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REINHARDSHAUSEN
Mit dem Motorrad nach Baku
19 Tage, 6000 Kilometer, neun Länder, kein Navi – und auf dem Motorrad. Elke Geier aus Reinhardshausen ist die Allgäu-Orient-Rallye mitgefahren.
Abenteuer: Über Passstraßen und Staub-Pisten führte die Rallye nach Baku. In der Wüste wartete das Siegerkamel. Elke Geier begnügte sich mit ihrem Nummernschild als Souvenir.
| Abenteuer: Über Passstraßen und Staub-Pisten führte die Rallye nach Baku. In der Wüste wartete das Siegerkamel. Elke Geier begnügte sich mit ihrem Nummernschild als Souvenir.
Von unserem Redaktionsmitglied Nike Bodenbach
 |  aktualisiert: 16.11.2015 12:12 Uhr

Was sich Elke Geier aus Reinhardshausen da vorgenommen hatte, hielt sie unterwegs irgendwann selbst für verrückt. Die 47-Jährige ist mit ihrer alten Chopper und einem sechsköpfigen Team bei der Allgäu-Orient-Rallye mitgefahren. Von Oberstaufen bis nach Baku in Aserbaidschan. Komplett über Landstraßen, denn das sagen die Regeln. Kein Fahrzeug darf jünger als 20 Jahre oder mehr als 1111,11 Euro wert sein. Allein die Fahrt ist eine riesige Strapaze, doch auch das Teamwork sollte an ihren Kräften zehren.

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Überhaupt mitzufahren war eine spontane Entscheidung gewesen. Ein Teammitglied war abgesprungen, Elke Geier entschied sich über Nacht für das Abenteuer. Da waren es gerade noch zwei Wochen bis zum Start. Und ihre Felder draußen vor Reinhardshausen knochentrocken. Elke Geier hat eine kleine Landwirtschaft. Die Frühjahrstrockenheit im April 2012 spielte ihrer Reiselust in die Karten – auf den Feldern konnte sie gerade sowieso nichts tun. Die Teammitglieder kannte sie bis auf ihre Motorrad-Bekannte Gila, die ihr die Teilnahme vorgeschlagen hatte, überhaupt nicht.

„Team 22“ ging mit zwei alten Volvos und zwei Motorrädern an den Start. Die Autos waren bis oben hin vollgepackt mit Lebensmitteln und Camping-Ausrüstung. Denn teure Hotelübernachtungen sind bei der Allgäu-Orient-Rallye verboten. Wenn sich gar kein Zeltplatz findet, darf eine Übernachtung nicht mehr als 11,11 Euro kosten, haben die Schnapszahl-Freunde vom Organisationskomitee festgelegt. Eigentlich alles nach Elke Geiers Geschmack: Motorradfahren, zelten, entdecken ohne Schnickschnack.

Bis Istanbul durften die Teams frei wählen, welche Strecke sie fahren wollen. Für den ersten Tag hatte sich Team 22 ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, sie wollten es bis nach Ungarn schaffen. Doch das Team verfuhr sich gleich zu Beginn der Rallye, war am Nachmittag immer noch in Deutschland. Als dann Gila noch ein warmes Essen einforderte, ist Elke Geier schon innerlich der Kragen geplatzt. Aber sie wollte sich nicht gleich am ersten Tag streiten, sagt sie rückblickend.

Sie schafften es gerade mal bis Liezen in Österreich am ersten Tag. Als ihnen die örtliche Polizei um 2 Uhr nachts endlich den Weg zu einem Campingplatz wies, waren alle so kaputt, dass sie nicht einmal mehr die Zelte aufschlugen. „Mein Schlafsack schafft Minusgrade“, sagt Elke Geier.

Denn es war noch April, da wird es nachts doch merklich kühl – selbst weiter südlich in Bulgarien oder dann in der Türkei. Doch das Team musste allein in den fünf Tagen bis Istanbul mehrmals bis in die Nacht hinein fahren. Lebensgefährlich, denn die Straßen wurden immer schlechter, je weiter sie gen Südosten fuhren. Keine Begrenzungspfosten, keine Fahrbahnmarkierung und Schlaglöcher, in denen man ein Kind baden könnte. Es galt, am 2. Mai die türkische Hauptstadt am Bosporus zu erreichen. Also täglich mehr als 500 Kilometer fahren – „bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit über Land von 50 km/h“, berichtet Elke Geier aus Erfahrung. Abends zog sie sich gleich zwei Sturmhauben unter den Motorradhelm. Tagsüber rann ihr der Schweiß unter der Lederkluft hinab.

