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STADTLAURINGEN
Mit dem Echolot auf den Grund des Ellertshäuser Sees
Mit einem kleineren Boot ihrer Flotte ist die Vermessungsfirma Geo-Ings auf dem Ellertshäuser See unterwegs gewesen. Ihr Ziel: dem Schlamm auf den Grund gehen.
Foto: Anand Anders | Mit einem kleineren Boot ihrer Flotte ist die Vermessungsfirma Geo-Ings auf dem Ellertshäuser See unterwegs gewesen. Ihr Ziel: dem Schlamm auf den Grund gehen.
Julia Haug
 |  aktualisiert: 27.04.2023 02:32 Uhr

Wellen klatschen gegen die Bootswand. Auf engstem Raum sitzen die beiden Kollegen in einem 60 PS starken Viereinhalb-Meter-Kahn. Ihre Augen sind nicht auf das grüne Ufer gerichtet, sondern auf die beiden Laptops. Unzählige Linien kreuzen darauf die Silhouette eines der beliebtesten Ausflugsorte in der Region, des Ellertshäuser Sees.

Aufmerksamen Spaziergängern dürfte das kleine Boot mit dem Schriftzug „Vermessung“ aufgefallen sein: Am 28. und 29. September kreuzte es in stoischer Gleichförmigkeit die Wasseroberfläche – von einem Ufer zum anderen, immer senkrecht zur Längsachse. Einmal angekommen am Ufer, ging es zehn Meter weiter westlich parallel zur vorigen Route wieder zurück. Stets entlang der angezeigten Linien auf dem Laptop.

Vorsee hält viele Sedimente zurück

Hinter dem ungewöhnlichen Schauspiel steckt das Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen. Die Behörde, die dem Bayerischen Umweltministerium untergeordnet und auch für den Landkreis Schweinfurt zuständig ist

, hat den Herbst genutzt, um dem See auf den Grund zu gehen: „Alle Stauseen haben das gleiche Problem, das ist die Verlandung“, erklärt Timo Schröder. Der Hydrograph für Seevermessung und sein technischer Kollege am Steuer, Matthias Waedt, arbeiten für das Vermessungsbüro Geo-Ings mit Hauptsitz in Stralsund.

Die beiden waren zwei Tage lang unterwegs, um erst den Hauptsee und dann am westlichen Ende den Vorsee zu vermessen. Der Vorsee hält die meisten Sedimente, das heißt Staub und Schlamm aus dem ankommenden Sauerquellenbach zurück, erklärt Christian Heitel, verantwortlich für die Gewässerentwicklung im Kreis Schweinfurt. Der Vorsee ist deshalb verschlammter als der Hauptsee.

Mit 100 oder 10 Kilohertz

Matthias Waedt muss den See möglichst genau entlang der vorgegeben Linien befahren. Eine Abweichung von bis zu drei Metern ist noch tolerierbar.
Foto: Anand Anders | Matthias Waedt muss den See möglichst genau entlang der vorgegeben Linien befahren. Eine Abweichung von bis zu drei Metern ist noch tolerierbar.

Wichtigstes Werkzeug am Bug des Bootes ist ein Echolot, nur knapp unter der Wasseroberfläche angebracht. Es sendet Schallimpulse zwei verschiedener Wellenlängen aus. Aus der verstrichenen Zeit bis zur Rückkehr des Impulses schließen Vermessungsingenieure wie Timo Schröder auf die Wassertiefe.

Dabei nutzen die Ingenieure die unterschiedliche Durchschlagskraft der Wellenlängen: 100 Kilohertz wird bereits von der obersten Schicht der Sedimente reflektiert. Nicht so die längere 10-Kilohertz-Welle: „Sie kann weiter in den Boden eindringen, wenn er relativ weich ist“, erklärt Timo Schröder. Erst der steinerne Seegrund, die „feste Sohle“, schickt also die langen Echolot-Wellen zurück. Die Differenz der beiden digitalen Geländemodelle ergibt die Höhe der Sedimente.

Fotoserie

„Wir wollen erfahren, ob wir entlanden müssen“, sagt Heitel. Zu viele Ablagerungen bedeuteten zu viel Dünger im See. Mit acht Quadratkilometern ist das Wassereinzugsgebiet des Ellertshäuser Sees vergleichsweise klein, eine Verschlammung darum unwahrscheinlicher als in anderen Stauseen. Zudem erhielt der Ellertshäuser See nach 1983 einen Ringkanal, der nährstoffreiche Abwässer vom See fernhält.

