Ihre Herzen schlagen für den Radsport. Bundeswehrsoldat Maximilian Sittler ist gelernter Zweiradmechaniker, sein Bruder Sven jobbt neben seinem Studium in Würzburg als Fahrradkurier. Und weil Schwester Nadja in Großbritannien lebt, radelten die beiden kurzerhand mal nach London. Das ist deshalb eine außergewöhnliche Leistung, weil Sven eine Beinprothese trägt.
Der Student aus Hain ist mit einer Beinbehinderung auf die Welt gekommen. Er trägt nach unzähligen Operationen auf der rechten Seite vom Knie abwärts eine Prothese und links eine Orthese, um den unterentwickelten Unterschenkel zu unterstützen. Sich fortzubewegen, ist Sven größtenteils nur mit Krücken oder einem Rollstuhl möglich – oder eben mit dem Fahrrad.
Nach längeren Planungen ging es von Würzburg aus los. Die erste Tagesetappe führte durch den Spessart nach Frankfurt. Auch für Maximilian war das Radeln anstrengend, denn er musste hinter seinem Fahrrad einen Anhänger mit Gepäck und Svens Krücken herziehen.
Innerhalb der nächsten beiden Tage durchquerten die beiden halb Deutschland, nächtigten in Koblenz und Aachen, strampelten durch das romantische Rheintal, besichtigten die Brücke von Remagen, kämpften gegen fiesen Gegenwind und trafen allerlei nette Leute, die ihren Mut und ihre Tatkraft bewunderten. Zum Übernachten nutzten sie Couch-Surfing-Angebote, schlossen neue Bekanntschaften mit Familien und Singles.
In Aachen legten sie eine eintägige Pause ein, besahen sich die Stadt und kauften Zugtickets für die Rückreise von London nach Würzburg. Denn eine nochmalige Radtour zurück hätte ihr Zeitkontingent und auch ihre Fitness deutlich überstiegen. Als Sven und Maximilian bei Vaal die Grenze nach Holland überschritten, waren sie angenehm überrascht. Die Landschaft wurde nicht nur zunehmend flacher, sondern die Radfahrernation Holland empfing sie auch mit klarer Verkehrsgestaltung und gut ausgebauten Wegen. Und sie machten Bekanntschaft mit einem 70-jährigen Rennradfahrer und einem blinden Tandemfahrer. „Einziges Manko war das Wetter“, erzählt Sven, das wurde zusehends trüber und regnerischer.
Die weitere Strecke führte über Maastricht zum Tagesziel Antwerpen, am kommenden Tag weiter nach Gent und am siebten Reisetag über Brügge nach Dünnkirchen. Als endlich die Fähre nach England in greifbare Nähe gerückt war, mussten die zwei Männer feststellen, dass der Hafen von ihrer Herberge noch einmal gut 20 Kilometer entfernt lag. Da sie spät aufgestanden waren, hieß es nun, fest in die Pedale treten, um die gebuchte Überfahrt nicht zu versäumen. Außer Puste erreichten sie schließlich die Fähre.
In England benutzten die beiden Brüder, festländischer Gewohnheit folgend, zuerst einmal die falsche Straßenseite, bis sie ein Hafenarbeiter darauf aufmerksam machte, dass in England links gefahren wird. Das letzte Teilstück von Dover nach London entpuppte sich als die schwerste Etappe der ganzen Reise. „Es gab nur sehr wenige Radwege, die Autofahrer hupten wild und waren ziemlich rücksichtlos beim Überholen“, berichtet Maximilian. Ihr Ziel erreichten sie dann aber doch unbeschadet.
Die nächsten Tage blieben die Räder erst einmal stehen. Zu Fuß oder per Undergroundbahn besichtigten Sven und Maximilian mit ihrer Schwester Nadja die Sehenswürdigkeiten von London. Sven hatte das Glück, an einem Abend beim Training der „London Titans“, einem Londoner Rollstuhlbasketballteam, in der Copper Box im Olympia Park teilnehmen zu dürfen.
Mittlerweile sind die beiden Radler wieder wohlbehalten in der Heimat angekommen. Sven und Maximilian sind auf ihrer gut 1000 Kilometer langen Radtour, die ihnen täglich Strecken von 70 bis 160 Kilometer abverlangte, an die Grenzen ihrer Kondition gestoßen. Aber „mit gegenseitigem Zuspruch und Zähigkeit haben wir unser Ziel erreicht“, sagt Maximilian. Stolz schauen die beiden auf ein einmaliges Abenteuer und eine tolle Leistung zurück, die ihnen für alle Zeiten positiv in Erinnerung bleiben wird.
Einen aufrichtigen, herzlichen Glückwunsch an die Athleten!