Ja, wir sind alle das erste Mal im Gefängnis, räumten die fünf Nachwuchstalente vom 1. FC Nürnberg freimütig ein. So waren die knapp drei Stunden in Bayerns größtem Jugendknast für männliche Strafgefangene auch für die Club-Talente eine besondere Erfahrung und ein besonderer Tage in ihrer noch jungen Kickerlaufbahn.
Anlass für die Begegnung hinter Gittern war die Aufnahme der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ebrach in das Programm „Anstoß für ein neues Leben“. So nennt sich die Initiative der DFB-Stiftung Sepp Herberger zur Wiedereingliederung straffällig gewordener junger Menschen in die Gesellschaft.
Die JVA Ebrach hatte sich aus Anlass ihres heuer anstehenden Jubiläums „60 Jahre Jugendvollzug“ für das Projekt beworben und war schließlich als zweite bayerische Haftanstalt zum Zug gekommen. Die Patenschaft für die Anstoß-Auswahl der JVA hat der Club, der 1. FC Nürnberg, übernommen.
Trikotsatz für die Knastauswahl
Nach dem Besuch eines Gefängnisses im Jahre 1970 hatte sich Sepp Herberger das Wirken in Haftanstalten zur Lebensaufgabe gemacht. Davon profitieren jetzt die elf ausgewählten Gefangenen der JVA in Ebrach. Für sie hatte DFB-Anstoß-Projektleiter Nico Kempf einen Satz „Anstoß für ein neues Leben“-Trikots mitgebracht.
Die Resozialisierung junger Strafgefangener ist einer der Schwerpunkte der DFB-Stiftung Sepp Herberger. Ziel der Anstoß-Initiative ist es, die jungen Männer während der Haft aktiv auf die Zeit nach der Haftentlassung vorzubereiten.
Die Ausbildung zu Trainern und Schiedsrichtern gehören dabei ebenso zum Angebot wie spezielle Berufsberatungs- und Berufsbildungsangebote oder Anti-Gewalt-Maßnahmen, um den Häftlingen durch den Fußball als Resozialisierungshilfe eine Perspektive nach der Zeit im Gefängnis für ein Leben ohne Kriminalität zu geben. An der Initiative maßgeblich beteiligt sind deshalb auch die Bundesagentur für Arbeit und verschiedene andere Projektpartner.
Erste Trainingseinheit mit Club-Talenten
Zum Auftakt waren fünf U17-Juniorenspieler des Clubs mit ihrem Trainer Michael Wimmer zur ersten gemeinsamen Trainingseinheit auf dem Kunstrasenplatz im geschlossen Gefängnisbereich nach Ebrach gekommen. Mit dabei war Thorsten Lunz, der sich im Nachwuchs-Leistungszentrum in Nürnberg um die soziale und pädagogische Betreuung des Clubnachwuchses kümmert.
Michael Wimmer drückte von Anfang an kräftig aufs Tempo, auch um die rund 20-minütige Verspätung, die sich auf der Hinfahrt ergeben hatte, wieder hereinzuholen. Die Gefangenen waren sowohl bei dem intensiven Training, das der Club-Jugendtrainer mit vielen kurzen technischen Einheiten aufzog, als auch beim abschließenden gemeinsamen Spiel auf dem Kleinfeld hoch motiviert. Fußballsport verbindet, auch hinter Stacheldraht und Gefängnismauern, das war schon nach wenigen Minuten festzustellen. Immer wieder gab Michael Wimmer den Knastspielern Tipps, um sich weiter zu verbessern.
Interessierte Zuschauer an der Außenlinie waren neben den am Projekt direkt beteiligten Protagonisten angehende Vollzugsbeamte, die in Ebrach ausgebildet werden. Sie hatten das Training durch ihre Bereitschaft ermöglicht, an diesem Tag zu diesem Zweck außerplanmäßig die Gefangenenaufsicht zu übernehmen.
