Gleich zu Beginn wird der Pony-Effekt demonstriert, beim Besuch einer mongolischen Delegation auf dem Windlehrpfad bei Schwanfeld: Tiefergelegt kommt man einfach schneller durch die Welt. Über 3,90 Meter ragt der Bus auf, den das Bayerische Wirtschaftsministerium den Vertretern des Ministeriums für Bauwesen und Stadtentwicklung aus Ulan-Bator zur Verfügung gestellt hat. Die Unterführung bei Opferbaum ist allerdings nur 3,60 Meter hoch. Bürgermeister Richard Köth organisiert per Handy eine Sonderfahrt im Kleinbus des lokalen Unternehmens „Alka“, der große Wagen wird via Hammelburg umdirigiert.
Auch Biogas-Anlagen werden besichtigt
Aus dem Bus steigen 17 Delegationsteilnehmer, rund um Lundenbazar Bilegjargal, im Ministerium zuständig für internationale Kooperation: Architekten, Ingenieure, Bauplaner, Vertreter von Verbänden, Stadtverwaltung und Regierung. Die Frauen recken schicke Sonnenschirme in die Höhe, die goldenen Felder über Schwanfeld laden zu einem Fotoshooting ein.
Etwas über eine Woche bereisen die Mongolen die Region, von der Biogas- und Belectric-Solaranlage bis zum Gipswerk bei Iphofen. Untergebracht sind die Gäste im Schweinfurter Hotel, betreut werden sie durch Susanne Ditter vom Beruflichen Fortbildungszentrum (bfz) Hof, im ministeriellen Auftrag. Neben Bürgermeister Richard Köth begrüßt Thomas Benz die Gäste, Leiter des Windstützpunkts Unterfranken, einer von sechs in Bayern.
Seit 2014 wird hier die Welt der Windkraft erklärt, nicht als Werbung, so der Mitarbeiter des Landratsamts, sondern mit allen Vor- und Nachteilen: „Wir wollen mit Mythen aufräumen“, sagt Benz gegenüber der Zeitung. „Tausende tote Vögel“ unterm Rad gebe es einfach nicht, dafür deutliche Schwankungen bei der Stromerzeugung. Bei der Speichertechnik, etwa „Power to Gas“, gäbe es noch einiges zu tun. Der Anteil erneuerbarer Energien im Landkreis sei aber deutlich höher als der unterfränkische Durchschnitt.
Im Turm des Windrades ist Helm Pflicht
Sechs Räder drehen sich auf Eßlebener, sechs auf Schwanfelder Gemarkung, die meisten für die Stadtwerke Stuttgart, eines für die ÜZ Lülsfeld. Das getriebelose Rad Marke Enercon wird als erstes besucht, mit 206 Metern Höhe und 115 Meter Rotordurchmesser. „Eine der größten Anlagen Deutschlands“, sagt Elektromeister Markus Reul.
Mit Helm geht es in den Turm. „Dieses Windrad kann Schwanfeld allein versorgen“, sagt Bürgermeister Köth stolz. Bis zu 5,5 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr werden eingespeist, bevorzugt für Schwanfeld, mit eigener Leitung zur ÜZ-Trafostation in die Heiligenthaler Straße. Die Gäste aus Zentralasien, die sich in der Region über nachhaltige Stadtentwicklung, Energie-Effizienz sowie ökologische Baustoffe informieren, scheinen beeindruckt.
Drei Kohlekraftwerke gebe es in Ulan-Bator, sagt Lundenbazar Bilegjargal, mit entsprechender Luftverschmutzung. Außer Wasserkraft hat der Drei-Millionen-Einwohner-Staat, gelegen zwischen Russland und China, nicht viel Alternativen bei der Stromerzeugung. Entsprechend wollen die Mongolen den Windkraftanteil bei ihrer Energieerzeugung ausbauen: „Wind haben wir genug.“
Windpferd im Wappen
Im Schnitt braust er mit 7,5 bis 8,5 Metern in der Sekunde über die endlos weite Steppe. Wer sich in der Nachbarschaft an Infraschall und Schattenwurf stört, könnte im Land der Erben Dschingis Khans jederzeit mit der Jurte weiterziehen. Die Besucher aus dem über 6000 Kilometer entfernten Ulan-Bator recken Wind- und Schallmesser in die Höhe. In der naturnahen Mongolei bedeutet Wind wohl weit mehr als nur eine heftige Luftbewegung.
Das stolze, kräftige „Windpferd“ schmückt bereits das Wappen: Ein geflügeltes Ross, das bei den Schamanen für die menschliche Seele steht, die sich möglichst im Einklang zwischen „Vater Himmel“ und „Mutter Erde“ befinden sollte. Trotz Tatarenmeldungen aus der Wirtschaft: Das ehemals sozialistische Land gilt als die ruhige Vorzeige-Demokratie der Region, derzeit sind gerade Präsidentenwahlen.
Im Windcontainer stellt Bürgermeister Köth seine Gemeinde und den Windlehrpfad vor. Rasch kommt man sich näher. Die Mongolen könnten sich durchaus eine Partnerschaft mit der Kommune am Kembach vorstellen und tauschen fleißig Visitenkärtchen aus. In der offiziellen Geschenktüte des Ministeriums gibt es die Figuren eines Brautpaars in traditioneller Tracht oder Schokolade Marke „Golden Gobi“, verpackt in einer kleinen Jurte.
Einladung in die Mongolei
Ein Wink mit dem Zeltpfahl: Die Schweinfurter sind herzlich eingeladen, auch Susanne Ditter plant schon einen Jurtenurlaub in dem am dünnsten besiedelten Land der Welt. „Seien Sie vorsichtig, wir könnten ihr Angebot annehmen“, scherzt der Bürgermeister und erntet allgemeine Heiterkeit.
Die Stimmung ist herzlich, die beiden Dolmetscher aus München, der IT-Spezialist Erdenebat Amar oder der studierte Luft- und Raumfahrttechniker Munkhbaatar Ulziibaatar haben jede Menge zu tun. Auch die Botschaft der Schwanfelder kommt an, wo das eigene Dorf mittlerweile nicht nur vom Öko-Strom, sondern auch noch von der Pacht profitiert: „Das heißt, die Gemeinde macht Gewinn“, nickt Übersetzer Amar.