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Schweinfurt
Moralische Verpflichtung, für eine bessere Welt zu kämpfen
Schwimmen am Mainstrom auch mal gegen den Mainstream: Die Humanismus-Preisträger Thomas Firsching, Johanna Bonengel und Ruben Kettner, bfg-Vorsitzender Tobias Kraus und Preisträgerin Sandra Bernadett Grätsch (vorne von links), die Freigeister Michael Kraus, Wolfgang Günther und Martin Pfeiffer sowie Musiker Anton Mangold (hinten von links).
Foto: Uwe Eichler | Schwimmen am Mainstrom auch mal gegen den Mainstream: Die Humanismus-Preisträger Thomas Firsching, Johanna Bonengel und Ruben Kettner, bfg-Vorsitzender Tobias Kraus und Preisträgerin Sandra Bernadett Grätsch (vorne ...
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 26.03.2022 02:25 Uhr

Darf man sich zu einer Frühlings- und Jugendfeier treffen, während in der Ukraine eine brutale Frühjahrsoffensive tobt und gerade junge Menschen nicht mehr wissen, ob sie den nächsten Tag noch erleben werden? Man kann nicht nur, man muss, fand der "Bund für Geistesfreiheit" (bfg), der - nach längerer Pandemie-Pause - zur Verleihung des Schweinfurter Humanismuspreises in die Rathausdiele eingeladen hatte.

Der bfg versteht sich als Sammelbecken regionaler Freigeister, von Menschenfreunden, Basisdemokraten, Kirchenskeptikern, Pazifisten und Atheisten. Ganz im Sinne des Aufklärers Ludwig Feuerbach ("Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde"), dessen bärtiges Konterfeit die Urkunden schmückte, durfte am Main ein wenig in Richtung des etablierten Mainstream "gepiekst" werden. Schließlich sieht sich der Bund als ein Erbe der urliberalen 1848er-Revolution.

Preisträger ausgezeichnet

Bei dieser Gelegenheit wurden die "versäumten" Preisverleihungen seit 2020 nachgeholt. Johanna Bonengel erhielt den mit 500 Euro dotierten Preis für "vielfältiges und leidenschaftliches Engagement in den Bereichen Erinnerungskultur und Kulturarbeit", Sandra Bernadett Grätsch (SW-N.TV) und Thomas Firsching (SW1.News) teilten sich den Preis für ihre kritische Online-Berichterstattung zu Willy Sachs und der Coronapolitik. Der 20 Jahre alte Preisträger Ruben Kettner hat eine bfg-Ortsgruppe in der Domstadt Bamberg aufgebaut.

Vorsitzender Tobias Kraus begrüßte das kleine, aber feine Publikum mit deutlichen Worten zum Ukrainekrieg. Dort werde ein "Vernichtungskrieg" gegen die Zivilbevölkerung geführt. Der "verbrecherische und menschenverachtende Krieg" Putins sei ein zynischer "Verrat an den Ideen von Frieden und Freiheit, nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Russland selbst".

Forderung nach Friede in der Ukraine

Das ist nicht die Wortwahl des bfg. Kraus verlas eine gemeinsames Manifest russischer Studenten an deutschen Universitäten. Gleichzeitig sei wieder stumpfer, antirussischer Rassismus aufgeploppt, monierte Kraus. "Wir haben diesen Weg nicht gewählt, leider wurde alles für uns entschieden": Diese Worte stammten von Schenja und Viktor, zwei Freunden aus Russland. Kraus forderte eine sofortige Waffenruhe und echte Friedenspolitik, kritisierte 100 Milliarden Euro für Aufrüstung und erinnerte an den 18. März 1848, den Beginn der Revolution in Berlin, die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit bringen sollte.

Die junge Generation sei moralisch verpflichtet, sich für eine bessere Welt einsetzen, fand Jugendreferent Ruben Kettner. Veranstaltungen wie diese seien gerade jetzt "essentiell". Martin Pfeiffer trug die Laudatio vor, die das zwischenzeitlich erkrankte bfg-Urgestein Dr. Herbert Wiener Johanna Bonengel gewidmet hat. Die Schulleiterin a.D. hat sich für junge Migranten ebenso engagiert wie im KulturPackt oder der "Initiative gegen das Vergessen". Aktuell geht es unter dem Arbeitstitel "Denkzeichen" um das Gedenken an die Menschen des alten jüdischen Schweinfurt. "Die Menschlichkeit steht momentan am Abgrund", musste Bonengel feststellen. Auch wenn Mahnmäler Krieg und Leid nicht verhindern könnten, gebe es ohne Erinnerung keine Zukunft.

Pressefreiheit muss für alle gelten

Bfg-Pressesprecher Michael Kraus zitierte in der Sparte "Journalismus" Freigeister wie Karl Marx und FAZ-Mitgründer Paul Sethe. Presse dürfte kein Gewerbe sein, Pressefreiheit nicht die Freiheit von 200 Reichen, ihre Meinung zu veröffentlichen. In Zeiten von "Haltungs-" und "Internet-Journalismus" sei Medienkompetenz und Gewaltenteilung wichtiger denn je. Es gehe darum, möglichst alle Meinungen der Stadt abzubilden, sagte Thomas Firsching in seiner Dankesrede. Sandra Bernadett Grätsch forderte, wie in ihrer Jugendzeit, wieder über Ab- und nicht über Aufrüstung zu reden.

Die Laudatio auf den jungen Globalisierungskritiker und Klimaschutz-Aktivisten Ruben Kettner hielt Tobias Kraus selbst. Wolfgang Günther rezitierte das Lenzlied von Gottfried Keller und Hermann Hesses "Mai im Kastanienwald". Der preisgekrönte Musiker Anton Mangold steuerte Saxophon-Improvisationen bei, der Inhalt der Spendenbox soll allen Kriegsopfern in der Ukraine zu Gute kommen.

 
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