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Gerolzhofen
Nach 115 Jahren Dienst am Nächsten: Verein für ambulante Krankenpflege Gerolzhofen löst sich auf
Dem Verein gingen nicht nur die Mitglieder aus. Am Ende fehlten ihm auch Betätigungsfelder. Der Verein hat der Stadt und ihren Bewohnern große soziale Verdienste erwiesen.
Im Dezember 1909 hat der Verein für ambulante Krankenpflege Gerolzhofen das Haus in der Häfnergasse 5 (Mitte) als Wohnung für die beiden Erlöserschwestern gekauft, die in der Stadt Kranke pflegten und deren Angehörigen betreuten.
Foto: Michael Mößlein | Im Dezember 1909 hat der Verein für ambulante Krankenpflege Gerolzhofen das Haus in der Häfnergasse 5 (Mitte) als Wohnung für die beiden Erlöserschwestern gekauft, die in der Stadt Kranke pflegten und deren ...
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 09.02.2024 17:13 Uhr

Fast auf den Tag genau 115 Jahre nach seiner Gründung ist der Verein für ambulante Krankenpflege Gerolzhofen nun selbst Geschichte. Mit dem Termin beim Notar wurde für den am 8. September 1907 gegründeten Verein Ende August der letzte Akt hin zur Auflösung offiziell markiert. Die Corona-Zeit hat diesen Schritt am Ende nicht etwa beschleunigt, sondern eher sogar verzögert. Denn die Vereinsaktivitäten, berichtet der letzte Vorsitzende des Vereins, Anton Tröppner, tendierten bereits in der Zeit davor gegen null.

Zuletzt (Stichtag: 30. Juli 2022) gehörten dem Verein noch 55 Mitglieder an. Zehn Jahre zuvor waren es noch dreimal so viele gewesen, und im Jahr 2010 zählte der Verein 162 Mitglieder. Der Mitgliederschwund - verbunden auch mit einer "Überalterung" innerhalb des Vorstands - haben letztlich den Ausschlag gegeben, den Verein für ambulante Krankenpflege aufzulösen, sagt Tröppner. Dessen Stellvertreter als Vorsitzender, der Altbürgermeister und Ehrenbürger Franz Stephan, war vor wenigen Monaten gestorben.

Die Mitglieder des letzten Vorstands

Dem Vorstand gehörten zuletzt zudem noch Kassier Gerhard Holzer, der mit Tröppner nun Liquidator des Vereins ist, Schriftführer Günter Fuchsenberger sowie die Beisitzerinnen Lieselotte Feller, Helga Wächter und Josefine Hillenbrand an. Das Restvermögen aus der Vereinskasse – abzüglich der mit der Auflösung verbundenen Kosten wohl ein Betrag im untersten vierstelligen Bereich –  wird laut Tröppner an die katholische Kirchenstiftung fließen.

Seine großen Zeiten hatte der Verein, der sich der Betreuung von Kranken und Bedürftigen sowie deren Angehörigen in Gerolzhofen verschrieben hat, in den Zeiten, als die Krankenpflege noch kaum staatliche Unterstützung erhielt und vielerorts nur das Privileg betuchter Menschen war. Der Verein für ambulante Krankenpflege förderte "die Solidarität zwischen Gesunden und Leistungsfähigen einerseits und Kranken, Hilfsbedürftigen andererseits" mit der "Bereitschaft zum Helfen im Geiste christlicher Caritas", wie es in der neu gefassten Vereinssatzung aus dem Jahr 1995 heißt.

Verein führte Arbeit im Sinn des Bürgerspitals fort

Als sich der Verein vor 115 Jahren unter dem ersten Vorsitz von Bürgermeister Philipp Weigand konstituierte, übernahm und ergänzte er Aufgaben, die die Bürgerspitalstiftung in der Stadt jahrhundertelang übernommen hatte, damit jedoch zuletzt stark an ihre Grenzen gestoßen war. Im Kern ging es darum, Mitgliedern des Vereins und deren Angehörigen bei Bedarf unentgeltliche Krankenpflege zukommen zu lassen – gegen Zahlung eines jährlichen Mitgliedsbeitrags. Arme wurden ebenfalls gepflegt, auch wenn sie keinen Beitrag zahlen mussten. Hierzu halfen beständig eingehende Spenden mit, wie der seinerzeitige Kreisheimatpfleger Longin Mößlein in einem Beitrag in der Festschrift zum 90-jährigen Bestehen des Vereins im Jahr 1997 festhielt.

