Pilger nehmen den Weg nach Santiago de Compostela in der Regel unter die Füße. Der Schweinfurter Johannes Reichert hat den Jakobsweg – ab Schweinfurt über Basel, Arles und Biarritz – befahren, mit seinem Fahrrad, und darüber ein Buch geschrieben. Titel „Der Weg. Die Herausforderungen. Die Erlebnisse“.
Warum 3369 Kilometer alleine abstrampeln? Drei Dinge sind da beim 54-jährigen SKF-Beschäftigten zusammengekommen: Zunächst „eine große Portion sportlicher Ehrgeiz“. Sich körperlich und geistig vorzubereiten, es dann Etappe für Etappe zu erreichen, nennt der Schweinfurter „ein fantastisches Gefühl“.
Dann: Im Berufsleben fehlten häufig sichtbare Erfolgserlebnisse. „Wie oft sieht der Arbeitsplatz am Ende der Woche noch überladener aus als zu Beginn, obwohl man vieles erledigt hat“, sagt Reichert. Auf seinen Radtouren habe er demgegenüber „Erfolge immer sehr intensiv erlebt“, der Kampf gegen Regen, Wind, Kälte und Hitze sei großartig, „wenn man gewinnt, und lehrreich, wenn man auch mal verliert“, fügt er an. Diese Erlebnisse prägten die Einstellung zum eigenen Leben. Drittens: Die Neugierde auf die Geheimnisse dieses uralten Pilgerwegs, der so viele Menschen anzieht.
Reichert startete Allein-Radtouren 1999, damals von Interlaken im Berner Oberland nach Schweinfurt, 2000 war von Schweinfurt aus Wien der Weg, 2004 radelte er durch Irland, 2005 bezwang er fünf Zweitausenderpässe in den Alpen. 2007 fiel die Entscheidung für die Pilger-Radtour, in Etappen, weil wie zuvor nur zwei Wochen Urlaub möglich waren.
Warum alleine? „Weil ich dann keine Kompromisse machen muss, keinem Gruppenzwang unterliege“. Bei Schwäche bedürfe es keiner Rechtfertigung, bei Übereifer könne weitergefahren werden. „Alleine nimmt man die Umgebung viel intensiver wahr und wird nicht abgelenkt, alleine bin ich ganz bei mir selbst, entscheide immer einstimmig, wann ich ent- und wann ich beschleunigen muss“.
Warum ein Pilgerweg? Pilgern nennt Reichert vor allem die gefühlte Verbundenheit mit den vielen Menschen, die im Lauf der Geschichte diesen uralten Weg bereits gegangen sind und in Zukunft noch zurücklegen werden“. Ein Jakobspilger sei für die Menschen am Wegesrand immer noch etwas Besonderes, werde auch so behandelt. Hilfe sei immer da gewesen, als sie gebraucht worden sei, Lösungen seien aufgetaucht, „als es darauf ankam, nur wann, das wusste ich nie so genau“. Viele davon beschreibt Reichert in seinem im Schweinfurter Wiesenburg-Verlag erschienenen Erlebnisbericht. Er nennt die jeweilige Strecke, die gefahrenen Kilometer und – abgesetzt – einen „Gedanken des Tages“ wie den am 7. Mai auf dem Weg von Gijon nach Soto del Barco: „Diesen Weg kann man spüren“.
Hat die Reise sein Leben beeinflusst? „Ja, definitiv“, sagt Reichert. Der gefühlte Stolz nach jedem Etappensieg gebe auch Kraft für den Alltag. Beeindruckt habe ihn auch die Pilgermesse am Ziel in der Kathedrale von Santiago mit den vielen Menschen, die wie er „das Ziel und die Strapazen bewältigt haben“.
Strapazen auch durch Pannen? Reichert lacht, Panne hatte er nämlich keine einzige. Das Ziel 2011? Wieder eine Fahrradpilgerreise, diesmal von Schweinfurt nach Rom. „Ich bin jetzt schon gespannt“.
Der Weg. Die Herausforderungen. Die Erlebnisse. Erhältlich beim Wiesenburg Verlag Schweinfurt, www. wiesenburgverlag.de oder im örtlichen Buchhandel. ISBN 978-3-942063-61-6. Johannes Reichert bietet über seine Tour Lesungen an, Email reichert.johannes@t-online.de. Bei der Messe in Leipzig liest er in den offenen Foren.