Kurz vor Konzertbeginn im Schweinfurter Theater will die Schlange an der Abendkasse nicht abreißen. „Was ist denn heute bloß los?“, stöhnt die Dame an der Kasse. Tja, es ist Freitag der 13., die Bamberger Symphoniker spielen auf und sie ziehen die Massen an, wie die Regenlachen die Regentropfen auf dem Theatervorplatz.
Als Ouvertüre erklang Anton Weberns 1904 entstandenes Idyll „Im Sommerwind“ für großes Orchester. Hier – in diesem stimmungsreichen Oeuvre, in dem man sowohl Grashalme bei glühender Sommerhitze im Wind wiegen sah, wie auch bedrohliche Gewitter aufziehen hörte – offenbarte sich die Kunst der Bamberger Symphoniker: Maximale Pianissimi in extrem großer sinfonischer Besetzung. Respekt!
Es folgte eine längere Umbauphase für das Hauptwerk, den Magnet des Abends: Schumanns beglückendes romantisches a-Moll-Klavierkonzert op. 54. Als Pianist brillierte Francesco Piemontesi, der Souverän am Dirigentenpult war der 79-jährige Marek Janowski und das spielfreudige Fundament gaben die Bamberger Symphoniker. Nun ja, alle bis auf einen Streicher, der erst im Finalsatz seine auffallend lethargische Spielweise und Körperhaltung aufgab.
Eine musikalische Liebeserklärung
Fokussierend der Auftakt: Ein fulminanter Orchestertutti-Schlag gefolgt von einer Klavier-Akkordkaskade, der abrupt die lyrische, zärtliche Hauptmelodie folgt. Die Töne c-h-a-a, eine Liebeserklärung Schumanns an seine Frau Clara – geschrieben in der italienischen Schreibweise „Chiara“. Traumhaft schön von Oboe, Klarinette und Klavier immer wieder in Szene gesetzt. Und dazwischen dieses unglaubliche Drängen, diese überbordende Lebensfreude, dieses geheimnisvolle Verwirrtsein im Beglücktsein – Stimmungen von Schumann in Töne, Klänge, Akkorde übersetzt und von Janowski, Piemontesi und den Bambergern als atmosphärisch dichtes Klangbild gezeichnet.
Die eindringliche Solokadenz färbte Piemontesi modern mit sparsamem Pedaleinsatz, feinfühlig und makellos. Fesselnd und federnd vereinte Janowski Orchester und Solist in dem packenden Ende des Kopfsatzes. Im zarten Mittelsatz fallen Töne wie Regentropfen in einen sonnenbeschienen See – umspielen sich Pianist, Celli und Flöten. Lebensfroh und ausgelassen endet der Finalsatz. Großer Beifall und vom Pianisten zwei Zugaben – Brahms romantisches b-Moll Intermezzo Nr. 2 und ein abschließendes kurzes donnerndes Bravourstückchen.
Familienszenen im Kopf
Als letzter Akt nach der Pause die „Sinfonia Domestica“ von Richard Strauss, die übrigens im Entstehungsjahr von Weberns „Im Sommerwind“ 1904 uraufgeführt wurde. Jedoch ist die Sinfonie kein durchweg bannendes Stück. Sie schildert das Familienleben im Hause Strauss – nebst Kind, Tanten und Onkeln. Ein imposanter parlierender Ton wanderte durch das Orchester, bravourös spielte der Erste Geiger auf, es entstanden viele Familienszenen im Kopf. Doch fragmentarisch zerschnitten wirkte das Werk – zu viel des Guten packte Vater Strauss hinein. Erlösender Beifall nach dem Grande Finale. Von Angelika Silberbach