Das Archivbild zur Feier des 100-jährigen Bestehens des Vereins für ambulante Krankenpflege Gerolzhofen zeigt die Verantwortlichen an dessen Spitze: (vordere Reihe von links) stellvertretender Vorsitzender Franz Stephan, Vorsitzender Anton Tröppner, Kassiererin Josefine Hillenbrand, geistlicher Beirat Diakon Günter Schöneich, (hintere Reihe von links) Beisitzerin Helga Wächter, Fachberaterin Doris Platzöder, Schriftführerin Waltraud Niemetz, die Beisitzerinnen Renate Nöth und Liselotte Feller sowie die Beisitzer Josef Scheider und Franz Solf.
Foto: Corina Erk | Das Archivbild zur Feier des 100-jährigen Bestehens des Vereins für ambulante Krankenpflege Gerolzhofen zeigt die Verantwortlichen an dessen Spitze: (vordere Reihe von links) stellvertretender Vorsitzender Franz ...

Die praktische Umsetzung der Krankenpflege oblag zwei Schwestern des Ordens der Töchter des heiligsten Erlösers zu Würzburg. Wie dringend deren Hilfe von Anfang an in Gerolzhofen gebraucht wurde, zeigt die Auflistung von 371 Tagpflegen, 285 Nachtpflegen und 1016 Kurzbesuchen kurz nach Gründung des Vereins im Vereinsjahr 1908/09. Von Beginn an war die Arbeit von Hermana und Elpidia, wie die beiden Ordensschwestern hießen, nicht frei von Konflikten. Diese mussten in der Folge immer wieder daran erinnert werden, dass ihre Tätigkeit sich auf die Pflege der Kranken beschränken sollte und sie keine ärztlichen Aufgaben zu übernehmen hatten. Der Grund, weshalb die Schwestern sich dennoch immer wieder darauf einließen, davon abzuweichen, lag auf der Hand: Viele Bedürftige, zu denen sie kamen, konnten sich den Besuch eines Arztes einfach nicht leisten.

Verein kauft Haus als Wohnung für Erlöserschwestern

Zunächst waren die Vereinsschwestern noch im Armenhaus der Stadt untergebracht. Doch am 21. Dezember 1909 erwarb der Verein als Wohnung für die beiden Nonnen das wenige Jahre zuvor errichtete Haus und den Garten in der Häfnergasse 5, wie Longin Mößlein in seinem Aufsatz zur Geschichte des Vereins berichtet.

Während des Ersten Weltkriegs stieg die Belastung für die Schwestern nochmals immens an. Sie mussten vielfach einen 24-Stunden-Dienst durchstehen, um neben ihren Aufgaben in den Familien der erkrankten Vereinsmitglieder auch noch Kriegsverwundete im örtlichen Lazarett zu versorgen.

Anlässlich seines 90-jährigen Bestehens ließ der Verein für ambulante Krankenpflege Gerolzhofen 1997 an der Außenwand der Friedhofskirche in Gerolzhofen an einem Relief, das an das Wirken der hiesigen Erlöserschwestern erinnert, eine Bronzetafel anbringen. Diese trägt folgende Widmung: 'Dem Leben und selbstlosen Wirken der 251 Schwestern von 1885 - 1972. In Dankbarkeit gewidmet.'
Foto: Michael Mößlein | Anlässlich seines 90-jährigen Bestehens ließ der Verein für ambulante Krankenpflege Gerolzhofen 1997 an der Außenwand der Friedhofskirche in Gerolzhofen an einem Relief, das an das Wirken der hiesigen ...

