Es ist wohl eine einmalige Geschichte, die sich da in den 1950er Jahren in der Gemeinde ereignete: Der jüdische Viehhändler Ludwig Gutmann war in KZ-Haft, die Familie wurde deportiert. Frau Therese und sein Sohn Gert Gutmann starben im Holocaust. Dennoch kehrte Gutmann nach Jahren in Israel mit seiner zweiten Frau nach Schwanfeld zurück und baute dort seinen Viehhandel wieder auf. "Wir sind doch von hier", sagte er damals.
Dessen Sohn „Gerd Gutmann, der 1932 geboren und als Zehnjähriger in Riga ermordet wurde“, widmete Michael Schneeberger seinen Vortragsabend über „Die Geschichte der Juden in Schwanfeld“. Seit 1985 betreibt Schneeberger Ahnenforschung. Nach einem vierjährigen Aufenthalt in Israel nach Deutschland zurückgekehrt, begann er nach den Wurzeln israelitischer Freunde in Deutschland zu suchen. Daraus entwickelte sich das „Ephraim Gustav Hoenlein Genealogie-Projekt“ der jüdischen Kultusgemeinde Würzburg, in dem Schneeberger bis heute arbeitet.
In seinem Vortrag blickt er auf eine rund 2000-jährige Geschichte der Juden in Deutschland zurück. Die erste geschichtliche Erwähnung von Juden in Schwanfeld geht auf das Jahr 1298 zurück. Aus „Memorbüchern“ weiß man um die Ausschreitungen gegen jüdische Mitbürger zu dieser Zeit. Schon damals wurden die Juden als Gottesmörder, Hostienschänder und Brunnenvergifter diffamiert, und marodierende Banden um einen angeblich verarmten Ritter Rintfleisch zerstörten in den sogenannten Rintfleisch-Pogromen jüdische Gemeinden.
Dabei waren, so Schneeberger, die hier ansässigen jüdischen Bürger immer „ganz und gar Juden und ganz und gar Deutsche“. Dennoch erweiterte er den Titel der Wanderausstellung über das Landjudentum in Unterfranken „Mitten unter uns“ um den Zusatz: „Draußen. Am Rand“. Er belegt dies unter anderem mit einer Karte, die zeigt, dass die Häuser der Juden sich ein bisschen außerhalb, an der Wipfelder Straße, konzentrierten, und natürlich mit der Geschichte, in der die Juden durch die Jahrhunderte hindurch immer wieder mit Vertreibung und Verfolgung zu kämpfen hatten. Die Geschichte zeige, so Schneeberger, „so sehr die Juden auch heimisch waren, sie bewegten sich immer auf dünnem Eis“, blieben eine Randexistenz.
2400 Grabdenkmäler
1544 stellte Kaiser Karl V. die Juden unter seinen Schutz. Fürstbischof Konrad III. von Bibra stellte zu dieser Zeit den Juden Abraham unter den Schutz des Würzburger Bistums, er wurde in Schwanfeld aufgenommen, denn die Juden wurden im 16. Jahrhundert mehr und mehr aus den Städten vertrieben. 1579 kaufte der Jud Löb zu Pleichfeld für 30 Gulden auf Gemeindegrund ein Grundstück, auf dem ein bis heute beeindruckender jüdischer Friedhof entstand. Rund 2400 Grabdenkmäler finden sich auf dem fünf Hektar großen hügeligen Areal. Auch ein zweistöckiges Leichenhaus mit einer gut erhaltenen Tahara, einem steinernen Waschtisch für die rituelle Reinigung der Toten, ist dort erhalten. Sogar der Brunnen innerhalb des Gebäudes ist noch erkennbar.
Auf diesem Distriktfriedhof , so Schneeberger, liegen die Vorfahren bekannter jüdischer Mitbürger wie der Dichterin Else Lasker-Schüler, des Philosophen Theodor W. Adorno oder von Maier Lehmann, dem Mitbegründer der Investmentbank Lehmann Brothers. Selbst auf dem Friedhof beerdigt ist Mendel Rosenbaum (1782-1868), ein Rabbiner und eine Führungsfigur der Juden am Beginn des 19. Jahrhunderts. Dieser Friedhof sei bis heute, so der Referent, der „einzige Erinnerungsort“ für die Juden Unterfrankens.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren ein Drittel der Bewohner Schwanfelds jüdischen Glaubens. 1867 allerdings waren es nur noch 170 Juden, viele waren ausgewandert oder in die Städte zurückgezogen. Einer dieser „Auswanderer“ war beispielsweise Dr. Ludwig Frankenthal (1882-1944), der als Chefarzt am Israelitischen Krankenhauses in Leipzig arbeitete. Er starb im KZ Ausschwitz.
Die Shoa, der nationalsozialistische Völkermord an den Juden, beendete die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Schwanfeld. Zwischen 1936 und 1940 verließen 28 Juden das Dorf, in der Reichspogromnacht wurde das Leichenhaus des jüdischen Friedhofs verwüstet, zehn der jüdischen Einwohner wurden nach Theresienstadt deportiert, insgesamt wurden 53 der in Schwanfeld geborenen Juden Opfer des Holocaust. Trotzdem schloss Schneeberger seinen Vortrag mit einem Zitat von Samuel Jesselsohn von 1944: „Mögen die, die jetzt zerstreut in allen Teilen der Welt leben, die alte Heimat nie vergessen. Dann wird die alte Kehilla (= Gemeinde) nicht umsonst gelebt haben.“
Und dann passierte das Erstaunliche: ein Überlebender, Ludwig Gutmann kehrte zurück. Ihm war in den Lagern im Raum Riga seine große Expertise im Viehhandel zugute gekommen. Er arbeitete als Lagerhäftling in Arbeitskommandos, die mit der Beschaffung von Vieh für die Truppen befasst waren, zunächst im Raum Riga, dann vermutlich in Maly Trostinec bei Minsk. Kurz vor der Ankunft der russischen Truppen im Frühsommer 1944 gelang ihm die Flucht in die Wälder. Doch wenig später wurde er von den Sowjets festgenommen und wegen angeblicher „Spionage“ und als "allgemein gefährliches Element" von einem Gericht zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. 1949 schickte man ihn dann auf unbestimmte Zeit ins Straflager nach Sibirien. Erst 1956 kam er frei, lebte zunächst auf dem Gut Heiligenthal und kehrte 1959 nach Schwanfeld zurück.
In einer früheren Version des Artikels war zu lesen, Ludwig Gutmannn sei Soldat gewesen. Dies taucht immer wieder auf, stimmt aber nicht. Der letzte Absatz des Artikels war in der ursprünglichen Version nicht enthalten, er wurde jetzt hinzugefügt.