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SCHWEINFURT
Mitreißend und authentisch: das Rick Hollander Quartett
Manfred Herker
 |  aktualisiert: 24.11.2016 03:39 Uhr

„Melody is King“, das sei seine Devise beim Komponieren, erzählte der amerikanische Schlagzeuger Rick Hollander an der Disharmonie-Theke. Er stellte mit seinem Quartett am Donnerstag seine neue CD „On the Up and Up“ vor, von der sieben Titel aus seiner Feder stammen. Ein sympathischer, bescheidener Musiker, der mit James Moody, Woody Shaw und Brad Mehldau arbeitete, und seit seiner Umsiedlung nach München schnell zu einem begehrten Musiker der europäischen Jazzszene wurde.

Mit ihm auf dem Podium der amerikanische virtuose Tenorsaxofonist Brian Levy, der amerikanische Bassist Will Woodward und der junge deutsche Jazzgitarrist Paul Brändle. Als der Hollander kennenlernte, wusste er: „Mit dem muss ich spielen“. Er ist begeistert von dem Amerikaner: „Rick spielt nicht nur Schlagzeug, er spielt und lebt den Song, er orchestriert jeden musikalischen Moment auf seine Art und überrascht immer wieder mit seinen neuen Ideen“.

Tatsächlich habe ich selten einen solch musikantischen Schlagzeuger erlebt, der nicht nur die Themen der Songs und ihre Stimmungen so traumwandlerisch akzentuiert, wirkungsvoll verstärkt und zum Leuchten bringt. Schon in der Ballade „An Appraisal in Gold“ überrascht Hollander mit einem hingehauchten Stöcke-auf-Becken Spiel im Pianissimo. Kontrast zum Thema sind dann die weit geschwungenen sonoren Tenorimprovisationen und das filigrane Gitarrenspiel Brändles, das er in seinem Solo zu einem spannenden Höhepunkt gestaltet.

„Glad to be can be“ hat Bebop-Flair, vor allem im hektisch-nervösen Saxofon. Ständige Rhythmuswechsel zu Rock, Swing und Latin ergeben ein farbiges, elektrisierendes Spiel. Es ist eine energiegeladene Musik, kraftvoll und zupackend wie Levys Tenorsolo. Auch der Vierer-Takt-Wechsel von Gitarre, Tenor und Schlagzeug baut diese Spannung weiter auf.

Vor allem leben die Stücke von einer weit gespannten Dynamik: Von zart verhaltenen Abschnitten bis zu explosiven Ausbrüchen. So in „Dancing Fly Reflections“, dessen Thema erst melancholische Stimmung verbreitet, um dann in den Tenor- und Gitarren-Improvisationen in vorwärtsdrängende Power umzuschlagen. Aus „As it there were simple Times“ im Mediumswing kann man unbeschwerte Zeiten heraushören: Schlendert da nicht ein Pärchen fröhlich über die Champs Élysées? Bestimmt, denn Will Woodward unterstreicht all diese Leichtigkeit mit einem hingetupften wunderschönen Bass-Solo. Für Modern Jazz ungewöhnliche Kollektivimprovisationen von Tenor und Gitarre kann man in „Indian Summer“ verfolgen.

Dass Hollander auch ein großer Romantiker ist und die Textdichter des Great American Songbook schätzt, zeigt er vor der Zugabe von „Embraceable you“ von George Gershwin. Er zitiert aus dem Lovesong: „Wenn du mich ansiehst, wenn du mich umarmst, ist mein Herz gleich beschwipst. Weck ruhig den Zigeuner in mir, das kannst nur du allein“. Was für eine honigsüße Liebeserklärung.

Paul Brändle setzt dann auch im Stück diese sehnsuchtsvolle Stimmung in reine Gitarren-Poesie um, Bassist Woodward greift mit leisen Tupfern diesen Zauber auf – und Lover Rick Hollander streichelt traumverloren sein großes Schlagzeug-Becken. Herzlicher Applaus für die exzellenten Musiker und für einen tollen Abend. Für Jazz pur. Manfred Herker

 
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