Elke Geier war mit den Nerven fertig. Sie und das Team – die Philosophien passten einfach nicht zusammen. „Ich trinke keinen Kaffee, ich rauche nicht, ich will einfach nur fahren“, sagt Elke Geier. Die anderen mochten es weniger asketisch. Die Landwirtin ist schon viel mit dem Motorrad verreist, unter anderem nach Neuseeland und ans Nordkap. Immer allein. „Dann kann ich meinen persönlichen Rhythmus leben“, sagt sie. Und gibt zu: „Ich bin keine besonders gute Teamplayerin.“ Auch in ihrem 400-Euro-Job in einer Fabrik in Hofheim (Lkr. Haßberge), mit dem sie ihre Reisen finanziert, habe sie sich ganz schön die Hörner abstoßen müssen.

Völlig entkräftet und entnervt kam Team 22 in Istanbul an. Um den Treffpunkt in der 13-Millionen-Metropole, in der es keine Straßenschilder gibt, zu finden, winkte der zweite Motorradpilot Bernd einen Taxifahrer heran. Er drückte ihm 20 Euro in die Hand, der Mann brauste los und das Team hatte Mühe, hinterherzukommen. „Es war der Horror“, erzählt Elke Geier, „auf einer dreispurigen Straße fuhren vier Autos nebeneinander“.

Als sie am Treffpunkt ankamen, war der so überfüllt, dass sie keinen Platz mehr für die Autos fanden. Alles voller Rallye-Teilnehmer, die die Ankunft zelebrierten. Ein Teil von Team 22 wollte mitfeiern, der andere Teil einfach nur einen Platz zum schlafen. Außerdem war noch einiges Spektakel in Istanbul geplant. Die beiden Motorradfahrer und einer der Volvos fuhren schließlich schon mal Richtung Osten voraus, der andere Volvo mit den beiden Jüngsten der Gruppe, Elias und Danny, blieb in Istanbul und machte sich schließlich getrennt von den anderen auf gen Baku.

Elke Geier war begeistert von der Gastfreundschaft der Türken. Wo immer sie auftauchten, wiesen ihnen freundliche Menschen den Weg zu einem Bett oder einem Essen. In der Kleinstadt Boyabat im Norden des Landes tranken sie Bier mit ausgelassenen jungen Türkinnen. Und sie stellte fest: „Je ärmer die Menschen waren, desto gastfreundlicher waren sie.“

Den Rest vom Team trafen sie erst in Samsun an der türkischen Schwarzmeerküste wieder. Elke Geier wollte nur noch in Baku ankommen. Die Hauptstadt des ölreichen Staates erreichte das Team zwei Tage früher, als der Flug nach Amman in Jordanien gehen sollte. Denn die Siegerehrung, bei der das Gewinnerteam traditionell ein Kamel bekommt, findet in dem Wüstenstaat statt. Das jordanische Königshaus unterstützt das Abenteuer. Bis vor zwei Jahren hatte die Rallye auch dort geendet, doch wegen der Unruhen in Syrien ist das aktuell unmöglich.

Das Lager für die Teams, das das Organisationskomitee mit den aserbaidschanischen Behörden ausgehandelt hatte, entsprach nicht den Erwartungen: ein staubiger Hof eines Baustoffhandels, irgendwo außerhalb von Baku. Ein Plumpsklo und nur ein kleines Restaurant in der Nähe, für über 500 Teilnehmer. Die Nacht vor dem Abflug schlief Team 22, gemeinsam mit vielen anderen, lieber am Flughafen als auf dem Platz.

Am Ende sind Elke Geier und ihre Mitstreiter gut in Jordanien – und schließlich auch wieder daheim – angekommen. Aufs Siegertreppchen haben sie es nicht geschafft. Aber das ist egal. Elke Geier sieht die Reise mit gemischten Gefühlen: tolle Landschaften, außergewöhnliche Menschen und unglaublich viele Erfahrungen – aber das nächste Mal fährt sie wieder alleine los.

Abenteuer: Über Passstraßen und Staub-Pisten führte die Rallye nach Baku. In der Wüste wartete das Siegerkamel. Elke Geier begnügte sich mit ihrem Nummernschild als Souvenir.
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Foto: Gisela Jansen, Elias Geis | Abenteuer: Über Passstraßen und Staub-Pisten führte die Rallye nach Baku. In der Wüste wartete das Siegerkamel. Elke Geier begnügte sich mit ihrem Nummernschild als Souvenir.
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