun in einem Container auf einem Frachter in Richtung Rotterdam. Fünf Wochen dauert die Reise. Für Günter Fuchs stand dann die schlimmste Etappe noch bevor – der Heimflug. Aber „es gibt ja Valium-Tropfen“, erzählen die Fuchsens. Beseelt von ihrem Abenteuer beenden die Hambacher ihre letzte Mail: „DANKE! DANKE! DANKE!“
Henriette und Günter Fuchs aus Hambach nehmen mit ihrem Volvo Amazon P 121, Baujahr 1969, an der Silk-Road-Rallye von Istanbul nach Shanghai für Oldtimer teil: 12 500 Kilometer, sechs Länder in 56 Tagen – von der Türkei geht es über Russland, Kasachstan, Usbekistan und Kirgistan bis nach China. Die Strecke folgt einer der Routen der historischen Seidenstraße. Blogs von weiteren Teilnehmern unter www.classiccarevent.com