Harald Krassnitzer, den meisten bekannt als Major Moritz Eisner im Austro-Tatort, ist ein brillanter Schauspieler und so ist seine "Wiener Melange" weitaus mehr als eine Lesung, sie ist gelebte Literatur, in der Krassnitzer in die Wiener Seele hineinschlüpft, die Figuren ungemein lebendig werden lässt.
Er schlägt einen Bogen von dem nie verwundenen Niedergang der österreichischen Monarchie nach dem Ersten Weltkrieg, die geprägt war von einer ungeheuren Vielfalt von Völkern und Religionen, über die zweite Nachkriegszeit, als man Hitler zum Deutschen machte und tunlichst verdrängte, dass Tausende 1938 auf dem Heldenplatz ihm entgegenfieberten, bis zur heutigen Politik, in der sich lange Zeit die beiden großen Parteien selbst die Opposition machten.
Das Kaffeehaus als Ort der Demokratie
Ein zentraler Ort ist das Kaffeehaus, ein Ort der Demokratie, wie Stefan Zweig feststellte, wo man für einen kleinen Obolus, den Preis eine Tasse Kaffee, stundenlang in Zeitungen blättern und die aktuellen Themen diskutieren kann. Alfred Polgar hat das so beschrieben: "Ins Kaffeehaus gehen Leute, die allein sein wollen, aber dazu Gesellschaft brauchen."
Eines dieser Cafés ist das legendäre Hawelka in der Dorotheergasse, das in über 60 Jahren keine Veränderung erfuhr, eine Stammkundschaft aus Journalisten, Literaten, Künstlern und ganz einfachen Leuten hat, die prächtig miteinander ins Gespräch kommen.
In "Wiener Melange" geht Krassnitzer sehr einfühlsam in sanft gefärbtem Dialekt der Seele der Wiener nach, der Ambivalenz von Hass und Liebe zu ihrer Stadt, für die Inge Merkel ein ganz besonderes Gift, "Das Wiener Gift", beschreibt. Die Bereitschaft zum Raufen und Lachen ist in einer Brust vereint, ein grantelnder Wiener freut sich, wenn sein Pessimismus recht behält. Seine Bereitschaft zum Pöbeln ist recht ausgeprägt.
Sehr schön und vom Publikum in Schweinfurter Theater erkennbar genossen, kommt dies bei Gustav Ernsts "In der Straßenbahn" rüber. Da nimmt sich Krassnitzer im schnellen Wechsel der unterschiedlichsten Typen an und lässt die Protagonisten sich mit viel Schmäh wunderbar böse Wortschöpfungen an den Kopf werfen. Was sie nicht hindert, wenig später an der Haltestelle friedlich auseinanderzugehen.
Noch einmal zu Höchstform läuft Krassnitzer mit Thomas Bernhards "Holzfällen" auf, dem Skandalbuch aus den 80er Jahren, das sogar die Gerichte beschäftigte. In einer sich permanent wiederholenden, im Tempo sich steigernden Suada, schleudert der Autor seine Abscheu über die Menschen und das ganze Österreich heraus.
Sehr schön kontrastieren zu all dieser Bösartigkeit die musikalischen Zwischenspiele der "Hellbrunner Geigenmusi" - mit den bekannten stimmungsvollen Wiener Melodien und am Ende dem Zitherpart aus "Der dritte Mann".