Die Filmemacher wissen, wie man die Magie des Kinos ins "Weltbio" zaubert: "Wir brauchen mehr Popcorn!", lautet eine Anweisung. Bald wabert der Duft des klassischen Cineasten-Snacks über die Klappstühle: Etwa 50 bis 60 Statistinnen und Statisten haben sich im Schweinfurter Lichtspielhaus eingefunden, um die 1970er Jahre zu neuem Leben zu erwecken. Es geht um eine nostalgische Spielszene, für die Doku "Weng Chun Kung Fu - Shaolins weiche Kraft", die sich mit dem Überleben einer chinesischen Kampfkunst-Philosophie befasst.
Genauer mit dem Bamberger Großmeister Andreas Hoffmann, der in Hongkong in die Geheimnisse des "Weng Chun" eingeweiht worden ist. In dieser Sequenz sitzt er als Kind im Kino und erlebt, wie Bruce Lee seine Tigerpranke ausfährt. Die Filme mit dem chinesisch-amerikanischen Leinwandhelden waren in den 1970ern ein Erweckungserlebnis für Martial-Arts-Fans. Der Kreis schließt sich nun, in Franken.
Hambacg, Hongkong und Macao
Die ersten Cuts des Dokumentarfilms gab es in der Scheune des Hambacher Dorfwirtshauses. Schon damals waren die Produktionsfirmen "Wildscreen Entertainment" (Schweinfurt) und "Boxfish Film" (Würzburg) vor Ort. Das meiste Material stammt aus Hongkong und Macao. Dorthin wurde Hoffmann vom Schweinfurter Regisseur Kevin Wloczyk und dessen Team begleitet. "Es geht bei Weng Chun nicht darum, sich zu schlägern", hat Mutter Grazyna Wloczyk gelernt, die wie Vater Christian aus dem polnischen Kattowitz stammt, und sich noch gut an die Bruce-Lee-Euphorie in der kinobegeisterten Volksrepublik erinnert. Ehefrau Julia Wloczyk ist ebenfalls im Weltbio, auch Betreiberin Sabine Winter schaut vorbei.
Die Szene soll die Emotionen von damals wieder lebendig werden lassen. Die Statisten haben sich nach Aufrufen in den Medien gemeldet oder stammen aus der Kampfkunst-Szene. Andreas Junior, der sich statt im erwarteten Zeichentrickfilm jäh in einem Kung-Fu-Kracher wiederfindet, wird vom neunjährigen Krassimir gespielt. Sein Altersgenosse Jamie verkörpert Freund Philipp - im echten Leben sind beide Weng-Chun-Schüler in Hof. Ihr Sifu oder Lehrmeister Lucian Roucka sitzt gleich daneben, als fernseherfahrener Stuntman, mit Hosenträgern. Die stolzen Eltern sind Teil des Publikums, ebenso Anna, Inka und Julia, drei Künstlerinnen, die Kevin Wloczyk über die Kunstfabrik in der Spitalstraße kennengelernt hat, wo sie gerade aktiv sind.
Blümchenmuster, Rollkragen und Schlaghose
Zeitzeuginnen haben sich ebenfalls eingefunden, wie Waltraud Grasser oder Edeltraud Markert, die über das Radio aufmerksam geworden ist: "Ich wollte mir die Dreharbeiten anschauen. Jetzt bin ich mit Begeisterung dabei." Das eine oder andere Outfit, mit Blümchenmuster, Rollkragen, Schlaghose oder knallbunten LSD-Farben, stammt "von privat", die meisten Kostüme wurden von zwei Vintage-Fachfirmen, "Retro Star" und "Frau Pudding", ausgeliehen.
Gefragt ist Kopfkino. Der Actionstreifen, auf den alle gebannt starren, wird nur durch flackernde Lampen symbolisiert: "Ihr seht keinen Film", erklärt Regisseur Wloczyk vor der ersten Klappe, "ich will in euren Gesichtern Emotionen sehen". Großmeister Hoffmann, der eigentlich aus Stuttgart stammt, erinnert sich, wie das damals war, als bei Bruce alle gejohlt und geschrien haben: "Es war ein Hype". Die Kleider von damals zu sehen, das wäre schon ein Flashback.
Die Blicke seines "anderen Ich" Krassimir werden regelrecht in die Leinwand gesogen. Bei den Großen zuckt manche Faust mit. Nach dem Film strömen die Besucher nach draußen und vollführen wilde Kung-Fu-Schläge und -Tritte. Mit dabei ist niemand Geringeres als Sachka Wenk, chinaerfahrener Shaolinstar mit Instagram-Account. Vor der Tür steht zwischendurch der Partner einer Komparsin, mit coolem 68er-Bart und Kind in der Bauchtragetasche: "Die gab es damals noch nicht." Die Meh Dai oder Babytrage ist sogar eine chinesische Erfindung. Erscheinen wird der Film voraussichtlich im Dezember.