Während der Zeit des Nationalsozialismus, ab November 1931, bis in die unmittelbare Nachkriegszeit hinein verschwand der Verein für ambulante Krankenpflege schon einmal von der Bildfläche. Doch während der ersten Generalversammlung danach, am 3. Dezember 1947, zählte der Verein stolze 700 Mitglieder. Vorsitzender wurde damals Bürgermeister Karl Schmitt. Sieben Jahre später trat der Verein dem Diözesan-Caritasverband Würzburg bei.

Vereinsschwestern verlassen Gerolzhofen für immer

Ein bedeutender Umbruch und eine Existenzfrage für den Verein stellte der Abzug der Erlöserschwestern am 15. Mai 1972 dar, die damit nach fast 100-jährigem Wirken mit bis zu 16 Schwestern in Sozialeinrichtungen in Gerolzhofen aus dem Stadtbild verschwanden. Der Vereinsausschuss beschloss nach einigem Hin und Her, den Verein fortzuführen. Eine weltliche Pflegekraft, Schwesternhelferin Thea Fuchsenberger, führte die Alten- und Krankenpflege des Vereins bis 1995 fort.

Zuvor, im Dezember 1971, war das Wohnstift Steigerwald in Gerolzhofen eröffnet worden, mit dem der im Jahr 1967 gegründete Kreis-Caritasverband Gerolzhofen-Volkach-Wiesentheid die alte Tradition des Bürgerspitals in moderner Form fortsetzte – und zugleich im großen Stil Aufgabe des Krankenpflegevereins übernahm. Ab Dezember 1974 gab es dann auch noch die Caritas-Sozialstation für die ambulante Alten- und Krankenpflege. Der Verein für ambulante Krankenpflege entwickelte sich in der Folge zu einem Förderverein der örtlichen Caritas-Einrichtungen, insbesondere der Sozialstation.

Mitgliederzahl schrumpfte immer weiter

Im November 1993 wurde Anton Tröppner zum Vorsitzenden gewählt. Dank einer Satzungsänderung  im Jahr 1995 war der Verein von da an vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt und durfte Spendenquittungen ausstellen – auch auf die Mitgliedsbeiträge. Trotzdem schrumpfte die Mitgliederzahl ab den 90er Jahre, erst kaum merklich, aber doch stetig. 1996 etwa waren es noch 316 Mitglieder, 2002 dann nur noch 285.

Der Verein bot regelmäßig auch Kurse für pflegende Angehörige an, wie hier auf einem Archivbild aus dem Jahr 2006 zu sehen ist.
Foto: Mößlein Michael | Der Verein bot regelmäßig auch Kurse für pflegende Angehörige an, wie hier auf einem Archivbild aus dem Jahr 2006 zu sehen ist.

Dabei war der Verein mit seinen Angeboten durchaus präsent. Ab dem Jahr 1996 bis 2005 organisierte der Verein laut Tröppner regelmäßig Krankenpflegekurse mit der Sozialstation. Daneben finanzierte der Verein immer wieder auch Fortbildungen von Schwestern der Sozialstation sowie Seminare und unterstützte Familien in Krankheit und Not. Ein im Jahr 2002 gegründeter Gesprächskreis für pflegende Angehörige wurde wegen geringer Teilnahme rasch wieder eingestellt. Im April 2007 stellte der Verein Doris Platzöder als Beraterin, etwa für Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen, ein. Diese Aufgaben nahm sie bis 2019 wahr.

Doris Platzöder, hier mit Vorsitzenden Anton Tröppner, bot für den Verein für ambulante Krankenpflege Beratungen an. Das Archivbild entstand im Jahr 2010.
Foto: Krankenpflegeverein | Doris Platzöder, hier mit Vorsitzenden Anton Tröppner, bot für den Verein für ambulante Krankenpflege Beratungen an. Das Archivbild entstand im Jahr 2010.

Unabhängig vom Aus für das Beratungsangebot des Vereins hatten dessen Verantwortliche am Ende feststellen müssen: Beratungen bieten inzwischen viele Stellen an. Und auch mit seinen weiteren Angeboten stand der Verein bei Weitem nicht mehr alleine dar. So verstand man sich zuletzt quasi nur noch als reiner Förderverein für die Sozialstation, sagt Tröppner – was, wie sich am Ende gezeigt hat, keine tragfähige Basis für die Zukunft darstellte.

 
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