Es herrscht ein reges Kommen und Gehen an diesem nebligen Morgen auf dem Wirtschaftsweg zwischen Mühlhausen und Zeuzleben, einem Ortsteil von Werneck (Lkr. Schweinfurt). Eine ganze Reihe Autos und einige Kleinbusse parken neben mit Planen abgedeckten Karottenbergen. Mit Eimern, Körben und Bottichen ausgerüstet marschieren zahlreiche Menschen über die Obstbaumwiese und klauben die Gelben Rüben in ihre Behälter. 100 Tonnen hat Bio-Landwirt Bernhard Sauer dort gelagert, zum Selbstabholen gegen eine Spende für wohltätige Zwecke.
Dass sein Angebot derart stark angenommen wird und, dass zahlreiche Medien auf die ungewöhnliche Aktion aufmerksam werden, hätte der Bauer nicht gedacht. "Gestern hab' ich 30 Autos auf einmal gezählt", berichtet er. Die kamen nicht nur aus dem Raum Schweinfurt, sondern auch aus Main-Spessart, Würzburg, Ochsenfurt, Bad Kissingen oder gar Meiningen. "Viele Leute rufen bei mir daheim an", ist er schon etwas genervt, "aber ich sag' denen dann schon, dass sie überlegen sollen, ob sie wegen ein paar Eimer Karotten den Sprit für 80 Kilometer verfahren wollen".
Pferdehalter kommen mit dem Anhänger
Auch etliche Pferdehalter sind unter den Abholern. Sie kommen sogar mit dem Anhänger, denn für die Leckerbissen für ihre Vierbeiner müssten sie ansonsten einiges zahlen, "circa 25 Euro für einen 50-Kilo-Sack", weiß Sauer. Mancher kommt aber auch mit dem Fahrrad und Begleithund, wie ein Senior aus Grafenrheinfeld, der sich das ganze einmal anschauen will. Und der wie alle die Frage hat, warum der Landwirt seine Früchte nicht verkauft.
Seit zehn Jahren baut Bernhard Sauer die Gelben Rüben an, heuer auf zehn Hektar Fläche. Aber noch nie hatte er so eine gute Ernte wie in diesem Jahr, die aufgrund der günstigen Witterung etwa 40 Prozent mehr Ertrag brachte.
Seine Früchte vermarktet der Naturland-Bauer seit vielen Jahren schon über die größte Bio-Erzeugergemeinschaft, die Naturland-Marktgesellschaft, und über Demeter Felderzeugnisse. Er muss im Vorfeld seinen mutmaßlichen Ernteertrag dort anmelden. Aus dem Durchschnitt der letztjährigen Erntemengen nahm Sauer 50 Tonnen Ertrag pro Hektar an. Heuer aber erntete der 52-Jährige mit dem sogenannten Klemmbandroder 80 Tonnen pro Hektar.
"Natürlich hab' ich viel telefoniert, um meine überschüssigen Karotten zu verkaufen", erklärt Sauer. Aus seiner bisherigen Erfahrung weiß er, dass es bei seinen Vermarktern sonst immer Bedarf an Möhren gegeben habe, dass er sogar angehalten wurde, noch Rest-Früchte aufzulesen. "Heuer ist aber offenbar die Anbaufläche vergrößert worden und die guten Erträge kommen hinzu."
Einen weiteren Verkauf seiner Früchte an Supermärkte, etwa Edeka, sei für ihn kein Weg. "Die haben alle schon ihre Lieferanten." Und auf den Preiskampf, auch mit ausländischer Ware, wolle er sich nicht einlassen.
Wohin seine Karotten kommen, weiß Sauer nur teilweise. "Ein Teil kommt zur Mainfrucht nach Gochsheim, ich fahre die selbst hin. Die anderen Früchte werden per Lkw abgeholt und nach Berlin oder Heilbronn gebracht." Sauers Früchte sind keine ausgesprochenen Speisemöhren, sondern Saftmöhren, eine süße Sorte mit gutem Geschmack. "Sie werden normalerweise gepresst", erklärt er.
Viel Zeit, Geld und Arbeit investiert
Eine kleine Menge, vielleicht 50 bis 80 Tonnen, kann er jetzt noch anderweitig vermarkten, hofft Sauer. Aber er möchte seine Karotten, die noch in der Erde stecken, ungern unterpflügen, zumal viel Zeit, Arbeit und Geld darin stecken, etwa 200 Arbeitsstunden pro Hektar.
Der Bio-Landwirt arbeitet beim Anbau ohne zusätzliche Beregnung, wie andere Erzeuger in der Region. Zusätzliches Wasser für das Wachstum zu verwenden und Brunnen zu bohren, ist für ihn keine Option. Daher zieht er bereits im Herbst die Dämme für die Karotten, so dass sich in diesen über den Winter das Wasser sammeln kann und im Frühjahr die Samenkörner ins feuchte Bett gelegt werden können. Und er vertraut auf die natürliche Witterung.
Weil er jetzt von der Fülle der Natur überrascht wurde, gibt er die überschüssigen Möhren gegen eine Spende weiter. "Über 6000 Euro sind schon zusammen gekommen", freut er sich. So eine Summe könne er vielleicht für gute Zwecke splitten, überlegt er, etwa für krebskranke Kinder und für die Betroffenen der Überschwemmungskatastrophe im Ahrtal. Dort will er im Winter auch seine Hilfe anbieten.
Das Herr Sauer zu solchen Mitteln greifen muss, damit seine Ernte nicht auf dem Feld verfault macht mich traurig.
Die Aktion selbst finde ich grandios, vielen Dank dafür!
Was aber läuft in unserer Welt verkehrt, dass die Überproduktion eines Landwirts nicht kurzerhand zu Nahrungsmitteln weiterverarbeitet wird? Sprich, von entsprechenden Betrieben aufgekauft wird? Zu einem fairen Preis versteht sich?