Betritt man den ersten Saal, hält man unwillkürlich den Atem an: So viel Prunk, so viel Schwulst, so viel Wucht: An den Wänden schwer gerahmte Schinken, davor zwei goldene Stühle mit roten Samtpolstern, in einer Vitrine eine stämmige Prunkschale.
Sigrid Bertuleit, Leiterin des Museums Georg Schäfer, freut sich sichtlich über diese erste Reaktion. Mit offenkundiger Lust an Kontrast, Provokation und Irritation hat sie sich auf das Thema der neuen Wechselausstellung geworfen: „Schön und Hässlich“ – wobei Bertuleit Wert auf das Neben- und Miteinander von schön und hässlich legt. Zu sehen sind „100 Meisterwerke & wunderliche Schöpfungen“, so der Untertitel.
Was ist schön, was ist hässlich und warum? Bertuleit kann (und will) diese Frage ebenso wenig abschließend beantworten wie allerhand Theoretiker vor ihr. Namentlich das 19. Jahrhundert hat sie mit Leidenschaft diskutiert, was sich nicht nur in Büchern, sondern auch in der Kunst selbst niedergeschlagen hat. Da gibt es Bilder, die schön sind, obwohl sie etwas Hässliches darstellen. Und solche, die sich so verzweifelt bemühen, schön zu sein, dass sie eigentlich schon wieder hässlich sind. Gute Bilder, die man doch ungern schön nennen würde, und nicht ganz so gute Bilder, die trotzdem irgendwie schön sind.
Es sind die ständigen Perspektivwechsel, die den Betrachter auf Trab halten. Neben den eingangs erwähnten Möbeln, Leihgaben des Graf-Luxburg-Museums Schloss Aschach, konfrontiert die Ausstellung Unikate mit Massenware. Spitzwegs „Gratulant“ ist ein ernstzunehmendes Kunstwerk. Das Motiv als industriell gefertigtes Gipsrelief für übers Sofa aber ist der reine Kitsch.
Es steht stellvertretend für all die Zigeunerinnen, röhrenden Hirsche, betenden Hände, kauernden Hasen. Kaulbachs „Musizierende Mönch“ inmitten pausbackiger, einfältiger Kinder passt da wunderbar dazu, die Hummel-Figuren nebenan erst recht. Hans Makarts bonbonfarbener Venus haben freundlichere Kritiker vor allem dekorative Qualität attestiert. Die unfreundlichen sprachen von verharmlosender Nachahmung mythologischer Stoffe nach dem Vorbild der großen Italiener.
Gleich daneben, auf goldener Konsole: Barbie. Ganz recht, die Puppe, in der Generationen fortschrittlicher Eltern das plastikgewordene rückschrittliche Frauenbild sahen. Barbie heißt übrigens mit vollem Namen Barbara Millicent Roberts. Auch dies ein kleiner Lerneffekt der Ausstellung.
Manchmal schaffen die Gegenüberstellungen verblüffende Bezüge: Troll Doll, ein Anfang der 1960er Jahre aufgetauchtes Plastikpüppchen mit bunten Haaren, entpuppt sich als Wiedergänger des Trolls in Carl Blechens „Dämonischer Landschaft“ um 1826. Troll Doll ist allerdings trotz anbiedernder Knuffigkeit kein bisschen subversiver als Barbie.
Doch es geht auch anders: Ein paar Bilder weiter Hugo von Habermanns Salome – eine hysterische Furie, der die Lust am Töten wild aus den Augen leuchtet. Max Liebermann musste sich „Hässlichkeitsapostel“ schimpfen lassen, weil er immer wieder Motive als bildwürdig befand, die nicht in den Kanon der Gefälligkeit passten. Sein „Alter Lotse“ jedenfalls ist ein Bild voll Würde und Respekt. Der Grafikteil, gestaltet von der neuen Kuratorin Karin Rhein (Seite 15), führt das Konzept fort, etwa in der Gegenüberstellung der Ideallandschaft eines Josef Anton Koch und der bacchantischen Zeichenwut eines Lovis Corinth.
Schnell wird sich der Betrachter widerstreitender Gefühle bewusst. Gewohnheitsmäßig eingestellt auf erhabene Erbauung, muss er umdenken: Hier muss er selbst in Frage stellen, entscheiden, was zur Vertiefung taugt, was zur Erheiterung, was zur Befremdung. Und so ist „Schön und Hässlich“ eine ebenso unterhaltsame wie spannende Einladung, die eigenen Geschmacks- und Wahrnehmungskriterien zu erkunden.
Eröffnung Samstag, 29. August, 15 Uhr. Bis 18. April 2010.