Gut gelaunt, mit Zylinder bewaffnet, führte Theaterleiter Christian Kreppel am Silvesterabend sein verehrtes Publikum in den Salon der Freifrau von Froidl ein. Hier präsentierte die Saloniere und Mezzosopranistin Tanja Maria Froidl mit dem von Walter Erpf geleiteten Salonorchester „La Rose Rouge“ einen vergnüglichen Streifzug durch die Musik der wilden 1920er- und 1930er-Jahre.
Silvester sei ja immer ein besonderer Tag, sagt Kreppel bei seiner Begrüßung. Zeit für gute Vorsätze, aber auch Zeit zu danken. So dem Einsatz aller Mitarbeiter des Theaters, vor allem aber der Treue des Publikums. Als Kreppel die Anwesenheit von Oberbürgermeister Sebastian Remelé und seiner Frau Monika in der Vorstellung erwähnt, antworten die Zuschauer im voll besetzten Theater mit einem spontanen Applaus. Kreppel: „Als Wiener wünsche ich allen ,Prosit Neujahr' und alles Gute – ich freue mich auf ein Wiedersehen mit Ihnen hier im Theater.“
Mit Applaus wird auch Tanja Maria Froidl empfangen, die in Schweinfurt schon mit ihrem Zarah-Leander-Abend gefiel. Sie versetzt uns nun ins Jahr 1927, in einen literarischen Salon in Berlin, einen privaten gesellschaftlichen Treffpunkt. Vielleicht komme ja Thomas Mann, Gustav Gründgens oder Bert Brecht vorbei? Auch das kleine Orchester hat aus dieser Zeit seinen Namen: Kern eines so genannten Salonorchesters ist wie hier ein Klavier plus Streichergruppe, dazu drei Saxofone und Schlagzeug. Den neun Musikerinnen und Musikern von „La Rose Rouge“, ihren Melodien mit den fast hundertjährigen Original-Arrangements zuzuhören, ist schon ein besonderer Genuss.
Die Sängerin Tanja Maria Froidl begeistert auch diesmal mit ihrer reinen, wandlungsfähigen Stimme und ihrer ausdrucksvollen Theatralik. Ob leicht verrucht im Negligé („In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine“), anzüglich („In der Bar zum Krokodil“), zweideutig („Meine beste Freundin“) oder sehnsuchtsvoll („Wenn ich sonntags in mein Kino geh'“) – immer trifft die Sängerin und Komödiantin den richtigen Ton, serviert genüsslich die Wortspielereien der Texte, schlüpft in mehrere Rollen und macht so aus jedem Song ein Mini-Schauspiel. Grenzwertig allerdings – selbst wenn Ausdruck jener Zeit – das schwarze Ringelnatz-Gedicht „Silvester bei den Kannibalen“.
Dazu glänzt Froidl in ihren Roben der 20er-Jahre, etwa den Charleston-Kleidern mit den frechen Fransen. Zwischen den Songs erzählt sie von dem legendären Kunstsammler, Mäzen und Publizisten Harry Graf Kessler und dessen Begeisterung für das Tanzwunder Josephine Baker, die mit ihrer „Revue Negre“ in der Silvesternacht 1925/26 in Berlin Furore machte. Außerdem hat die Froidl auch wertvolle Lebensweisheiten parat: „Der tiefe Ausschnitt einer Frau bedeutet doch oft einen tiefen Einschnitt in das Leben eines Mannes“ (darf man das jetzt noch so schreiben?)
Außerdem gibt die Sängerin Spartipps für das neue Jahr im Chanson „Frau Annette, die so bescheiden“. Mit „Nachts ging das Telefon“ erweist sie Zarah Leander ihre Reverenz, den Friedrich Holländer-Song „Die Kleptomanin“ und „Haben Sie schon mal im Dunkeln geküsst“ macht sie wieder zu komödiantischen Highlights. Mit „Du hast Glück bei den Fraun, Bel ami“, „Irgendwo auf der Welt“ und „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“ schließt sich der Reigen bekannter Schlagermelodien. Und das Salonorchester zeigt noch einmal seine Klasse mit der „Tango-Ballade“ von Kurt Weill, und mit der Zugabe „Sing, sing, sing“ ist dann endgültig Schluss.
Großer herzlicher Applaus, danke für einen kurzweiligen Abend zum Jahreswechsel.