
Die Sanduhr ist gnadenlos. Körnchen für Körnchen rinnt der rosafarbene Sand durch ihren engen Hals vom oberen in den unteren Glaskolben. Sein Rieseln steht symbolisch für die letzten Momente der 1471-tägigen Amtszeit von Christine Dittmeier als Gerolzhöfer Weinprinzessin. Doch so gnadenlos die Sanduhr auch ist. Sie ist glücklicherweise doch ein wenig manipulierbar. Christine legt sie kurzerhand um. Und gewinnt somit Zeit, um die zurückliegenden vier Jahre Revue passieren zu lassen.
Der Beamer wirft einen bunten Bilderbogen an die Wand. Lebendige Erinnerungen. Christine beim Tänzchen mit dem damaligen Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee. Christine mit dem Komödianten-Duo Heißmann und Rassau. Christine bei der Einweihung der 4D-Achterbahn im Freizeitland Geiselwind. Christine mit „unserem Horschti“, Ministerpräsident Horst Seehofer. Christine mit Ex-Fußballstar Klaus Fischer auf dem Baumwipfelpfad im Bayerischen Wald. Christine als Hobby-Model auf dem Laufsteg.
Und natürlich Christine im Kreise ihrer Amtskolleginnen und Symbolfiguren bei zahlreichen Gelegenheiten landauf, landab: Weinfeste, Empfänge, Galas, Weinbergswanderungen, Barockfeste, Inthronisierungen und, und, und. Viele Freundschaften sind so entstanden. Das dokumentieren nicht zuletzt die 17 aktiven oder ehemaligen Weinrepräsentanten, die zur Verabschiedung ihrer Mitstreiterin gekommen sind und ihr ein Ständchen bringen.
15 000 Kilometer mit der Krone
Doch dann muss auch Christine die Sanduhr weiterlaufen lassen. Die Zeit verrinnt. Schließlich ist es an „Markgraf Gerold“ Peter Popp, ihr die Krone abzunehmen und auf das bereits wartende, bordeauxrote Kissen zu legen. 15 000 Kilometer ist sie mit Christine durch ganz Deutschland gereist, zu 300 Terminen hat sie sie dabei begleitet. Die tollsten Momente seien dabei die insgesamt 16 Tage ihres eigenen Weinfestes gewesen, sagt Christine. Aber auch ihr Besuch im Kindergarten ist ihr in Erinnerung geblieben und, wie vier kleine Racker sie schließlich mit sanfter Gewalt am Fortgehen hinderten.
Beharrlich wie diese Kinder konnte auch Christine sein. Daran erinnert Beate Glotzmann, die Leiterin der Tourist-Information. Dass im Laufe ihrer Amtszeit eine neue Krone für Gerolzhofens Weinprinzessinnen geschaffen wurde, hat sie maßgeblich vorangebracht. Und Christina Baumgärtner, einst Weinprinzessin in Wipfeld, kann sich noch gut an Christines „revolutionäres Gen“ und einen ihrer stets wiederkehrenden Sätze erinnern: „Ich lass' mich ned unter'm Maibaum abkrön'.“ Genau so ist es gekommen. Denn erstmals findet die Krönung der Gerolzhöfer Weinhoheit nicht beim Maifest auf dem Marktplatz statt, sondern im angemessenen Ambiente einer feierlichen Weinprobe im Pfarrer-Hersam-Haus.
Nun darf Barbara Lenz die Bühne betreten und auf dem Sessel Platz nehmen. 17 Jahre ist sie alt und absolviert derzeit in Volkach eine Ausbildung zur Köchin. Zur Krone kam sie eher zufällig. Ihre Mutter traf beim Einkaufen Beate Glotzmann und Christine Dittmeier, und die erzählten davon, dass man eine neue Weinprinzessin suche. Barbara war interessiert, traf sich mit der Spitze des Weinbauvereins, und „so wurde aus dem anfänglichen Interesse richtige Begeisterung“.
Ein paar Tränchen
Nun tritt „Markgraf Gerold“ wieder in Aktion. Er setzt Barbara die Krone auf. Fotoapparate klicken. Erste Erinnerungen an ihre Amtszeit, die sie an die Wand projizieren kann, wenn sie selbst in zwei, drei, vielleicht vier Jahren die Krone weitergibt. Bis dahin hat sie aber noch einen langen Weg vor sich. Für den gibt ihr ihre Vorgängerin mit: „Geh' deinen eigenen Weg. Denn man kann nie jemanden überholen, wenn man nur in Fußstapfen tritt.“
Dann stellt Barbara ihren Begleiter an diesem Abend vor: einen Riesling von der Michelauer Vollburg. Obwohl man ihr die Aufregung anmerkt, preist sie die Vorzüge des Weines in souveräner Manier. Und als sie ihren Opa begrüßt, der extra für ihre Krönung seine Geburtstagsfeier ausfallen lässt, kann sie sich ein paar Tränchen nicht verkneifen.
„Ein wunderbarer Einstieg“, findet Bürgermeister Thorsten Wozniak. Wie auf Barbara warten auch auf ihn heuer „viele Premieren“, die es gemeinsam zu meistern gilt: „Und im kommenden Jahr lächeln wir dann darüber.“ Die neue Regentin ist sich bewusst: „Auch an einem jungen Rebstock wachsen erst im Laufe der Jahre wunderbare Trauben.“ Als dem Vorsitzenden von gerolzhofenAKTIV, Rudi Kühl, schließlich ein kleiner Fauxpas unterläuft und er Barbara ein „Abschiedsgeschenk“ überreichen will, reagiert diese schlagfertig. Sie winkt ins Publikum und sagt lachend: „Tschüss, ich geh' dann wieder!“ Das sollte sie sich überlegen. Denn sie wird noch gebraucht, hier am Gerolzhöfer Arlesgarten.