Diesmal mit Schwimmponton statt Wasser ablassen

Im Jahr 2008 wurde zum letzten Mal die Sedimenthöhe untersucht. Heraus kam: Eine Entlandung ist noch nicht nötig. Darum gehe man davon aus, „dass im Vorsee was gemacht werden muss“, schätzt Heitel.

Das Echolot ist nur knapp unter der Wasseroberfläche angebracht.
Foto: Anand Anders | Das Echolot ist nur knapp unter der Wasseroberfläche angebracht.

Rund 10 000 Euro lässt sich der Freistaat Bayern die Untersuchung inklusive Auswertung der Daten kosten. Sollte das Ergebnis, das Heitel erst bis Ende Oktober erwartet, „zu viel Schlamm“ lauten, würden die Pläne mit der Unteren Naturschutzbehörde, dem Landesamt für Umwelt und dem Markt Stadtlauringen abgestimmt.

Erst dann könnte ein Schwimmponton zum Einsatz kommen: Mit Düsen würden die Sedimente gelockert, abgesaugt und ans Ufer gebracht. Völlig anders also als 1983, als das letzte Mal entlandet wurde. Damals war der gesamte See abgelassen worden. Eine Methode, die man heute nicht mehr anwenden würde, sagt Christian Heitel. „Die negativen Auswirkungen auf das biologische Gleichgewicht“ seien zu groß gewesen.

1983 war der See trocken

Rückblick ins Jahr 1983: Die „seltene Attraktion“ eines trockenen Ellertshäuser Sees ist im Redaktionsarchiv gut dokumentiert: Das komplette Wasser des Sees läuft zwischen August und Oktober 1983 nach und nach ab. Fast enttäuscht lautete am 8. Oktober die Überschrift: „Ein Atlantis stieg nicht aus dem Wasser.“

Hauptgrund für die vergleichsweise rabiate Maßnahme ist damals neben dem vielen Grundschlamm und dem nötigen Einbau einer Tiefenbelüftung vor allem der Austausch verrosteter und undichter Ablassschieber sowie die Montage von Notverschlüssen. Einen Dammbruch konnte das Wasserwirtschaftsamt nicht mehr ausschließen.

Auch die Fische mussten raus

Zehntausende Kubikmeter Schlamm werden vom Grund des Sees herausgefahren, in einem Auffangbecken zwischengelagert und als Düngemittel kostenfrei an Landwirte gegeben. Zuvor gingen mehr als 300 Zentner Fische ins Netz – der komplette Besatz. Die meisten wanderten in den Verkauf, einige Großfische wurden gehältert, also in Bassins gehalten, bis sie im Mai 1984 wieder in den neu befüllten See einzogen.

Dabei stellte der Fischereiverband Unterfranken, Pächter des Fischereirechts am See, fest: Die geschätzten, aber sensiblen Regenbogenforellen hatten sich dem starken Populationsdruck der Karpfen, Hechte und Zander geschlagen gegeben.

Ellertshäuser See – die Fakten

Der größte künstlich angelegte See Unterfrankens liegt zwischen Ebertshausen (Lkr. Schweinfurt) und Fuchsstadt (Lkr. Bad Kissingen), rund 15 Kilometer von Schweinfurt entfernt. Er wurde zwischen 1958 und 1960 ausgehoben und ist seither eines der beliebtesten Naherholungsgebiete für Segler, Badegäste und Angler.

Bis zu 14 Meter tief ist der See auf einer Fläche von 31 Hektar. Das entspricht 43 Fußballfeldern. Der durch einen Damm abgetrennte Vorsee umfasst weitere zwei Hektar. 2,3 Millionen Kubikmeter Wasser passen ins Seebecken. Zum Vergleich: Der Stauraum des Großen Brombachsees ist 63-mal so groß (144,4 Millionen).

Mindestens acht Liter pro Sekunde muss der zuständige Flussbauarbeiter über die Betriebsauslass-Leitung in den Sauerquellenbach ablassen. Im Oktober wird der Wasserstand routinemäßig um einen Meter gesenkt, um den See auf den wasserreichen Winter vorzubereiten. Bis zu 600 Liter pro Sekunde können die Leitungen in Hochwasserzeiten in die Bäche ableiten.

 
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