Die Freude des Anstaltsleiters
„Das ist toll, dass wir in das Projekt aufgenommen werden“, sagte JVA-Leiter Gerhard Weigand, als er zu Beginn des gegenseitigen Kennenlernens die Hauptakteure der Veranstaltung hinter Gittern und verschlossenen Türen in der Sporthalle begrüßte und ihnen in kurzen Zügen die JVA vorstellte.
Nico Kempf machte deutlich: „Jeder hat eine zweite Chance verdient“. In diesem Sinne wolle man die ausgewählten Gefangenen ganzheitlich auf das Leben in Freiheit vorbereiten. Nico Kempf unterstrich: „Wir wollen Impulse und Anstöße geben und Ihnen Mut zusprechen, weil wir an Sie glauben.“
Ihre Bereitschaft sich für die Initiative und die Gefangenen zu engagieren, signalisierten ferner Oliver Schwab, Ansprechpartner für die Häftlinge von der Agentur für Arbeit in Sachen Beruf und Berufswahl, Thomas Unger, der Bezirksvorsitzende des Bayerischen Fußballverbands für Oberfranken („eine gute Sache“), Frank Schweizerhof, Referent für „Soziales“ beim BFV („Wir hoffen, dass Ihr nach der Haft, egal in welcher Funktion, im Verein ein neues Zuhause findet“) und der bereits erwähnte Thorsten Lunz („Die Gefangenen sollen etwas für die Zeit mitnehmen, wenn es draußen wieder weitergeht“).
Die Auswahlkriterien
Die elf Mitglieder der Ebracher Anstoß-Gruppe waren seitens der JVA von den Sportübungsleitern Harald Götz und Oliver Becher sowie von Projektkoordinator Michael Wagner als dem für die berufliche Bildung zuständigen Gefängnislehrer ausgewählt worden. Zwei Kriterien waren dabei ausschlaggebend. Zum einen das fußballerische Können der im Schnitt 21 Jahre alten Gefangenen und zum zweiten, dass keine aktuellen Sicherungs- oder Disziplinarmaßnahmen gegen sie vorliegen.
Da beim sportlichen Höhepunkt des Projekts „Anstoß für ein neues Leben, dem alljährlichen bundesweiten Gefängnisturnier um den Sepp-Herbert-Pokal, pro Bundesland nur eine Mannschaft teilnehmen kann, wird Ebrach Anfang Juni in Berlin eine Spielgemeinschaft mit der JVA Neuburg bilden.
Auch Horst Eckel war schon in der JVA
Dies ist übrigens der zweite Kontakt der JVA Ebrach mit der DFB-Stiftung Sepp Herberger. Anlässlich der Fertigstellung der neuen Sporthalle hatte 2004 Horst Eckel, inzwischen 86 Jahre altes und letztes lebendes Mitglied der Weltmeistermannschaft von 1954, die JVA besucht und den damaligen Gefangenen Sportkleidung und Sportartikel übergeben.
Unter dem Motto „Basketball im Knast“ setzt sich der Basketballbundesligist Brose Bamberg seit rund zehn Jahren ebenfalls ehrenamtlich für in der JVA Ebrach inhaftierte junge Menschen ein.
Online-Tipp
Mehr Bilder vom Auftakttraining in der JVA Ebrach mit den U17-Junioren des 1. FC Nürnberg gibt es im Internet unter www.mainpost.de
Herbergers Einsatz für Häftlinge
Sepp Herberger war als Bundestrainer und Taktikfuchs beim Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz der Architekt des Wunders von Bern. Inzwischen ist er seit 41 Jahren tot. Doch das Vermächtnis des „Chefs“ lebt.
Seit einem Besuch der JVA im baden-württembergischen Bruchsal im Jahr 1970 hatte sich Sepp Herberger getreu seiner Devise „Wer oben ist, darf die unten nicht vergessen“ das Wirken für in Haftanstalten gelandeten Menschen zur Lebensaufgabe gemacht.
Davon profitieren jetzt die elf Gefangenen der JVA in Ebrach, die für die Aktion „Anstoß für ein neues Leben“ der DFB-Stiftung Sepp Herberger ausgewählt worden sind. (novo)